Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung von Einspruchsentscheidungen gegenüber Dritten. Wiederkehrende Bezüge. Einheitlicher Lebenssachverhalt. Einkommensteuer 1996, 1997, 1998 und 1999
Leitsatz (redaktionell)
1. Trotz der zwischen den Vorschriften des § 10 Abs. 1 Nr. 1a und § 22 Nr. 1 EStG bestehenden Wechselwirkung ist es möglich, dass der Erbringer der Leibrentenzahlungen seine Aufwendungen zwar in Abzug bringt, das Finanzamt aber an der korrespondierenden Besteuerung des Zahlungsempfängers aus abgabenrechtlichen Gründen gehindert ist.
2. Wird der Leistungsempfänger zu dem auf den vollen Sonderausgabenabzug der wiederkehrenden Leistungen gerichteten Rechtsbehelfsverfahren des Leistenden hinzugezogen, und wird dessen Begehren durch Abhilfebescheid entsprochen, ermöglichen die Absätze 4 und 5 des § 174 AO, den bestandskräftigen Steuerbescheid gegen den Leistungsempfänger aufgrund des einheitlichen Lebenssachverhalts in der Weise zu ändern, dass korrespondierend die wiederkehrenden Bezüge nicht mehr nur mit dem Ertragsanteil, sondern in voller Höhe der Besteuerung unterworfen werden.
Normenkette
AO 1977 § 174 Abs. 4-5; EStG 1990 § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 22 Nr. 1; EStG 1997 § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 22 Nr. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Beklagte befugt war, die Klägerin im Rahmen eines die Beigeladenen betreffenden Einspruchsverfahrens in der Weise zu binden, dass sie die vereinnahmten Leibrenten in vollem Umfang zu versteuern hat.
Die Klägerin (Klin) ist Rentnerin. In den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre (19961999) erklärte sie u.a. Einnahmen aus wiederkehrenden Leistungen in Höhe von jeweils 36.000 DM, die sie je zur Hälfte von ihrer Tochter (Beigeladene zu 2) und ihrem Sohn (Herr M.) bezogen hatte. Die Einnahmen basierten auf dem notariellen Vertrag vom 13. November 1990, in dem sich die Beigeladene zu 2 u.a. verpflichtet hatte, an ihre Mutter gegen Übertragung von 50 % der Geschäftsanteile an der Fa. M. GmbH, xxx, eine (wertgesicherte) monatliche Leibrente in Höhe 1.500 DM, d.h. jährlich 18.000 DM zu zahlen. Die monatlichen Leibrentenzahlungen in Höhe von 1.500 DM von ihrem Sohn erhielt die Klin ebenfalls aufgrund des Vertrages vom 13. November 1990.
Nachdem die Klin gegen die Einkommensteuerbescheide 1996 vom 20. Februar 1998 und 1997 vom 4. November 1998, in dem der Beklagte (das Finanzamt -FA-) die Leibrentenbezüge in voller Höhe (36.000 DM) als sonstige Einkünfte angesetzt hatte, Einspruch mit dem Begehren eingelegt hatte, lediglich den Ertragsanteil anzusetzen, änderte das FA diese Bescheide antragsgemäß. In den Einkommensteuerbescheiden 1996 vom 12. November 1998 und 1997 vom 1. Dezember 1998 wurden die Leibrenten lediglich noch mit dem Ertragsanteil (jeweils 9.360 DM) berücksichtigt. Entsprechend setzte das FA die Leibrenten auch in den Einkommensteuerbescheiden 1998 vom 6. Juli 1999 und 1999 vom 6. November 2000 nur in Höhe des Ertragsanteils an. Sämtliche Einkommensteuerveranlagungen wurden bestandskräftig.
Im gerichtlichen Verfahren 1 K 3672/99 hatten die Beigeladenen (als Kläger) beantragt, die von der Beigeladenen zu 2 im Jahr 1995 geleisteten Leibrentenzahlungen in vollem Umfang als Sonderausgaben in Abzug zu bringen. Mit Urteil des Senats (Einzelrichter) vom 10. Juli 2002 wurde der Klage stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf dieses Urteil Bezug genommen.
Daraufhin wurden die Einspruchsverfahren der Beigeladenen i.S. Einkommensteuer 19961999, die im Hinblick auf das Klageverfahren 1 K 3672/99 geruht hatten, wieder aufgenommen und die Klin mit Schreiben des FA vom 20. August 2002 (ESt-Akte 1999 Bl 39) zu diesen Verfahren gem. § 360 Abs. 3 AO hinzugezogen. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2002 wandte sich der steuerliche Berater der Klin gegen die beabsichtigte Berichtigung der Einkommensteuerveranlagungen der Klin und führte aus, dass im Verhältnis zu den Veranlagungen der Beigeladenen kein Fall einer widerstreitenden Steuerfestsetzung gegeben sei. Es handele sich vielmehr darum, dass eine rechtsfehlerhafte Beurteilung des FA nachträglich korrigiert werden solle. Im Übrigen seien die Veranlagungen der Klin für die Jahre 1996 und 1997 aufgrund der eingelegten Einsprüche vom FA zugunsten der Klin korrigiert worden, obwohl das entsprechende gerichtliche Verfahren der Beigeladenen noch nicht abgeschlossen gewesen sei.
Im Rahmen der die Einkommensteuerveranlagungen der Jahre 1996 – 1999 der Beigeladenen betreffenden Einspruchsentscheidungen (EE) vom 14. November 2002 wurde den Einsprüchen der Beigeladenen entsprechend der gerichtlichen Entscheidung vom 10. Juli 2002 stattgegeben und die Zahlungen der Beigeladnen zu 2 in Höhe von jährlich 18.000 DM in voller Höhe als Sonderausgaben berücksichtigt.
In den für die Klin bestimmten Ausfertigungen der EE vom 14. November 2002 nahm das FA Zusätze auf, wonach die Veranlagungen der Klin für die Jahre 1996-1999 gem. § 174 Abs. 4 und 5 AO in der Weise geändert w...