Rn 7

In Besitz zu nehmen ist "das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen". Das ist nach § 35 Abs. 1 das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung gehört und das er im Laufe des Verfahrens erlangt. Dazu gehören unbewegliche wie bewegliche körperliche Gegenstände (Immobilien und Fahrnis), Forderungen und (dingliche, absolute und relative) Rechte des Schuldners, gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaften, Sachgesamtheiten (Unternehmen) usw.; zu Einzelheiten vgl. die Kommentierung zu § 35. In die Insolvenzmasse fallen auch diejenigen Gegenstände, die der Absonderung unterliegen, denn insoweit besteht ein eigenes Verwertungsrecht des Verwalters (§§ 165 ff.).

 

Rn 8

Unpfändbare Gegenstände (§ 36 Abs. 1) unterliegen ebenso wenig wie mit Aussonderungsrechten Dritter belastete Gegenstände (§ 47) dem Insolvenzbeschlag. Zu beachten ist allerdings, dass § 35 Abs. 1 die sog. "Soll-Masse" ("Teilungsmasse", "Bruttovermögen") umschreibt. Welches Schuldnervermögen letztlich dem Zugriff der Gläubiger unterliegt, lässt sich aber zumeist erst durch eine umfassende Sammlung und Bewertung der sog. "Ist-Masse" ermitteln, auf die sich § 148 Abs. 1 bezieht: Das sind alle Gegenstände, die nach den äußeren Vermögens- und Besitzverhältnissen dem Schuldner zugeordnet und der Pfändung unterworfen sind.[7] In Besitz zu nehmen hat der Verwalter daher grundsätzlich – und dies geht über die §§ 35, 36 hinaus – alle beim Schuldner angetroffenen und aufgrund der tatsächlichen Umstände ihm zuzuordnenden Gegenstände (vgl. § 1006 Abs. 1 BGB, § 808 Abs. 1 ZPO); ausgenommen ist nur das, was eindeutig erkennbar und unstreitig nicht zur Masse gehört, denn hier entstehen nur unnütze Kosten.[8] Aber selbst bei offenkundig massefremden Sachen kann sich aus den weiteren Umständen (z.B. Verwendungsrecht an einer schuldnerfremden Sache) eine Inbesitznahmepflicht des Verwalters ergeben.[9] In die "Ist-Masse" fallen daher grundsätzlich auch alle Gegenstände, die dem Schuldner erkennbar nur zur (zeitlich begrenzten) Nutzung überlassen oder an ihn unter Eigentumsvorbehalt geliefert wurden, sowie etwa auch Kommissionsware (§ 392 Abs. 2 HGB).[10] Für Ehegatten und eingetragene Lebenspartnerschaften (§ 8 Abs. 1 LPartG) sind die § 1362 BGB, § 739 ZPO zu beachten.[11]

 

Rn 9

Der Verwalter hat in der Regel alle Massegegenstände unabhängig von ihrem Wert und ihrer Verwertungsmöglichkeit in Besitz zu nehmen. Das folgt nicht nur aus dem Gebot der sofortigen Inbesitznahme, das jedwede, ggf. zu zeitlicher Verzögerung führende Überprüfung ausschließt, sondern auch daraus, dass Inbesitznahme und Verwaltung der Masse – anders als unter der KO – nicht zwangsläufig in deren Verwertung münden (§§ 157, 159). Eine Inbesitznahme ist ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn bestimmte Gegenstände offenkundig nicht für den Zweck des Verfahrens – bestmögliche Befriedigung aller Gläubiger – genutzt werden können (auf den ersten Blick erkennbar wertlose Gegenstände, mit Absonderungsrechten überbelastete Gegenstände usw.)[12] Zu beachten ist dabei allerdings, dass die tatsächliche Nichtinbesitznahme – anders als bei aussonderungsbelasteten Gegenständen – noch nicht dazu führt, dass die betreffende Sache aus der Insolvenzmasse ausscheidet; dazu bedarf es zusätzlich noch der dann ebenfalls erforderlichen Freigabe durch den Verwalter (dazu unter 4.5). Andernfalls fielen tatsächlicher Besitz und Verfügungsrecht über eine Sache auseinander, ohne dass dies erforderlich oder auch nur sinnvoll wäre. Zu beachten ist außerdem, dass der Verwalter Absonderungsberechtigte davon in Kenntnis setzen muss, dass er den Gegenstand nicht in Gewahrsam nehmen will.[13]

[7] MünchKomm-Füchsl/Weishäupl, § 148 Rn. 12; Nerlich/Römermann-Andres, § 148 Rn. 14 f.; Kübler/Prütting-Holzer, § 148 Rn. 6; Uhlenbruck-Uhlenbruck, § 148 Rn. 2; HambKomm-Jarchow, § 148 Rn. 4; Häsemeyer, Rn. 9.06, 13.01.
[8] BGHZ 127, 156 (161); AG Duisburg ZInsO 2005, 105 (106) bei der vorläufigen Insolvenz; MünchKomm-Füchsl/Weishäupl, § 148 Rn. 12; Kübler/Prütting-Holzer, § 148 Rn. 9; Uhlenbruck-Uhlenbruck, § 148 Rn. 2; Barnert, KTS 2005, 431 (435 ff.).
[9] BGHZ 127, 156 (161); Gundlach/Frenzel/Jahn, DZWiR 2007, 320 (321); Häsemeyer, Rn. 13.02.
[10] Vgl. auch §§ 422 Abs. 2, 457 Satz 2 HGB. Zur umstrittenen Frage der dinglichen Surrogation beim Kommissionsgut siehe etwa Baumbach/Hopt-Hopt, § 392 Rn. 7.
[11] Diese Vorschriften gelten aber nicht bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften: BGH NJW 2007, 992 [BGH 14.12.2006 - IX ZR 92/05] (993 f.).
[12] OLG Köln ZIP 2000, 1498 (1500) [OLG Köln 20.07.2000 - 7 U 218/99]; Nerlich/Römermann-Andres, § 148 Rn. 18; Kübler/Prütting-Holzer, § 148 Rn. 5; Uhlenbruck-Uhlenbruck § 148 Rn. 2.
[13] OLG Hamburg ZIP 1996, 386 (387) [OLG Hamburg 14.12.1995 - 10 U 103/94]; Gundlach/Frenzel/Schmidt, NZI 2001, 350 (352); Gerhardt, ZInsO 2000, 574 (581).

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