Leitsatz
Erhält ein Unternehmen von seinen Kunden Zuschüsse zu den Herstellungskosten für Werkzeuge, die es bei der Preisgestaltung für die von ihm mittels dieser Werkzeuge herzustellenden und zu liefernden Produkte preismindernd berücksichtigen muss, so sind einerseits die Zuschüsse im Zeitpunkt ihrer Vereinnahmung gewinnerhöhend zu erfassen und andererseits in derselben Höhe eine gewinnmindernde Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Diese Rückstellung ist sodann über die voraussichtliche Dauer der Lieferverpflichtung gewinnerhöhend aufzulösen. Das gilt auch dann, wenn die genannten Verpflichtungen des Zuschussempfängers sich nicht aus einem am Bilanzstichtag bestehenden Vertrag, sondern nur aus einer Branchenübung ergeben (faktischer Leistungszwang).
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin produziert Serienteile für Automobilhersteller als Zulieferer. Sie stellt die Werkzeuge selbst her und erhält dafür von den Kunden sog. Werkzeugkostenbeiträge, durch die die Herstellungskosten teilweise abgedeckt werden. Die Zuschüsse werden bei der Preiskalkulation mindernd berücksichtigt.
Die Klägerin aktivierte die hergestellten Werkzeuge mit den gesamten Herstellungskosten und bildete zugleich in Höhe der Werkzeugkostenbeiträge Rückstellungen, die sie entsprechend der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von regelmäßig fünf Jahren anteilig auflöste. Das FA erkannte die Rückstellungen nicht an.
Entscheidung
Anders der BFH: Es entspreche dem Vorsichtsprinzip, die preismindernden Zuschüsse in der geschehenen Weise zurückzustellen. Der Umstand, dass die Klägerin dem Automobilhersteller gegenüber lediglich faktisch zur Preisminderung verpflichtet sei, stehe dem nicht entgegen. Allerdings sei die Rückstellung anschließend in jener Zeit ratierlich aufzulösen, in der die Verpflichtung zur preisgeminderten Lieferung der Werkzeuge – nach der erkennbaren und vorhersehbaren Beurteilung vom Bilanzstichtag aus gesehen – tatsächlich bestehe. Im konkreten Fall orientiert sich der BFH hierfür in Ermangelung anderer Anhaltspunkte an der gewöhnlichen Nutzungsdauer der Werkzeuge.
Hinweis
Wie sind Zuschüsse bilanziell zu behandeln, die ein Herstellungsbetrieb von seinem Auftraggeber erhält, die er aber bei den zu liefernden Produkten später preismindernd berücksichtigen muss? Diese Frage war in jüngster Zeit Gegenstand einschlägiger Diskussionen (Förschle/Scheffels, DB 1993, 2393; Wulf/Scheffbuch, DStR 2000, 1884). Der BFH gibt hierzu eine vielleicht etwas überraschende, unerwartete Antwort: Die Zuschüsse stellen naturgemäß Betriebseinnahmen dar. Sie sind indes zugleich nach Maßgabe einer strikten kaufmännischen Vorsicht gewinnmindernd in einer Rückstellung aufzufangen, und zwar in derselben Höhe wie die besagten Betriebseinnahmen, weil die Zuschüsse den "Anschaffungsertrag" für die Verbindlichkeiten darstellen und deswegen als Bewertungsgrundlage für die Verbindlichkeit dienen können.
Die so gebildete Rückstellung ist sodann über die voraussichtliche Dauer der Lieferverpflichtung ratierlich gewinnerhöhend aufzulösen, weil sie zeitlich mit der jeweiligen Erlösminderung korrespondiert. Das entspricht im Ergebnis dem Ansatz des jeweiligen Erfüllungsbetrags (als Rückzahlungsbetrag, vgl. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB,BFH-Urteil vom 12.12.1990, I R 153/86, BStBl II 1991, 479), ohne dass es des Rückgriffs auf die Fiktion dieses Betrags noch bedürfte.
Dreierlei ist an dieser Sichtweise bedeutsam:
Zum Ersten: Der BFH scheidet den Weg über den Ausweis einer passiven Abgrenzung aus, im Ergebnis wohl deswegen, weil die Werkzeugkostenbeiträge kalkulatorisch auf der Grundlage der Werkzeugkosten ermittelt wurden; die fortdauernde Lieferbereitschaft der Klägerin trat dahinter zurück. Damit kam die Annahme eines Entgelts für zeitraumbezogene Leistungen nicht in Betracht.
Zum Zweiten – und das ist das praktisch Wichtigste – erkennt der BFH keinen tragfähigen Unterscheidungsgrund darin, dass der Herstellungsbetrieb infolge der späteren verbilligten Lieferung nicht seinen Aufwand erhöht, sondern seine künftigen Betriebseinnahmen vermindert. Beides wirkt sich wirtschaftlich in derselben Weise in Gestalt eines bilanziellen Minderergebnisses aus und gibt keinen Grund für eine unterschiedliche bilanzielle Handhabung. Aufwand und Erlöskürzung sind zwei Aspekte des gleichen Tatbestands einer Minderung von Ertrag und Betriebsvermögen. Zudem ist die "Erzeugung von Aufwand" lediglich eine Frage der Bilanztechnik, wie sich beispielhaft vor allem an der Möglichkeit eines Verzichts auf eine zuvor begründete Forderung erweist.
Und zum Dritten stört sich der BFH nicht daran, dass der Herstellungsbetrieb nicht vertraglich, sondern nur faktisch zu der verbilligten Lieferung verpflichtet war. Das eine ist wie das andere steuerlich und bilanziell abzubilden.
Beachten Sie, dass das Ganze naturgemäß auch eine (systemgerechte) Kehrseite hat: Der Zuschuss gewährende Kunde hat spiegelbildlich ein entsprechendes Verwendungsrecht mit den Anschaffungskosten zu akti...