Rn 60
Entsprechend der früher schon praktizierten Regelung in § 2 Abs. 4 GesO hat der Gesetzgeber dem Insolvenzgericht in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 für den Bereich der Mobiliarvollstreckung die Möglichkeit zur Einstellung laufender und Untersagung zukünftiger verfahrens- und masseschädlicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger von Amts wegen gegeben, um so Zugriffe einzelner Gläubiger auf das Schuldnervermögen bereits während des Eröffnungsverfahrens zu unterbinden. Beim sog. Schutzschirmverfahren muss das Gericht eine Anordnung auf Antrag des Schuldners treffen (§ 270b Abs. 2 Satz 3).
Das Vollstreckungsverbot erfasst jede Art der Zwangsvollstreckung in das Schuldnervermögen, das dem späteren Insolvenzbeschlag unterliegt. Da nach den gesetzgeberischen Intentionen der Erhalt bzw. Zusammenhalt der späteren Insolvenzmasse im Vordergrund steht, betrifft ein Vollstreckungsverbot nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 das bewegliche Vermögen des Schuldners über das er zum Zeitpunkt der Anordnung tatsächlich verfügt, unabhängig von der Berechtigung. Die gesetzliche Formulierung ("soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind") ist dahingehend zu verstehen, dass lediglich die Immobiliarvollstreckung nach §§ 864 ff. ZPO ausgenommen ist, alle anderen Arten der Zwangsvollstreckung aber erfasst sind, wenn sich die konkrete Vollstreckungsmaßnahme gegen Bestandteile der zukünftigen Ist-Insolvenzmasse richtet. Dementsprechend können auch Maßnahmen der Herausgabevollstreckung nach §§ 883 ff. ZPO nach Erlass eines Vollstreckungsverbots unzulässig sein, sogar wenn nach § 885 ZPO die Herausgabe eines Grundstücks verlangt wird. Das Gleiche gilt für die Vollstreckung einer vertretbaren Handlung nach § 887 ZPO. Weiterhin kann das Vollstreckungsverbot grundsätzlich auch die Erzwingung der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO hindern, doch wird hier grundsätzlich die spätere Insolvenzmasse nicht betroffen sein mit der Folge, dass das angeordnete Vollstreckungsverbot nicht entgegensteht. Schließlich wird auch die Vollstreckung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung mit Bezug auf das geschützte Vermögen von dem Verbot erfasst. Ob auch strafprozessuale Vollstreckungsmaßnahmen von dem Vollstreckungsverbot erfasst werden können, ist noch nicht hinreichend geklärt, jedenfalls spricht aber der Sinn und Zweck der Norm dafür.
Rn 61
Auch bei dieser vorläufigen Maßnahme hat das Insolvenzgericht einigen Spielraum. Es kann z.B. allen späteren Insolvenzgläubigern die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners untersagen und laufende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen solcher Gläubiger einstweilen einstellen, wodurch die Wirkung eines umfassenden Vollstreckungsverbots schon vor Eröffnung des Verfahrens herbeigeführt wird. Es kann aber auch auf Veranlassung des vorläufigen Insolvenzverwalters oder des Schuldners einzelnen ab- und aussonderungsberechtigten Gläubigern die Zwangsvollstreckung ganz untersagen oder einzelne Vollstreckungsmaßnahmen einstweilen einstellen, wenn keine Anordnung nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 in Betracht kommt.
Rn 62
Folge der Verhängung eines solchen Vollstreckungshindernisses ist die Vorverlegung der Entstehung des Anspruchs eines absonderungsberechtigten Gläubigers auf Zinszahlung. Hierzu bestimmt § 169 Satz 2, dass bei einer Verhinderung des Gläubigers an der Verwertung schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund einer Anordnung nach § 21 die geschuldeten Zinsen spätestens von dem Zeitpunkt an zu zahlen sind, der drei Monate nach dieser Anordnung der Sicherungsmaßnahme liegt. Dagegen ist im Eröffnungsverfahren die Wertausgleichsregelung in § 172 nicht, auch nicht entsprechend anwendbar, da in § 172 Abs. 1 Satz 1 nur von dem Insolvenzverwalter, nicht aber von dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Rede ist und eine ausdrückliche Regelung wie in § 169 Satz 2 fehlt. Dieser wesentliche Unterschied zur Immobiliarvollstreckung, dort § 30e Abs. 2 ZVG, beruht darauf, dass die entsprechende ZVG-Vorschrift auf alle Fälle einer einstweiligen Einstellung abstellt, § 172 dagegen auf den Insolvenzverwalter. Eine Ausdehnung des Regelungsbereichs im Wege der Analogie muss schon wegen der damit verbundenen erheblichen Belastungen der späteren Insolvenzmasse unterbleiben. Der vorläufige Insolvenzverwalter hat also das Recht, den betreffenden beweglichen Gegenstand zumindest bis zu einer Verfahrenseröffnung zu benutzen, ohne dafür Ausgleich für einen eventuell damit verbundenen Wertverlust laufend aus der Insolvenzmasse leisten zu müssen, soweit keine Anordnung nach Abs. 2 Nr. 5 ergangen ist. Wegen § 169 Satz 2 bedeutet dies für den betroffenen Gläubiger auch keine unzumutbare Einschränkung. Unabhängig davon werden die Notwendigkeit und der Umfang der Sicherungsmaßnahme vom Gericht sorgfältig zu prüfen sein, um in einem späteren eröffneten Insolvenzverfahren und einer dortigen Betriebsfortführung die Insolvenzmasse nicht unnötig mit Entschädigungsansprüchen der Absonderun...