Gesetzestext

 

(1) Die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Rechte und Pflichten der Teilnehmer an einem organisierten Markt nach § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes unterliegen dem Recht des Staates, das für diesen Markt gilt.

(2) Die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf Pensionsgeschäfte im Sinne des § 340b des Handelsgesetzbuchs sowie auf Schuldumwandlungsverträge und Aufrechnungsvereinbarungen unterliegen dem Recht des Staates, das für diese Verträge maßgebend ist.

(3) Für Teilnehmer an einem System im Sinne von § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes gilt entsprechend.

Bisherige gesetzliche Regelungen: Art. 102 EGInsO

1. Allgemeines

 

Rn 1

§ 340 ist mit der Regelung des Art. 9 EuInsVO vergleichbar und normiert Sonderanknüpfungen für bestimmte Geschäfte über Finanzleistungen.

 

Rn 2

Es handelt sich bei § 340 Abs. 1 bis 3 um drei unabhängig voneinander existierende Ausnahmeregelungen von der Anwendung der lex fori concursus im Interesse des Verkehrsschutzes.[1]

[1] HK-Stephan, § 340 Rn. 2; BegrRegE, BT-Drs. 15/16, S. 19.

2. § 340 Abs. 1

 

Rn 3

§ 340 Abs. 1 enthält eine Sonderanknüpfung für organisierte Märkte. Im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der Teilnehmer an einem organisiertem Markt i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG gilt nicht die lex fori concursus, sondern das Insolvenzrecht des Staates, das für diesen Markt maßgebend ist. Grund für die Sonderanknüpfung ist die Erhaltung der Integrität des organisierten Marktes.[2] Es soll sichergestellt werden, dass es durch Insolvenzen nicht zur Anwendung mehrerer Rechtsordnungen auf diesen Märkten kommt. Dies könnte zu einer erheblichen Störung der internationalen Finanzmärkte führen.[3]

 

Rn 4

In Art. 9 EuInsVO sowie in Art. 23 der Richtlinie 2001/17/EG und Art. 27 der Richtlinie 2001/24/EG finden sich entsprechende Regelungen für "geregelte Märkte"[4]. Gemäß Art. 1 Nr. 13 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates v. 10.4.1993 über Wertpapierdienstleistungen ist der "geregelte Markt" ein Markt für Finanzinstrumente, der in einem Verzeichnis, in dem der jeweiligen Mitgliedstaat eingetragen ist, regelmäßig funktioniert und in bestimmtem Umfang reglementiert sein muss.

 

Rn 5

Der deutsche Gesetzgeber hat sich für eine andere Terminologie entschieden und verwendet statt des Begriffs "geregelter Markt" die Formulierung "organisierter Markt".[5] Die Entscheidung gegen die Übernahme des europäischen Begriffs erfolgte, um Verwechslungen mit dem börsenrechtlichen Marktsegment des geregelten Marktes nach §§ 49 ff. BörsenG auszuschließen.[6] Der Begriff des organisierten Marktes ist in § 2 Abs. 5 WpHG legal definiert und inhaltlich mit der Definition in der Richtlinie 93/22/EWG vergleichbar.

 

Rn 6

Ein organisierter Markt ist ein solcher, der

  • von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird,
  • regelmäßig stattfindet[7] und
  • für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist.
 

Rn 7

Diese Merkmale erfüllen/erfüllten die Marktsegmente des amtlichen und geregelten Marktes an den deutschen Wertpapierbörsen, der Neue Markt[8] sowie die Terminbörse Eurex.[9] Hingegen ist der Freiverkehr kein organisierter Markt i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG, weil er ausschließlich privatrechtlich normiert ist.[10]

[2] BegrRegE, BT-Drs. 15/16, S. 19; vgl. auch Erwägungsgrund 24 der Richtlinie 2001/17/EG sowie Erwägungsgrund 24 der Richtlinie 2001/24/EG.
[3] MünchKomm-Reinhart, Art. 9 EuInsVO Rn. 1.
[4] Art. 2 der Richtlinie 2001/24/EG verweist auf die Definition in der Richtlinie 93/22/EWG des Rates v. 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen (AblEG L 141, S. 27).
[5] Vgl. dazu auch BegrRegE, BT-Drs. 15/16, S. 19.
[6] Schwark-Beck, § 2 WpHG Rn. 45.
[7] Dieses Kriterium dient der Abgrenzung von nur gelegentlich stattfindenden Veranstaltungen wie beispielsweise Messen.
[8] Bis zu seiner Aufhebung.
[9] Assmann/Schneider-Assmann, § 2 Rn. 96; Schwark-Beck, § 2 WpHG Rn. 46.
[10] Schwark-Beck, § 2 WpHG Rn. 46.

3. § 340 Abs. 2

 

Rn 8

§ 340 Abs. 2 setzt teilweise die Richtlinie 2001/24/EG um.[11] Gemäß § 340 Abs. 2 unterliegen die Wirkungen des Insolvenzverfahrens

  • auf Pensionsgeschäfte i.S.d. § 340b HGB sowie auf
  • Schuldumwandlungsverträge und
  • Aufrechnungsvereinbarungen

dem Recht des Staates, das für diese Verträge maßgebend ist. Es kommt die lex causae zur Anwendung.[12]

 

Rn 9

Pensionsgeschäfte sind "Verträge, durch die ein Kreditinstitut oder der Kunde eines Kreditinstituts (Pensionsgeber) ihm gehörende Vermögensgegenstände einem anderen Kreditinstitut oder einem seiner Kunden (Pensionsnehmer) gegen Zahlung eines Betrages überträgt und in dem gleichzeitig vereinbart wird, dass die Vermögensgegenstände später gegen Entrichtung des empfangenen oder eines im Voraus vereinbarten anderen Betrags an den Pensionsgeber zurückübertragen werden müssen oder können" (§ 340b HGB).

 

Rn 10

Von der Grundstruktur her handelt es sich um Verkäufe mit gleichzeitiger Rückkaufvereinbarung.[13]

 

Rn 11

Welches materielle Recht für die Pensionsvereinbarung maßgebend ist, unterliegt der freien Rechtswahl.[14]

 

Rn 12

§ 340 Abs. 2 enthält auch eine Sonderanknüpfung für Netting-Vereinbarungen. Etwaige Aufrechnungsvereinbarunge...

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