1.1 Auswirkungen der Insolvenz auf Arbeitnehmervertreter und Betriebsvereinbarungen
Rn 1
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat grundsätzlich keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Amtszeit bzw. Zusammensetzung der im Unternehmen gebildeten Arbeitnehmervertretungen (vgl. §§ 21, 24, 47, 49, 55, 57 BetrVG).
Rn 2
Die in den Betrieben des insolventen Unternehmens gewählten Betriebsräte bleiben in personell unveränderter Besetzung weiterhin im Amt. Gleiches gilt für einen etwaig vorhandenen Gesamtbetriebsrat, der nach der Insolvenz ebenfalls fortbesteht.
Soweit lediglich ein abhängiges Unternehmen eines aus mehr als zwei Unternehmen bestehenden Unterordnungskonzerns insolvent wird und der Konzern fortbesteht, bleibt der Konzernbetriebsrat im Amt. Seine Zuständigkeit beschränkt sich allerdings auf die im Konzernverbund verbleibenden Unternehmen. Die aus dem insolventen Unternehmen entsandten Mitglieder scheiden aus dem Konzernbetriebsrat aus. Demgegenüber endet das Amt des Konzernbetriebsrats mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des herrschenden Unternehmens bzw. des einzigen abhängigen Unternehmens. Denn wegen der damit verbundenen Beendigung des Konzernverhältnisses entfallen in diesem Fall zugleich die Voraussetzungen für die Errichtung eines Konzernbetriebsrats. Dies gilt auch bei Eigenverwaltung mit Sachwalterbestellung.
Rn 3
Der Bestand sowie der Inhalt der im Unternehmen geltenden Betriebsvereinbarungen wird von der Insolvenz – lässt man die in Bezug auf Konzernbetriebsvereinbarungen bestehenden Besonderheiten einmal unberücksichtigt – zunächst ebenfalls nicht berührt.
1.2 Regelungsgegenstand/Normzweck des § 120
Rn 4
Vor diesem Hintergrund begründet § 120 ein an den Insolvenzverwalter sowie die betroffenen Betriebsräte gerichtetes Gebot zur Beratung über eine einvernehmliche Herabsetzung von Leistungen, die in Betriebsvereinbarungen vorgesehen sind und die Insolvenzmasse belasten (§ 120 Abs. 1 Satz 1). Weiterhin enthält die Vorschrift ein Recht zur vorzeitigen Kündigung von die Insolvenzmasse belastenden Betriebsvereinbarungen (§ 120 Abs. 1 Satz 2) sowie in Abs. 2 die – an sich überflüssige – Klarstellung, dass die Befugnis zur vorzeitigen Kündigung das Recht zur fristlosen Kündigung von Betriebsvereinbarungen aus wichtigem Grund unberührt lässt.
Rn 5
§ 120 dient somit der Entlastung der Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1). Auf der Grundlage des § 120 soll dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit gegeben werden, das Unternehmen kurzfristig von in Betriebsvereinbarungen geregelten Verbindlichkeiten zu befreien. Ausgehend von den allgemeinen Zielen der InsO, der Gläubigerbefriedigung und des Unternehmenserhalts (§ 1 Satz 1), gilt dies unabhängig davon, ob der betreffende Betrieb stillgelegt, im Rahmen des bisherigen Unternehmens fortgeführt oder an einen Dritten veräußert werden soll.
Rn 6
Insbesondere im Falle einer geplanten Betriebsveräußerung kann es wichtig sein, belastende Betriebsvereinbarungen frühzeitig zu ändern oder aufzuheben. Denn da Deutschland von der durch Art. 5 RL 2001/23/EG eröffneten Möglichkeit, Betriebsveräußerungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Anwendungsbereich des § 613a BGB auszunehmen, keinen Gebrauch gemacht hat, werden durch Betriebsvereinbarungen geregelte Rechte und Pflichten auch im Anschluss an einen von einem insolventen Veräußerer erfolgenden Betriebs- oder Betriebsteilübergang – unter Beibehaltung ihres kollektivrechtlichen Charakters – Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit dem Erwerber bzw. gelten bei dem Erwerber – soweit der Betrieb oder Betriebsteil dort unter Wahrung seiner Identität fortgeführt wird – kollektivrechtlich als Betriebsvereinbarung fort. Diese Rechtsfolge kann dazu führen, dass potenzielle Erwerber von einer geplanten Betriebsübernahme Abstand nehmen.
§ 120 eröffnet daher die Möglichkeit, die Insolvenzmasse belastende Betriebsvereinbarungen bereits im Vorfeld einer...