Rn 65
Am 20.06.2019 wurde die Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) verabschiedet, und unter dem 26.06.2019 im Amtsblatt als Richtlinie 2019/1023 publiziert.
Rn 66
Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 34 Abs. 1 der Richtlinie gehalten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bis zum 17.07.2021 zu erlassen und zu veröffentlichen. Grundsätzlich geht es um die Implementierung eines Frühwarnsystems für Schuldner bei finanziellen Schwierigkeiten und damit um einen präventiven Restrukturierungsplan.
Rn 67
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Schuldner bei einer wahrscheinlichen Insolvenz Zugang zu einem präventiven Restrukturierungsrahmen haben, der es ihnen ermöglicht, sich zu restrukturieren, um eine Insolvenz abzuwenden und ihre Bestandsfähigkeit sicherzustellen, unbeschadet anderer Lösungen zur Abwendung einer Insolvenz, wodurch Arbeitsplätze geschützt werden und die Geschäftstätigkeit weitergeführt wird.
Rn 68
Eine Umsetzung in nationales Recht hat durch das "Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG)" stattgefunden. Das Gesetz trat im Wesentlichen zum 01.01.2021 in Kraft.
Rn 69
Es wird ein Rechtsrahmen zur Ermöglichung insolvenzabwendender Sanierungen geschaffen, der es Unternehmen ermöglicht, sich auf der Grundlage eines von den Gläubigern mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplans zu sanieren. Mit diesem Rechtsrahmen wird die Lücke geschlossen, die das geltende Sanierungsrecht zwischen dem Bereich der freien, dafür aber auf den Konsens aller Beteiligten angewiesenen Sanierung einerseits und der insolvenzverfahrensförmigen Sanierung mit ihren Kosten und Nachteilen gegenüber der freien Sanierung gelassen hat. Dieser Restrukturierungsrahmen soll es dem Unternehmen grundsätzlich ermöglichen, die Verhandlungen zu dem Plan selbst zu führen und den Plan selbst zur Abstimmung zu stellen. Die Instrumentarien des Rahmens sollen im Stadium der drohenden und noch nicht eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zur Verfügung stehen. Vollstreckungs- und Verwertungssperren zur Wahrung der Erfolgsaussichten eines Restrukturierungsvorhabens sollen erwirkbar sein, wenn die Restrukturierung gut vorbereitet ist und wenn das Unternehmen während des Verfahrens fortgeführt werden kann.
Rn 70
Liegen bereits Rückstände gegenüber Arbeitnehmern, Sozialversicherungsträgern, dem Finanzamt oder Lieferanten vor oder ist das Unternehmen in den letzten drei Jahren nicht seinen Rechnungslegungspflichten nachgekommen, sollen solche Sperren nur erwirkbar sein, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, die Restrukturierung unter Wahrung der Interessen der Gläubigerschaft zu betreiben.
Rn 71
Auch die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Eigenverwaltung sollen stärker an die Zwecke der Eigenverwaltung und die Interessen der Gläubigerschaft rückgebunden werden. Der Verzicht auf die Bestellung eines Insolvenzverwalters ist gerechtfertigt, wenn und solange erwartet werden kann, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten. Der in der Anordnung der Eigenverwaltung liegende Vertrauensvorschuss ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn der Schuldner das Eigenverwaltungsverfahren rechtzeitig und gewissenhaft vorbereitet, bevor er unter den von einer akuten Zahlungsunfähigkeit ausgehenden Handlungsdruck gerät. In anderen Fällen soll die Eigenverwaltung zwar nicht ausgeschlossen sein, jedoch nur in Betracht kommen, wenn die prima facie nicht auszuschließenden Nachteile für die Gläubigerschaft nicht bestehen. Darüber hinaus sollen bislang ungeregelt gebliebene Einzelfragen zum Eigenverwaltungsverfahren einer Regelung zugeführt werden wie z.B. die Ermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten sowie die Haftung der Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Unternehmensträger.
Rn 72
Die Überschuldung und die drohende Zahlungsunfähigkeit werden stärker voneinander abgegrenzt. Zwar wird auch weiterhin eine drohende Zahlungsunfähigkeit im Rahmen der für die Überschuldungsprüfung vorzunehmenden Fortführungsprognose zu berücksichtigen sein. Jedoch soll das Konkurrenzproblem dadurch entschärft werden, dass der Überschuldungsprüfung ein Prognosezeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen ist, wohingegen die Prüfung der drohenden Zahlungsunfähigkeit regelmäßig im Rahmen eines zweijährigen Prognosezeitraums erfolgen soll. Hierdurch wird gewährleistet, dass im zweiten Jahr des Prognosezeitraums eine Konkurrenz von drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ausgeschlossen ist. Zudem soll der maximale Zeitraum für die Antragspflicht bei Überschuldung auf ...