Rn 28
Unstreitig begründet nicht jeder Informationsvorsprung des Kreditgebers eine Finanzierungsfolgenverantwortung. Vielmehr kommt Letztere nur dort in Betracht, wo sich die dem Kreditgeber zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Informationsverschaffung (deutlich) von denen eines "normalen" Kreditgebers unterscheiden. Lösen aber kreditvertragstypische Informations- und Einflussrechte grundsätzlich keine Finanzierungsfolgenverantwortung aus, sind gesellschaftsfremde Dritte in der Regel vom persönlichen Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechts ausgenommen. Freilich darf nicht übersehen werden, dass besondere, d.h. gesellschaftsrechtliche Instrumente der Informationsbeschaffung in unterschiedlichen Formen daherkommen können. Eine gesellschaftsrechtlich vermittelte Insiderstellung kann sich nämlich nicht nur aufgrund eines individuellen Auskunftsrechts ergeben. Vielmehr kann der Informationsvorsprung auch Kehrseite einer gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflussmöglichkeit auf die Geschicke der Gesellschaft sein; denn wer (potentiell) Einfluss auf die Gesellschaft besitzt, kann diesen stets auch zur Informationsgewinnung einsetzen. Auch dies hat der Gesetzgeber letztlich gesehen und deshalb in § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG eine "Öffnungsklausel" aufgenommen. Danach findet das Kapitalersatzrecht auch auf solche Personen Anwendung, die einem (formalen GmbH-)Gesellschafter "wirtschaftlich" vergleichbar sind. Überwiegender Ansicht nach ist diese Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs auch im Rahmen des § 135 zu beachten.
Rn 29
Nun begründet freilich nicht allein schon der Zugang zu unternehmensinternen Informationen die "wirtschaftliche Vergleichbarkeit" mit einem Gesellschafter i.S.d. § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG. Ausgangspunkt für eine Finanzierungsfolgenverantwortung ist vielmehr die "anstößige" Doppelrolle des Betroffenen, die es ausschließt, ihn auf die Stellung eines außenstehenden Kreditgebers zu reduzieren (siehe oben Rn. 23 f.). "Eigensüchtig" wird die Ausnutzung des Informationsvorsprungs durch den Darlehensgeber erst dadurch, dass er das Darlehen um den Erhalt seiner Teilhabe an der Gesellschaft willen gewährt. Nur hierdurch verlässt er die Rolle eines "normalen" Kreditgebers mit der Folge, dass ihm die negativen Folgen seiner Finanzierung zurechenbar sind. Kennzeichnend für eine Finanzierungsfolgenverantwortung ist damit letztlich – neben dem Informationsvorsprung –, dass der Betroffene vergleichbar einem Gesellschafter am Erfolg der Gesellschaft – quasi mitgliedschaftsähnlich – partizipiert. Dass es auf diesen Aspekt mit entscheidend ankommt, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass der Nur-Geschäftsführer – trotz seines Informationsvorsprungs – dem Kapitalersatzrecht nicht unterstellt ist. Dies bringt § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG klar zum Ausdruck, der im Rahmen des Kleinbeteiligungsprivilegs neben der Geschäftsführerstellung eine Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft voraussetzt. Soweit Rechtsprechung und Literatur das Kapitalersatzrecht nach § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG auf Nichtgesellschafter erstrecken, stellen sie daher zu Recht nicht nur auf den Informationsvorsprung, sondern auch darauf ab, ob der in Frage stehende Kreditgeber – ähnlich wie ein Gesellschafter – an der Gesellschaft wirtschaftlich interessiert ist.
Rn 30
Eine derartige "wirtschaftliche Vergleichbarkeit" i.S.d. § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG kommt in einer Vielzahl von Fallgestaltungen in Betracht. Hierzu gehört etwa ein "atypisches" (mit weitreichendem Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausgestattetes) Pfandrecht an einem Gesellschafteranteil, eine atypische "Unterbeteiligung" an einem Geschäftsanteil, die dem Inhaber Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft einräumt oder die atypische stille Beteiligung an Vermögen und Ertrag der Gesellschaft, verbunden mit entsprechenden Einflussmöglichkeiten. Darüber hinaus sind in den persönlichen Anwendungsbereich des Kapitaleratzrechts auch mit einem Gesellschafter oder aber mit der Gesellschaft verbundene Unternehmen einbezogen. Der BGH spricht insoweit von einer "wirtschaftlichen Einheit". Im Einzelnen ist hier aber vieles streitig. Die Rechtsprechung jedenfalls zieht den Kreis der einbezogenen Unternehmen weit. Erfasst werden etwa alle Kreditgeber, die an der Gesellschafter-Gesellschaft maßgeblich beteiligt sind und damit deren Geschicke sowie über die Kreditvergabe bestimmen können.