Rn 136
Ein Insolvenzverfahren kann unter verschiedensten Aspekten internationale Bezüge aufweisen. Von grenzüberschreitenden Insolvenzen wird gesprochen, wenn der Insolvenzschuldner Vermögen oder Gläubiger in mehreren Staaten hat.
7.1 Auslandswirkungen eines inländischen Verfahrens
Rn 137
Eine Beschränkung auf den räumlichen Geltungsbereich der InsO findet nicht statt. Auch im Ausland befindliches Vermögen des Insolvenzschuldners ist gemäß dem Universalitätsprinzip Teil der Insolvenzmasse. Allerdings richtet sich die Massezugehörigkeit (wie z. B. Pfändungsfreiheit) nach der Rechtsordnung der belegenen Sache. Zur Möglichkeit der Insolvenzanfechtung siehe § 129 Rn. 14.
Rn 138
Die von deutschen Gerichten angeordnete Beschlagnahme bedarf zu ihrer Wirksamkeit im Ausland der Anerkennung. Das Internationale Insolvenzrecht des jeweiligen Staates bestimmt Bestand und Umfang einer solchen Anerkennung. Die Eröffnung eines deutschen Insolvenzverfahrens wird neuerdings in der Schweiz anerkannt.
Rn 139
Schwierigkeiten bei der einzelfallorientierten Anerkennung können durch zwei- bzw. mehrseitige Staatsverträge vermieden werden. Bilaterale Verträge bestehen zurzeit nur mit Österreich, den Niederlanden und der Schweiz, so dass ihre Bedeutung gering ist.
Rn 140
Die multilateralen Vorschriften des EuGVÜ und des Lugano-Abkommens gelten für Insolvenzsachen gerade nicht (Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVÜ). Nachdem das Europäische Insolvenzabkommen nicht ratifiziert wurde, ist die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO) verabschiedet worden, die inhaltlich in weiten Teilen dem gescheiterten Übereinkommen entspricht. Nach Art. 47 EuInsVO trat diese Verordnung am 31.05.2002 in Kraft und ersetzt die Staatsverträge mit Österreich und den Niederlanden (Art. 44 Abs. 1 Buchst. d) und h) EuInsVO). Eine Modifizierung erhielt die EuInsVO mit Wirkung zum 26.06.2017. Ziel dieser Verordnung ist die Durchsetzung des gemeinschaftsweiten Universalitätsprinzips. So werden sich viele Fragen (wie z. B. der Umfang der Insolvenzmasse) gem. Art. 7 Abs. 2 EuInsVO n. F. zwischen den Staaten der europäischen Gemeinschaft künftig nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung bestimmen (sog. lex fori concursus). Art. 19 EuInsVO n. F. sichert die EU-weite Anerkennung eines Verfahrens. Die Vorschriften der EuInsVO sind für alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark verbindlich.
Rn 141
Im Bereich der EU unterbricht die Eröffnung eines deutschen Insolvenzverfahrens entsprechend Art. 37 Abs. 1 EuGVÜ i. V. m. § 240 ZPO das für einen ausländischen Titel laufende inländische Vollstreckbarkeitsverfahren.
Rn 142
Für Nicht-EU-Länder bleibt es bei der Fortgeltung der bestehenden Praxis bezüglich der Anerkennung des Insolvenzverfahrens und seiner Prozesshandlungen.
Rn 143
Der Insolvenzschuldner ist im Übrigen unabhängig von dem Bestehen zwischenstaatlicher Regelungen nach §§ 97, 98 verpflichtet, dem Insolvenzverwalter – in der nach dem jeweiligen ausländischen Recht notwendigen Form – eine Vollmacht zur Verwertung des Auslandsvermögens zu erteilen.
Rn 144
In jedem Fall sind unabhängig von einer gegenseitigen Anerkennung der Vollstreckungswirkung solche Vermögenspositionen, die im Ausland durch dort zulässige Zwangsvollstreckungen in die im Ausland belegene, aber aufgrund des Universalitätsprinzips zur Insolvenzmasse gehörige Vermögensmasse erlangt wurden, an den Insolvenzverwalter nach §§ 812 ff. BGB herauszugeben, wenn im Inland das Verfahren eröffnet war.
7.2 Inlandswirkungen eines ausländischen Verfahrens
Rn 145
Für ausländische Insolvenzverfahren ordnet Art. 102 § 3 Abs. 1 EGInsO grundsätzlich die Anerkennung durch das deutsche Recht an. Etwas anderes gilt nur bei Verstoß gegen die internationale Zuständigkeit, ...