3.1.1 Anfechtbares Grundgeschäft
Rn 26
Für die Anwendbarkeit von § 144 Abs. 2 muss – hM zufolge – ein Kausalgeschäft angefochten worden sein. Voraussetzung ist mithin, dass der Insolvenzschuldner infolge der Anfechtung keinen Anspruch auf die Gegenleistung hat. Des Weiteren setzt die Vorschrift voraus, dass der Schuldner eine Leistung und der Anfechtungsgegner eine Gegenleistung erbracht haben. § 144 Abs. 2 verlangt mithin ein schuldrechtliches, gegenseitiges Rechtsgeschäft, dass von beiden Seiten ganz oder zum Teil erfüllt wurde. Zugleich muss das (zugrunde liegende Kausal-)Geschäft die Gläubiger unmittelbar benachteiligen. In Betracht kommt insoweit eine Anfechtbarkeit insbesondere nach §§ 132, 133. Bei unentgeltlichen Leistungen liegt dagegen kein Fall des Abs. 2 vor, da keine Leistungen ausgetauscht werden. Eine Ausnahme gilt allerdings bei gemischten Schenkungen (siehe unten Rn. 27)
3.1.2 Gegenleistung
Rn 27
§ 144 Abs. 2 setzt voraus, dass der Anfechtungsgegner eine Gegenleistung erbracht hat. Der Begriff der "Gegenleistung" wird von der h.M. weit verstanden. Der Begriff umschreibt nicht nur die dem Anfechtungsgegner obliegende Leistung bei einem synallagmatischen Vertrag. Vielmehr ist unter dem Begriff der "Gegenleistung" alles zu verstehen, was die Parteien als solche i.S. des Grundgeschäfts verstanden haben bzw. was der Anfechtungsgegner aufgrund des anfechtbaren Verpflichtungsgeschäfts vor oder nach Verfahrenseröffnung als Ausgleich geleistet hat. Letztlich versteht die h.M. den § 144 Abs. 2 als eine Art bereichungsrechtliche Regelung.
Beispiele:
Eine "Gegenleistung" im vorgenannten Sinne kann bei einer gemischten Schenkung vorliegen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die an den Anfechtungsgegner erbrachte Leistung teilbar ist. Dann richtet sich nämlich der Anspruch nach §§ 134, 143 von vornherein nur auf den Differenzbetrag, so dass es an einer Gegenleistung fehlt. Gleiches gilt, wenn der entgeltliche Charakter des Geschäfts überwiegt. Auch hier besteht nämlich lediglich ein Anspruch der Masse auf Zahlung des Differenzbetrages bzw. auf Ersatz des unentgeltlich zugewendeten Teils. Überwiegt dagegen der unentgeltliche Charakter des Geschäfts, so richtet sich der Anspruch nach §§ 134, 143 auf den Gegenstand selbst mit der Folge, dass dann in dem vom Anfechtungsgegner entrichteten "Teilentgelt" die Gegenleistung zu erblicken ist. Wird das Sicherungsgeschäft angefochten, so ist die Darlehenshingabe nicht Gegenleistung für die gewährte Sicherung. Keine "Gegenleistung" sind im Übrigen Aufwendungen des Anfechtungsgegners für den Vertragsschluss, da diese nicht zu einer Bereicherung der Masse führen. Gewährt der Schuldner einem Dritten zur Ablösung von dessen Hypothekengläubigern ein Darlehen, ist die dafür dem Schuldner bestellte Hypothek keine Gegenleistung der befriedigten Hypothekengläubiger, wenn diesen gegenüber das Geschäft angefochten wird.
Rn 28
Mitunter wird der Begriff der "Gegenleistung" teleologisch reduziert. Danach ist als "Gegenleistung" nur dasjenige anzusehen, was in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Leistung des Schuldners ausgetauscht wurde. Begründet wird dies damit, dass der Anfechtungsgegner durch seine Vorleistung das Insolvenzrisiko übernommen, d.h. auf den Schutz des Synallagmas verzichtet habe und nunmehr seine Gegenleistung nicht deswegen zurückfordern können soll, weil der Insolvenzschuldner – später – noch seine Leistung aufgrund eines anfechtbaren Vertrages erbracht habe. Vielmehr sei der Anfechtungsgegner in einem solchen Fall den übrigen Insolvenzgläubigern gleichzustellen mit der Folge, dass dem Anfechtungsgegner aufgrund der Anfechtung des Grundgeschäftes nur ein Bereicherungsanspruch erwachse, den er (lediglich) als Insolvenzforderung anmelden könne.