Rn 58
Die Durchführung eines Insolvenzeröffnungsverfahrens berührt die Zulässigkeit von Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung grundsätzlich nicht. Als weitere Sicherungsmaßnahme kann das Gericht aber gegen den Schuldner laufende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einstweilen einstellen oder die Zwangsvollstreckung während des Eröffnungsverfahrens vollständig untersagen. Damit wird das sonst nur gem. § 89 im eröffneten Verfahren geltende Vollstreckungsverbot über die Anordnung einer vorläufigen Maßnahme (teilweise) in das Eröffnungsverfahren vorverlagert. Dies ist auch erforderlich, um den mit der InsO vorrangig verfolgten gesetzgeberischen Zielen zur Geltung zu verhelfen. Es soll vor allem verhindert werden, dass ein laufendes Schuldnerunternehmen durch eine Fülle von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen handlungsunfähig wird und die zur weiteren Geschäftstätigkeit erforderliche weitgehende Unversehrtheit des gesamten Inventars nicht mehr gewährleistet ist. Zwar unterliegen die abgeflossenen Vermögenswerte grundsätzlich der Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1, das schuldnerische Unternehmen soll aber bis zum ersten Berichtstermin in dem später ggf. zu eröffnenden Verfahren in seinem Bestand bewahrt werden, um so den Gläubigern die Entscheidung über das weitere Schicksal des Unternehmens überhaupt noch zu ermöglichen. Dies kann nur erreicht werden, wenn ein vorzeitiges Zerpflücken des Schuldnerunternehmens durch Gläubiger während des oft bis zu drei Monate andauernden Eröffnungsverfahrens verhindert wird.
Rn 59
Im Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung war eine umfassende Kompetenz zur Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für das Insolvenzgericht vorgesehen, also auch im Hinblick auf laufende Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren für unbewegliche Vermögensgegenstände. Im Zuge der Beratungen des Gesetzentwurfs wurde aber die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Einstellung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in unbewegliches Vermögen wieder auf das Vollstreckungsgericht zurückverlagert, so dass sich die entsprechende Maßnahme des Insolvenzgerichts auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in bewegliche Vermögensgegenstände zu beschränken hat. Als Ausgleich dafür wurden die Vorschriften der §§ 30d bis 30f ZVG um eine insolvenzrechtliche Einstellungsmöglichkeit erweitert (s.u. Rdn. 66).
3.5.1 Mobiliarvollstreckung
Rn 60
Entsprechend der früher schon praktizierten Regelung in § 2 Abs. 4 GesO hat der Gesetzgeber dem Insolvenzgericht in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 für den Bereich der Mobiliarvollstreckung die Möglichkeit zur Einstellung laufender und Untersagung zukünftiger verfahrens- und masseschädlicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger von Amts wegen gegeben, um so Zugriffe einzelner Gläubiger auf das Schuldnervermögen bereits während des Eröffnungsverfahrens zu unterbinden. Beim sog. Schutzschirmverfahren muss das Gericht eine Anordnung auf Antrag des Schuldners treffen (§ 270b Abs. 2 Satz 3).
Das Vollstreckungsverbot erfasst jede Art der Zwangsvollstreckung in das Schuldnervermögen, das dem späteren Insolvenzbeschlag unterliegt. Da nach den gesetzgeberischen Intentionen der Erhalt bzw. Zusammenhalt der späteren Insolvenzmasse im Vordergrund steht, betrifft ein Vollstreckungsverbot nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 das bewegliche Vermögen des Schuldners über das er zum Zeitpunkt der Anordnung tatsächlich verfügt, unabhängig von der Berechtigung. Die gesetzliche Formulierung ("soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind") ist dahingehend zu verstehen, dass lediglich die Immobiliarvollstreckung nach §§ 864 ff. ZPO ausgenommen ist, alle anderen Arten der Zwangsvollstreckung aber erfasst sind, wenn sich die konkrete Vollstreckungsmaßnahme gegen Bestandteile der zukünftigen Ist-Insolvenzmasse richtet. Dementsprechend können auch Maßnahmen der Herausgabevollstreckung nach §§ 883 ff. ZPO nach Erlass eines Vollstreckungsverbots unzulässig sein, sogar wenn nach § 885 ZPO die Herausgabe eines Grundstücks verlangt wird. Das Gleiche gilt für die Vollstreckung einer vertretbaren Handlung nach § 887 ZPO. Weiterhin kann das Vollstreckungsverbot grundsätzlich auch die Erzwingung der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO hindern, doch wird hier grundsätzlich die spätere Insolvenzmasse nicht betroffen sein mit der Folge, dass das angeordnete Vollstreckungsverbot nicht entgegensteht. Schließlich wird auch die Vollstreckung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung mit Bezug auf das geschützte Vermögen von dem Verbot erfasst. Ob auch strafprozessuale Vollstreckungsmaßnahmen von dem Vollstreckungsverbot erfasst werden können, ist noch nicht hinreichend geklärt, jedenfalls spricht aber der Sinn und Zweck der Norm dafür.
Rn 61
Auch bei dieser vorläufigen Maßnahme hat das Insolvenzgericht einigen Spielraum. Es kann z.B. allen späteren Insolvenzgläubigern die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen ...