Rn 28
§ 143 Abs. 1 Satz 1 regelt den Rückgewährsanspruch "in natura". Der Anspruch ist darauf gerichtet, die Insolvenzmasse in den Zustand zu versetzen, wie sie ohne die anfechtbare Rechtshandlung stünde. Eine Naturalrückgewähr hat auch dann zu erfolgen, wenn der Wert des herauszugebenden (unteilbaren) Gegenstandes (voraussichtlich) den zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger erforderlichen Betrag übersteigt; denn der Anfechtungsprozess soll nicht mit den Unwägbarkeiten einer solchen Prognose belastet werden. In einem derartigen Fall muss sich der Anfechtungsgegner auf den Übererlös verweisen lassen, der ihm nach der Verwertung des Gegenstandes zusteht. Anders wird man allenfalls bei ganz eindeutigen Fallgestaltungen entscheiden können.
3.1 Gegenstand der Rückgewähr
Rn 29
Zurückzugewähren ist grundsätzlich dasjenige, was durch die anfechtbare Handlung dem Gläubigerzugriff entzogen wurde. Tilgt der Insolvenzschuldner beispielsweise eine eigene Verbindlichkeiten in anfechtbarer Weise, sind die hierzu erbrachten Leistungen vom Anfechtungsgegner zurückzugewähren. Nicht maßgebend für die Bestimmung des Gegenstands der Rückgewähr ist dabei, was tatsächlich in das Vermögen des Anfechtungsgegners gelangt ist. Daher spielt es im Rahmen des § 143 Abs. 1 Satz 1 (anders bei Abs. 2 Satz 1 und – bei Schuldlosigkeit – Abs. 1 Satz 2) auch keine Rolle, ob der Anfechtungsgegner fortdauernd bereichert ist.
Besteht die anfechtbare Handlung in der Übereignung eines Vermögensgegenstandes, schuldet der Anfechtungsgegner dessen Rückübereignung. Handelt es sich hierbei um eine im Ausland befindliche bewegliche Sache, muss sie grundsätzlich auch nur dorthin zurückgewährt werden. Beim Übergang tatsächlicher Positionen hat deren Wiedereinräumung zu erfolgen.
Rn 30
Der Anfechtungsanspruch setzt jedoch in jedem Falle voraus, dass der Gegenstand der Rückgewähr zuvor zum haftenden Schuldnervermögen gehört hat. Tilgt daher beispielsweise der Schuldner (in nicht anfechtbarer Weise) gegenüber der Bank eine Schuld, für die sich ein Dritter verbürgt hat, so erlischt auch die Bürgschaft. Dieser Vorteil des Bürgen ist dementsprechend nicht anfechtbar, denn er stammt nicht aus dem Vermögen des Schuldners.
3.1.1 Wirtschaftliche Betrachtungsweise
Rn 31
Für die Frage, was im Einzelnen aus dem Schuldnervermögen entäußert wurde, ist nicht ein formaler, sondern ein wirtschaftlicher Maßstab anzulegen. Tritt beispielsweise der Insolvenzschuldner einen Anspruch auf Verschaffung einer Kaufsache in anfechtbarer Weise an den Anfechtungsgegner ab, und wird die Kaufsache dann an Letzteren vom Verkäufer geleistet, so richtet sich der Rückgewähranspruch nach § 143 Abs. 1 Satz 1 nunmehr auf die Kaufsache selbst; denn wirtschaftlich gesehen sollte mit der Abtretung ja gerade die konkrete Sache dem Dritten zugewendet werden (siehe auch unten Rn. 46).
3.1.2 Mittelbare Zuwendungen
Rn 32
Im Einzelfall kann es schwierig sein, den Gegenstand der Rückgewähr im Falle von mittelbaren Zuwendungen zu bestimmen. Der Rechtsprechung zufolge ist Gegenstand der Rückgewähr derjenige Vermögenswert, den die Mittelsperson nach der Vereinbarung mit dem Insolvenzschuldner bei Fälligkeit als Leistung an den begünstigten Dritten zu erbringen hat. Maßgeblich ist somit, welche Zuwendungen der Insolvenzschuldner mit seinem Vermögen als Äquivalent "erkauft" hat. Bei einer zwischen dem Insolvenzschuldner und einer Versicherung abgeschlossenen Lebensversicherung unter Einräumung eines widerruflichen Bezugsrechts zugunsten eines Dritten (= Anfechtungsgegner) ist dies (bei Eintritt des Versicherungsfalls) der Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme.