Leitsatz
Wird die Veranlagung des Erbringers von Versorgungsleistungen zu seinen Gunsten in der Weise geändert, dass die laufenden Rentenzahlungen als dauernde Last in vollem Umfang als Sonderausgaben zum Abzug zugelassen werden, können damit korrespondierend die rechtlichen Folgerungen auch bei dem Dritten (Empfänger der Leistungen) im Wege der Änderung seiner bestandskräftig gewordenen Steuerfestsetzungen gezogen werden. Dies jedoch nur, wenn die Änderung beim Erbringer der Versorgungsleistungen im Einspruchsverfahren erfolgt, zu dem der Empfänger der Leistungen rechtzeitig hinzugezogen wurde. Gegen die materiell-rechtliche Beurteilung kann der Hinzugezogene sich nur in diesem Verfahren mit Erfolg wehren.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Rentnerin, bezog aufgrund eines Übergabevertrages mit ihren Kindern von ihrer Tochter wiederkehrende Leistungen. Diese hatte sie in den Steuererklärungen der Jahre 1996 bis 1999 als Einnahmen nur mit dem Ertragsanteil angesetzt, was das Finanzamt jeweils übernahm. Die Bescheide, die zwischen dem Februar 1998 und dem November 2000 ergangen waren, wurden bestandskräftig.
Der Tochter hatte für 1995 ein im Jahre 1999 anhängiges Klageverfahren geführt und den vollen Abzug als dauernde Last beantragt. Das Finanzgericht gab dem durch rechtskräftiges Urteil statt.
Daraufhin griff das Finanzamt die während der Dauer des Klageverfahrens ruhenden Einspruchsverfahren bezüglich der Steuerbescheide 1996 bis 1999 bei der Tochter wieder auf, um auch für diese Jahre die Leistungen in voller Höhe als dauernde Last anzusetzen. Zu diesem Einspruchsverfahren wurde die Klägerin gem. § 360 Abs. 3 AOhinzugezogen. Die Klägerin ließ im Einspruchsverfahren vortragen, die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerbescheide 1996 bis 1999 bei ihr lägen nicht vor.
Durch Einspruchsentscheidung vom 14.11.2002 gab das Finanzamt den Einsprüchen der Tochter statt und ließ seine Zahlungen in vollem Umfang als Sonderausgaben zum Abzug zu. Eine Einspruchsentscheidung wurde der Klägerin zugestellt mit dem Vermerk, dass die Veranlagungen der Klägerin für die Jahre 1996 bis 1999 gem. § 174 Abs. 4 und 5 AO dergestalt zu ändern seien, da sie die erhaltenen Leibrentenzahlungen in voller Höhe und nicht nur wie bisher mit dem Ertragsanteil zu versteuern habe.
Gegen die insoweit durch den Zusatz auferlegte Bindung (voller Ansatz der Einnahmen im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung) wendet sich die Klägerin mit der Klage.
Entscheidung
Die Klage war unbegründet.
Es ist nicht auszuschließen, dass der Erbringer von Leibrentenzahlungen seine Aufwendungen voll abzieht, das Finanzamt aber an der korrespondierenden Besteuerung beim Empfänger aus abgabenrechtlichen Gründen gehindert ist.
Im vorliegenden Fall war die Änderung bei der Klägerin jedoch gem. § 174 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 174 Abs. 5 AO möglich.
- Gem. § 174 Abs. 4 Satz 1 AO können durch Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheides, der fehlerhaft ist, die richtigen steuerlichen Folgerungen aus einem Sachverhalt gezogen werden, wenn aufgrund irriger Beurteilung dieses Sachverhalts zunächst ein fehlerhafter Steuerbescheid ergangen ist, der später aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird. Gegenüber einem Dritten ist die Folgeänderung möglich, wenn der Dritte an dem Verfahren, dass zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides geführt hat, beteiligt war. (§ 174 Abs. 5 Satz 1 AO).
- Das Finanzgericht weist ergänzend darauf hin, dass eine hinreichende Hinzuziehung zum Verfahren nur dann angenommen werden kann, wenn es zu einer abschließenden Einspruchsentscheidung kommt, es sei denn, dass mit dem Abhilfebescheid einem Antrag des Dritten entsprochen wird oder wenn er der Aufhebung zustimmt. Darüber hinaus darf beim Dritten im Zeitpunkt seiner Verfahrensbeteiligung noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten sein.
Diese Voraussetzungen lagen vorliegend vor. Es lag ein irrig beurteilter Sachverhalt vor, denn nach der Rechtsprechung reicht es für die Korrekturmöglichkeit gegenüber dem Dritten aus, dass es sich insoweit um einen einheitlichen Lebensvorgang handelt, aus dem sowohl gegenüber dem einen als auch gegenüber dem anderen steuerliche Folgerungen zu ziehen sind. Aufgrund ein und desselben Sachverhalts können beim Steuerpflichtigen deshalb abziehbare Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG und beim Dritten steuerpflichtige wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG in Betracht kommen.
Da die Klägerin vom Finanzamt im Streitfall zu den Einspruchsverfahren der Tochter hinzugezogen worden war, die Festsetzungsverjährung für ihre Einkommensteuerveranlagung 1996 bis 1999 zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten war und die Abhilfe im Rahmen der Einspruchsentscheidung vom 14.2.2002 erfolgte, die auch der Klägerin bekannt gegeben wurde, war sie in diesem Verfahren hinreichend im Sinne des § 174 Abs. 5 AO beteiligt. Das Finanzamt war deshalb be...