Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 19
Die in §§ 783 ff. BGB geregelte, durch Aushändigung einer Urkunde an den Anweisungsbegünstigten erteilte Anweisung an den Angewiesenen, Geld, Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen an den Anweisungsbegünstigten zu leisten, hat keine große praktische Bedeutung. Sie soll hier trotzdem behandelt werden, weil sie das Grundmuster für andere, spezialgesetzlich geregelte Anweisungsformen, insbesondere für den Wechsel und den Scheck, darstellt.
Im Zusammenhang mit § 82 interessiert vor allem wiederum die Frage, wie sich eine Zahlung oder sonstige Zuwendung, die der Angewiesene nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Anweisenden an den Anweisungsbegünstigten erbringt, auf das Deckungsverhältnis zwischen dem Anweisenden (= der "Masse") und dem Angewiesenen auswirkt. § 116 Satz 3 ist auf die Anweisung nach §§ 783 ff. BGB – anders als auf einen Banküberweisungsauftrag – nicht anwendbar. Der Angewiesene, der auf eine vor Verfahrenseröffnung erteilte (und noch nicht angenommene) BGB-Anweisung an den Anweisungsbegünstigten zahlt, wird also gegenüber der Masse nicht ohne Rücksicht auf seine Gutgläubigkeit geschützt. Vielmehr wird er bei einer "Anweisung auf Schuld" (§ 787 BGB) von seiner gegenüber dem Anweisenden bestehenden Verbindlichkeit nur unter den Voraussetzungen des § 82, also bei Unkenntnis von der Verfahrenseröffnung, befreit. Wegen gleicher Schutzbedürftigkeit sollte der Angewiesene von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Anweisenden auch dann nach § 82 befreit werden, wenn er auf eine erst nach Verfahrenseröffnung erteilte (und daher nach §§ 80, 81 unwirksame) Anweisung in Unkenntnis von der Verfahrenseröffnung an den Anweisungsbegünstigten zahlt. Hat der Angewiesene die Anweisung schon vor der Verfahrenseröffnung i.S. des § 784 BGB angenommen, so wird er durch eine spätere Zahlung an den Anweisungsbegünstigten auch dann befreit, wenn er bei der Zahlung die inzwischen erfolgte Verfahrenseröffnung kannte. Der Grund für diese Befreiung liegt darin, dass der Angewiesene mit der Annahme der Anweisung eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Anweisungsempfänger begründet hat (§ 790 Abs. 1 BGB), der er sich nicht mehr entziehen kann. Wirtschaftlich steht er also nicht anders da, als habe er bereits an den Anweisungsbegünstigten geleistet. Zugleich ist mit der Annahme der Anweisung die Forderung des Anweisenden gegen den Angewiesenen aus dem Kausalverhältnis praktisch bereits aus dem Vermögen des Anweisenden ausgeschieden, weil ihrer Geltendmachung § 242 BGB oder der Gedanke des § 790 Satz 1 BGB entgegenstünde.
Nimmt der Angewiesene die Anweisung nach Verfahrenseröffnung ohne Kenntnis hiervon an, so wird er von der Verbindlichkeit gegenüber dem Anweisenden nach oder analog § 82 selbst dann befreit, wenn er im Zeitpunkt der Zahlung die Verfahrenseröffnung kannte. Dem widerspricht Windel mit der Begründung, bei der Annahme einer Anweisung agiere der Angewiesene nicht als schlichter (?) Drittschuldner, sondern ähnlich wie ein Sicherungsgeber, da der Anweisungsempfänger die Rechtsposition aus der angenommenen Anweisung schuldbestärkend neben seiner fortbestehenden Insolvenzforderung gegen den Anweisenden (§ 788 BGB) erwerbe. Das überzeugt nicht. Für die Anwendung des § 82 kommt es nicht darauf an, welchen Effekt die Annahme für den Anweisungsbegünstigten hat (dessen Rechtsverhältnis zum Anweisenden den Angewiesenen nicht zu interessieren braucht), sondern darauf, ob der Angewiesene dem Anweisenden etwas schuldet und mit seiner Zuwendung an den Anweisungsbegünstigten – sei es Zahlung an diesen, sei es Annahme der Anweisung als Vorstufe der Zahlung – im Rahmen der erteilten Anweisung bleibt.
Rn 20
Bei einer Anweisung auf Kredit, d.h. in dem Fall, dass den Angewiesenen keine Verbindlichkeit gegenüber dem Anweisenden trifft, sondern er mit der Ausführung der Anweisung dem Anweisenden Kredit gewährt, erlangt er bei unverschuldeter Unkenntnis von der Verfahrenseröffnung nach § 116 Satz 1 i.V.m. § 115 Abs. 3 einen Aufwendungsersatzanspruch (und ggf. einen Vergütungsanspruch, vgl. § 116 Satz 2) als Insolvenzforderung, wenn der Anweisung ein Auftrag oder ein Geschäftsbesorgungsvertrag zugrunde liegt. Bei einer bereits vor der Verfahrenseröffnung angenommenen Anweisung (§ 784 BGB) sollte der auf Kredit Angewiesene auch dann nach § 116 Satz 1 i.V.m. § 115 Abs. 3 geschützt werden, also eine Insolvenzforderung für seine Aufwendungen und seinen Vergütungsanspruch erlangen, wenn er bei der Zahlung an den Anweisungsbegünstigten die inzwischen erfolgte Verfahrenseröffnung kannte oder schuldhaft nicht kannte. Entscheidend hierfür ist, dass der Angewiesene schon mit der Annahme eine Bindung gegenüber dem Anweisungsempfänger eingegangen ist, die von dem weiteren Schicksal der Anweisung unabhängig ist (vgl. § 784 Abs. 1 BGB), also den Angewiesenen auch dann zur Zahlung an den Anweisungsbegünstigten zwingt, wenn er inzwischen von der Insolvenz des Anweisenden Kenntnis erla...