Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 6
Hat der Schuldner die Erbschaft oder das Vermächtnis angenommen oder ist bei der Erbschaft die Ausschlagungsfrist verstrichen (vgl. § 1943 BGB), so fällt die mit dem Nachlass bzw. dem Erbteil verbundene Vermögensgesamtheit gemäß § 35 endgültig in die Insolvenzmasse. Auch ein der Testamentsvollstreckung unterliegender Nachlass fällt in die Insolvenzmasse des über das Gesamtvermögen des Erben eröffneten Insolvenzverfahrens. Er bildet innerhalb dieser Insolvenzmasse bis zur Beendigung der Testamentsvollstreckung aber eine Sondermasse, auf die nur die Nachlassgläubiger, nicht aber die Eigengläubiger des Erben Zugriff nehmen können (§ 2214 BGB). Über die Gegenstände dieses Sondervermögens kann während des Bestehens der Testamentsvollstreckung nur der Testamentsvollstrecker, nicht der Insolvenzverwalter verfügen, da die (absolute) Verfügungsbeschränkung des § 2211 Abs. 1 BGB auch gegen den Insolvenzverwalter wirkt. Der Verwalter im Erbeninsolvenzverfahren kann mithin Gegenstände, die der Testamentsvollstreckung unterliegen, erst nach Beendigung der Testamentsvollstreckung verwerten.
Mit dem Nachlass gehen auch die Nachlassverbindlichkeiten, für die der Insolvenzschuldner als Erbe gemäß § 1967 BGB haftet, auf die Insolvenzmasse des Erbeninsolvenzverfahrens über. Ist der Erbfall vor Verfahrenseröffnung eingetreten, so sind die Nachlassgläubiger Insolvenzgläubiger nach § 38, und zwar auch dann, wenn der Schuldner die Erbschaft erst nach der Verfahrenseröffnung angenommen hat.
Rn 7
Unklar ist dagegen die Einordnung der Nachlassverbindlichkeiten bei einem Anfall der Erbschaft beim Schuldner nach Verfahrenseröffnung während der Dauer des Insolvenzverfahrens. Nimmt der Schuldner diese nach Verfahrenseröffnung angefallene Erbschaft an, so ist jedenfalls die in sonstigen Fällen eines mit Verbindlichkeiten verbundenen Neuerwerbs (z.B. aus einem vom Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung geschlossenen gegenseitigen Vertrag) hingenommene Lösung unakzeptabel, dass die vom Schuldner erworbenen Rechte in die Insolvenzmasse fallen, die aus demselben Vorgang resultierenden Verpflichtungen sich aber nur gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners richten (vgl. § 80 Rn. 9). Denn damit würde den Nachlassgläubigern nachträglich eine Haftungsmasse entzogen, die ihrem Zugriff schon zu Lebzeiten des Erblassers unterworfen war. Ob Marotzke, der bei einer während des Insolvenzverfahrens angefallenen und angenommenen Erbschaft die Nachlassgläubiger im Erbeninsolvenzverfahren "weder als Insolvenzgläubiger noch als Massegläubiger" qualifiziert, sondern als "nicht teilnahmeberechtigt" ansieht, eine solche Konsequenz, also das nachträgliche Abhandenkommen einer ihnen bereits haftenden Masse, befürworten will, wird nicht ganz deutlich. Es ist aber nicht ersichtlich, wie verfahrenstechnisch die Teilhabe der Nachlassgläubiger an einem Nachlass bewerkstelligt werden soll, der nun einmal – vor Eröffnung eines Nachlassverwaltungs- oder Nachlassinsolvenzverfahrens – Bestandteil der Insolvenzmasse eines Verfahrens ist, in dem die Nachlassgläubiger "nicht teilnahmeberechtigt" sein sollen. Gegen die Einstufung solcher Nachlassverbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 (so hier die Erstauflage) spricht, dass es damit systemwidrig in die Hand des Insolvenzschuldners gelegt wäre, durch Annahme einer nach Verfahrenseröffnung angefallenen Erbschaft oder Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist Masseverbindlichkeiten zu Lasten seines Eigenvermögens und seiner Insolvenzgläubiger zu begründen. Gegen eine Qualifizierung solcher Nachlassgläubiger als Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO schließlich erhebt sich das Bedenken, dass ihr Vermögensanspruch zur Zeit der Verfahrenseröffnung noch nicht gegen den Schuldner als Erben begründet war, sondern erst mit dem Anfall der Erbschaft (§ 1942 Abs. 1 BGB) gegen ihn begründet wurde. Windel versucht, dieses Dilemma folgendermaßen zu lösen: Er stuft die Nachlassgläubiger bei einem Erbschaftsanfall während des Insolvenzverfahrens "formal als Massegläubiger" ein, denen die Masse "nach Maßgabe der §§ 1990 ff. BGB" auch ohne Anordnung der Nachlassverwaltung und ohne Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nur "gegenständlich beschränkt mit dem erworbenen Nachlass haftet". Hiergegen spricht einiges: Erstens lässt § 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Haftungsbeschränkung ohne ein gesondertes Abwicklungsverfahren (Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenzverfahren) nur unter der strengen Voraussetzung zu, dass ein solches Verfahren wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse praktisch undurchführbar ist. Zweitens trifft auf den vorliegenden Fall keiner der Sachgründe zu, die nach §§ 54, 55 die Qualifizierung eines Gläubigers als Massegläubiger rechtfertigen, sondern allein der zeitliche Aspekt, dass die InsO zwar nach Verfahrenseröffnung entstandene Masseverbindlichkeiten, nicht aber nach diesem Zeitpunkt begründete Insolvenzforderungen kennt und nennt. Drittens würd...