Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
2.4.1 Bilanzierungsverstöße bei der Aufstellung, Prüfung, Feststellung und Offenlegung des Abschlusses
Rz. 161
Nach § 147 Abs. 2 Nr. 1 GenG macht sich strafbar, wer als Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates oder als Liquidator die Verhältnisse der Genossenschaft in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand, die Mitglieder oder die Haftsummen, in Vorträgen oder Auskünften in der Generalversammlung unrichtig wiedergibt oder verschleiert. § 147 Abs. 2 Nr. 2 GenG bestraft zudem denjenigen, der in Aufklärungen oder Nachweisen, die nach § 57 GenG einem Prüfer der Genossenschaft zu geben sind, falsche Angaben macht oder die Verhältnisse der Genossenschaft unrichtig wiedergibt oder verschleiert.
Die falsche Berichterstattung durch den Abschlussprüfer wird durch § 150 GenG und die Verletzung der Geheimhaltungspflicht durch § 151 GenG sanktioniert.
Rz. 162
Nur für Kreditgenossenschaften ist die Vorschrift gegenüber den handelsrechtlichen Regelungen subsidiär (§ 147 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GenG i. V. m. §§ 340m, 331 Nr. 1 oder Nr. 1a bzw. Nr. 4 HGB). Ansonsten hat sie auch nach Einführung der §§ 331 ff. HGB ihren Anwendungsbereich behalten.
Rz. 163
Zur Erzwingung der für Genossenschaften bestehenden Rechnungslegungspflichten nach §§ 242 Abs. 1 und 2, 336 Abs. 1 HGB (Aufstellung eines Jahresabschlusses und einer GuV-Rechnung sowie eines Anhangs und eines Lageberichts innerhalb von 5 Monaten nach Ende des Geschäftsjahres) und § 339 HGB (Einreichung der Unterlagen zum Genossenschaftsregister sowie unter Umständen Bekanntmachung in den für Genossenschaften bestimmten Blättern innerhalb von 12 Monaten nach dem Abschlussstichtag) sah § 160 GenG a. F. die Möglichkeit der Festsetzung eines Zwangsgeldes vor. Mit dem Inkrafttreten des EHUG ist diese Erzwingungsmöglichkeit entfallen.
Rz. 164
Mit einem Zwangsgeld können die Mitglieder des Vorstandes aber weiterhin zur Befolgung der gegenüber dem Aufsichtsrat und der Generalversammlung bestehenden Vorlagepflicht des § 33 Abs. 1 Satz 2 GenG angehalten werden (§ 160 Abs. 1 Satz 2 GenG).
Rz. 165
Das Zwangsgeld darf den Betrag von 5.000 EUR nicht übersteigen (§ 160 Abs. 1 Satz 3 GenG).
2.4.2 Zusätzliche Folgen von Aufstellungs-, Prüfungs-, Feststellungs- und Offenlegungsmängeln
2.4.2.1 Schadenersatzpflicht
Rz. 166
Zum einen kann sich eine Schadenersatzpflicht wegen Verletzung eines Schutzgesetzes – als welches § 147 GenG anerkannt ist – aus § 823 Abs. 2 BGB ergeben.
Rz. 167
Zum anderen kann die so genannte Vorstandshaftung (§ 34 Abs. 2 GenG) eingreifen. Die Verantwortung für die Aufstellung des Jahresabschlusses und die Vorlage desselben an Aufsichtsrat und Generalversammlung tragen die Vorstandsmitglieder (§ 33 Abs. 1 GenG). Sie haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft anzuwenden (§ 34 Abs. 1 GenG). Bei Pflichtverletzungen sind sie der Genossenschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet (§ 34 Abs. 2 GenG).
2.4.2.2 Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses
Rz. 168
Bei der Genossenschaft ist für die Feststellung des Jahresabschlusses nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GenG die Generalversammlung zuständig. Der Beschluss der Generalversammlung über den Jahresabschluss kann nichtig oder anfechtbar sein.
Rz. 169
Nichtigkeitsgründe sind im GenG nicht ausdrücklich geregelt. Nichtigkeit wird jedoch dann vorliegen, wenn der Jahresabschluss seinem Inhalt nach zwingende gesetzliche Vorschriften verletzt.
Rz. 170
Anfechtbarkeit ist gegeben, wenn der Jahresabschluss gegen nicht zwingende gesetzliche Vorschriften oder das Statut verstößt. § 33 Abs. 2 GenG schränkt jedoch die klageweise Anfechtbarkeit des Beschlusses der Generalversammlung über den Jahresabschluss ein. Die Anfechtbarkeit wird insoweit ausgeschlossen, als sie auf eine Verletzung von Gliederungsvorschriften oder die Nichtbeachtung von Formblättern gestützt wird und hierdurch die Klarheit des Jahresabschlusses nur unwesentlich beeinträchtigt wird.
2.4.2.3 Versagung der Entlastung
Rz. 171
Die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat erfolgt bei der Genossenschaft durch die Generalversammlung. Bei gravierenden Mängeln des Jahresabschlusses versagt diese unter Umständen die Entlastung. Bei der Genossenschaft hat die Entlastung neben der tatsächlichen Billigung der Geschäftsführung für die Vergangenheit sowie den Ausspruch des Vertrauens auf die künftige Verwaltungsarbeit zudem – wie bei der GmbH – eine begrenzte Verzichts- und Anerkenntniswirkung (eine solche ist hingegen bei der Aktiengesellschaft ausdrücklich durch § 120 Abs. 2 AktG ausgeschlossen). Diese beinhaltet den Verzicht der Genossenschaft auf Schadenersatzansprüche aus §§ 34 Abs. 2, 41 GenG gegen die entlasteten Organmitglieder oder das Anerkenntnis des Nichtbestehens solcher Ansprüche.
2.4.2.4 Prüfungsbeanstandungen
Rz. 172
Im Rahmen der genossenschaftsrechtlichen Pflichtprüfung sind auch der Jahresabschluss und der Lagebericht der Genossenschaft durch den genossenschaftlichen Prüfungsverband zu prüfen.