Kernaussage
Aufgrund des Kriegsausbruchs in der Ukraine am 24.2.2022 mussten sich Unternehmen und deren Abschlussprüfer mit der Frage beschäftigen, ob und inwiefern die Auswirkungen der aktuellen Ereignisse in der Rechnungslegung und Berichterstattung der Unternehmen zu berücksichtigen sind, insbesondere da zu dieser Zeit viele Unternehmen gerade ihre Abschlüsse für das Geschäftsjahr 2021 erstellten bzw. durch den Abschlussprüfer geprüft wurden. Das IDW hatte dazu bereits am 8.3.2022 einen Fachlichen Hinweis veröffentlicht, in dem es u. a. verschiedene Konsequenzen für die Rechnungslegung zum 31.12.2021 erläutert. Mit einem ersten, zweiten und dritten Update vom 8.4.2022, 14.4.2022 und 9.8.2022 wurde der Fachliche Hinweis aktualisiert und deutlich erweitert; in den Aktualisierungen und Ergänzungen geht es insbesondere auch um die Auswirkungen auf die Rechnungslegung mit Stichtag nach Kriegsausbruch.
4.1 Ausgangssituation und aktuelle Entwicklungen
Mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine am 24.2.2022 mussten sich viele Unternehmen und deren Abschlussprüfer mit den Auswirkungen dieses Ereignisses auf die Rechnungslegung und Berichterstattung befassen. Zur Unterstützung der betrieblichen Praxis und des Berufsstands hat das IDW, wie schon zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020, bereits am 8.3.2022 einen Fachlichen Hinweis erarbeitet, in dem es vor allem um die Auswirkungen auf die seinerzeit häufig noch offene (Konzern-)Rechnungslegung zum 31.12.2021 ging. Aufbauend auf diesem Fachlichen Hinweis hat das IDW weitere Aktualisierungen veröffentlicht, in denen es insbesondere um die Beantwortung von Fragestellungen i. Z. m. den Auswirkungen auf die Rechnungslegung für Stichtage nach dem Ausbruch des Krieges, also z. B. einen Zwischenabschluss zum 31.3.2022 oder einen (abweichenden) Abschlussstichtag zum 30.6. oder 31.12.2022, geht.
Diese Unterscheidung war notwendig, weil der Beginn des Krieges am 24.2.2022 als wertbegründendes Ereignis beurteilt wurde und daher, bis auf die Beurteilung der Going-Concern-Prämisse und Berichterstattungspflichten bei den Ereignissen nach dem Abschlussstichtag, keine materiellen Auswirkungen auf die Rechnungslegung zum 31.12.2021 hatte. Vielmehr sind die bilanziellen Konsequenzen in der Rechnungslegung für Abschlussstichtage zu berücksichtigen, die nach dem 24.2.2022 liegen. Der nach wie vor andauernde Krieg hat bei vielen Unternehmen z. B. durch gestörte bzw. abgebrochene Geschäftsbeziehungen oder Lieferketten in die Ukraine, Russland oder Belarus, wegen stark steigender Preise z. B. für Rohstoffe oder Transportleistungen, aber auch wegen der Energiekrise durch gestiegene Energiepreise oder möglicherweise verminderte/ausbleibende Energielieferungen zum Teil erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage und damit die Rechnungslegung dieser Unternehmen. Nachfolgend sollen die wichtigsten Bilanzierungssachverhalte aufgeführt und erläutert werden, bei denen derartige Auswirkungen erwartet werden können.
4.2 Handelsrechtliche Rechnungslegung
Konsolidierungswahlrecht für Tochterunternehmen
Ein Tochterunternehmen braucht nicht im Wege der Vollkonsolidierung in den Konzernabschluss einbezogen zu werden, wenn erhebliche und andauernde Beschränkungen die Ausübung der Rechte des Mutterunternehmens in Bezug auf das Vermögen oder die Geschäftsführung des Tochterunternehmens nachhaltig beeinträchtigen (§ 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB). Dabei können die Beschränkungen auch rein tatsächlicher Natur sein, wie bspw. politische, wirtschaftliche oder finanzielle Beschränkungen, insbesondere Beschränkungen infolge (ggf. drohender) staatlicher Zwangsmaßnahmen (DRS 19.82, .85 Buchst. d). Die Beschränkungen müssen spätestens am Konzernabschlussstichtag Wirkung erlangt haben. Entfallen am Konzernabschlussstichtag bestehende und zu diesem Zeitpunkt als nachhaltig anzusehende erhebliche Beschränkungen bis zur Beendigung der Aufstellung des Konzernabschlusses, führt dies nicht zu einem rückwirkenden Entfallen des Konsolidierungswahlrechts (DRS 19.84). Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass aus Entwicklungen und Ereignissen, die sich erst nach dem Konzernabschlussstichtag vollziehen, nicht per se auf eine Beschränkung bereits am Stichtag geschlossen werden kann. § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB ist im Fall solcher "wertbegründender" neuer Ereignisse auf den zurückliegenden Konzernabschlussstichtag nicht anwendbar.
Darüber hinaus braucht ein Tochterunternehmen nicht im Wege der Vollkonsolidierung in den Konzernabschluss einbezogen zu werden, wenn die für die Aufstellung des Konzernabschlusses erforderlichen Angaben nicht ohne unverhältnismäßig hohe Kosten oder unangemessene Verzögerungen zu erhalten sind (§ 296 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Die Auswirkungen des Ausbruchs des Ukr...