Rn 26
Dass jeder GmbH-Gesellschafter im Rahmen seiner Finanzierungshilfe einen (gesellschaftsrechtlich vermittelten) Informationsvorsprung tatsächlich ausnutzt, geht insbesondere dort, wo der Gesellschaftsanteil als Kapitalanlage gehalten wird, an der Lebenswirklichkeit vorbei. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG eine Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs des Kapitalersatzrechts vorgenommen, die – h.M. nach – auch im Rahmen des § 135 Beachtung findet. Danach unterliegt – grundsätzlich – nur der Gesellschafter der Finanzierungsfolgenverantwortung, der mindestens 10 % am Stammkapital hält. Dahinter steht die Vorstellung, dass nur der Gesellschafter, dessen wirtschaftliche Interessen eng mit denen der Gesellschaft verbunden sind, typischerweise auch von den ihm zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten im Rahmen einer Finanzierungsentscheidung Gebrauch macht. Freilich handelt es sich auch hier wiederum um eine (mehr oder weniger grobe) Typisierung; denn das Näheverhältnis und das gesellschaftsinterne Engagement des einzelnen Gesellschafters lassen sich mit Hilfe einer abstrakten Beteiligungshöhe nicht abschließend messen. Dies hat wohl letztlich auch der Gesetzgeber gesehen und § 32a Abs. 3 Satz 2GmbHGumeine weitere Alternative bereichert. Danach kommt es für die Zurechnung der Folgenverantwortung auf die Höhe der Beteiligung am Stammkapital dann nicht an, wenn der Gesellschafter auch Geschäftsführer der Gesellschaft ist. Beruht also die Möglichkeit der Informationsverschaffung darauf, dass der Gesellschafter auf die Geschicke der Gesellschaft einen weitgehenden Einfluss hat, so ist – nach den Vorstellungen des Gesetzgebers – das (erforderliche) Näheverhältnis stets und unabhängig davon gegeben, wie hoch die Beteiligung des Gesellschafters, d.h. inwieweit das wirtschaftliche Eigeninteresse des Gesellschafters mit dem Wohlergehen der Gesellschaft verknüpft ist.
Rn 27
Auch jenseits dieses gesetzlich geregelten Falls gibt es Einschränkungen des persönlichen Anwendungsbereichs des Kapitalersatzrechts im Hinblick auf den Normzweck. Dies gilt insbesondere dort, wo dem Gesellschafter aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls kein bzw. ein Informationsvorsprung nicht mehr zukommt, er also keine Insiderstellung zu Lasten der Gläubigergesamtheit ausnutzen kann. Zu denken ist hier etwa an den Fall des ausgeschiedenen Gesellschafters. Ist der Gesellschafter vor Eintritt der Krise ausgeschieden, so fehlt es von vornherein an der für eine Finanzierungsentscheidung notwendigen "gesellschaftsrechtlichen Insiderstellung". Mithin ist hier der persönliche Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechts nicht eröffnet. Anders ist die Rechtslage dann, wenn der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, nachdem er in der Krise die Finanzierungshilfe erbracht hat. Hier bleibt freilich das Kapitalersatzrecht zu seinen Lasten anwendbar; denn maßgebend ist die Insiderstellung im Zeitpunkt der Krisenfinanzierung. Durch Ausscheiden aus der Gesellschaft kann der Gesellschafter daher die einmal begründete Finanzierungsfolgenverantwortung nicht wieder abschütteln. Nicht eröffnet ist der persönliche Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechts – grundsätzlich – auch dann, wenn der Gesellschafters das Darlehen an die Gesellschaft nach Insolvenzantragstellung gewährt, wenn also das Insolvenzverfahren entweder bereits eröffnet oder aber das Insolvenzgericht – beispielsweise – einen vorläufigen (starken) Insolvenzverwalter eingesetzt hat. Derartige Kredite haben – unabhängig von der Person des Kreditgebers – gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 55 Abs. 2 InsO den Rang einer Masseverbindlichkeit. Für eine Finanzierungsfolgeverantwortung des Gesellschafters ist hier kein Raum; denn zum einen hat er in diesem Verfahrensstadium keinen Informationsvorsprung gegenüber den anderen Gläubigern und zum anderen hat er – im Hinblick auf den (vorläufigen) Insolvenzverwalter – keine Möglichkeit, den Informationsvorsprung zum Nachteil der Gläubigergesamtheit auszunutzen.