Rn 45
Neben der vorläufigen Insolvenzverwaltung kann das Gericht dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen. Dies dürfte die effektivste Maßnahme darstellen, gläubigerbenachteiligende Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners kurzfristig und nachhaltig zu unterbinden. Sie führt gemäß § 24 zu einer absoluten Unwirksamkeit der von §§ 81, 82 erfassten Verfügungen des Schuldners über massezugehörige Gegenstände. Im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 hat diese Sicherungsmaßnahme zur Folge, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners über sein Vermögen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht (vgl. § 22 Abs. 1 und die Kommentierung bei § 22 Rdn. 9). Das allgemeine Verfügungsverbot hat im Regelfall negative Auswirkungen auf die spätere Insolvenzmasse, da der vorläufige Insolvenzverwalter mit allgemeinem Verfügungsverbot (sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter) wegen § 55 Abs. 2 ausnahmslos Masseforderungen und keine Insolvenzforderungen nach § 38 begründet.
Rn 46
Daher ist davor zu warnen, sozusagen automatisch die vorläufigen Maßnahmen des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 stets zusammen anzuordnen. Die Erforderlichkeit hierfür kann sich nur im Einzelfall ergeben, wenn der Schuldner noch aktiv unternehmerisch tätig ist, eine Betriebsfortführung in Betracht kommt, die hierfür notwendige Mitwirkung des Schuldner nicht auf andere Weise erreicht werden kann sowie insbesondere wegen §§ 55 Abs. 2, 61 eine ausreichende freie Masse vorhanden ist (s.u. Rn. 50). Gerade Letzteres ist aber für das Gericht insbesondere bei Gläubigeranträgen meist nicht mit der notwendigen Sicherheit erkennbar. Schon deshalb verbietet sich jegliche automatisierte Handhabung ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Vielmehr dürfte es sich generell empfehlen, zunächst kurzfristig weitere Ermittlungen anzustellen, welche Sicherungsmaßnahmen (vorläufige Insolvenzverwaltung, allgemeines Verfügungsverbot, Zustimmungsvorbehalt oder Einstellung bzw. Untersagung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen) im Einzelfall erforderlich sind. Im Regelfall ist ein abgestuftes Vorgehen zweckmäßig. Zunächst kann sich das Gericht häufig auf die Einsetzung eines Sachverständigen beschränken und diesen mit der kurzfristigen Ermittlung der Notwendigkeit weiterer vorläufiger Maßnahmen beauftragen. In aller Regel können solche Ermittlungen dann innerhalb weniger Stunden oder Tage durchgeführt und die Ergebnisse in Eilfällen auch telefonisch dem Insolvenzgericht mitgeteilt werden. Sodann können auf der Basis einer einigermaßen gesicherten Tatsachenkenntnis sinnvolle und damit verhältnismäßige Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden. Dies wird im nächsten Schritt häufig zunächst die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt (sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter) sein.
Rn 47
Ein solches Vorgehen entspricht der haftungsbewehrten Pflicht des Gerichts, da eine vorschnelle, automatisierte Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung mit gleichzeitigem Übergang der Verfügungsbefugnis bei dem bestellten vorläufigen Verwalter regelmäßig zu einem erheblichen Arbeits- und Kostenaufwand führt, um seinen gesetzlichen Pflichten gerecht zu werden. Zum anderen hat der vorläufige Insolvenzverwalter dann auch die Pflichten aus § 55 Abs. 2, § 61 zu erfüllen. Ergibt sich aber im weiteren Verlauf des Eröffnungsverfahrens, dass diese Pflichten nicht erfüllt werden können, weil schon die dafür erforderliche freie Vermögensmasse beim Schuldner nicht mehr vorhanden ist, folgt daraus gleichwohl – im Gegensatz zur in der Vorauflage vertretenen Meinung – keine unzumutbare Belastung für den vorläufigen Insolvenzverwalter. Zwar bleibt er bei Massearmut schlimmstenfalls ohne jegliche Vergütung für die Übernahme seines Amtes, doch ist er berechtigt und verpflichtet, seine Tätigkeit sofort einzustellen, wenn er erkennt, dass nicht einmal die Kosten der vorläufigen Verwaltung gedeckt sind. Mithin ist die voraussichtliche Deckung der Kosten keine Voraussetzung für die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots.
Rn 48
Es sollte auch nur in Ausnahmefällen ein isoliertes allgemeines Verfügungsverbot (ohne gleichzeitige Verwalterbestellung) verhängt werden. Eine solche Ausnahme kann z.B. vorliegen, wenn der Schuldner seine aktive Geschäftstätigkeit bereits vollständig eingestellt hat, nur noch die vorhandenen Vermögenswerte vor Verfügungen und Zugriffen Dritter geschützt werden müssen oder in einem Nachlassinsolvenzverfahren bei angeordneter Nachlassverwaltung. Ansonsten sollte zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit des Schuldners ein allgemeines Verfügungsverbot nur in Verbindung mit einer vorläufigen Insolvenzverwaltung angeordnet werden. Ist Gefahr im Verzug, kann das Gebot der Verhältnismäßigkeit auch die Anordnung eines beschränkten Verfügungsverbots des Schuldners im Hinblick auf einzelne besonders gefährdet...