Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 7
Nachdem im bisher geltenden Konkursrecht eine Mitwirkungspflicht des Gemeinschuldners über die allgemeine Auskunftspflicht nach § 100 KO hinaus nicht gegeben war, regelt nunmehr § 97 Abs. 2 mit einer sehr weiten Formulierung, dass der Schuldner den Verwalter bei der Aufgabenerfüllung zu unterstützen hat. Diese Fortentwicklung des Rechts wird mit der vorrangigen Ausrichtung der neuen Insolvenzordnung auf eine Unternehmenssanierung begründet. Dadurch soll eine Fortführung des schuldnerischen Unternehmens im Insolvenzverfahren ebenso erleichtert werden wie eine spätere Rückübertragung der unternehmerischen Verantwortung auf den Schuldner nach Beendigung des Insolvenzverfahrens. Diese nach dem Gesetzeswortlaut begründete Unterstützungspflicht wird als durchsetzbarer Anspruch gegen den Schuldner auf Mitarbeit im Insolvenzverfahren angesehen. Damit wird es beispielsweise möglich, dass auch eine Freiberuflerpraxis im Insolvenzverfahren anders als nach bisher geltendem Recht fortgeführt werden kann.
Rn 8
Freilich stellt sich hier unter verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten die Frage nach den Grenzen einer solchen umfassenden Arbeitsverpflichtung des Schuldners, die nach § 98 Abs. 2 Nr. 1 auch zwangsweise im Wege der Vorführung und Haftanordnung durchgesetzt werden kann. Über die jetzige Regelung hinaus war im ursprünglichen Regierungsentwurf auch noch der Erlass eines vollstreckbaren Beschlusses vorgesehen, mit dem dem Schuldner eine entsprechende Mitwirkung gerichtlich aufgegeben werden konnte. Diese Regelung ist dann aber lediglich zur Vermeidung einer zusätzlichen Belastung der Insolvenzgerichte auf Vorschlag des Rechtsausschusses gestrichen worden. Zwar wird man aus Gläubigersicht die damit verbundene Stärkung der Gläubigerrechte begrüßen müssen, jedoch dürfte eine solche zeitlich oft unabsehbare Zwangsarbeit ohne jegliche Vergütung einer verfassungsrechtlichen Überprüfung kaum standhalten. Noch in den ursprünglichen Entwürfen einer neuen Insolvenzordnung war eine Vergütung des Schuldners aus der Masse für seine Mitarbeit vorgesehen, wenn dies nach Art, Dauer und Umfang seiner Tätigkeit angemessen erscheint. Zwar sind diese Erwägungen nicht Gesetz geworden, sie sollten aber auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung gelten, um eine sinnvolle Verfahrensabwicklung zu ermöglichen. Ein wirtschaftlich sinnvolles und vernünftiges Zusammenwirken zwischen Schuldner und Insolvenzverwalter insbesondere zur Sanierung eines Schuldnerunternehmens wird nur stattfinden, wenn dem Schuldner dafür eine Mindestvergütung gewährt wird.
Rn 9
Hierbei ist aber zu beachten, dass auch dieser sog. Neuerwerb des Schuldners während des Verfahrens nach § 35 in die Insolvenzmasse fällt, so dass sich eine entsprechende Vergütung nur an den jeweiligen Pfändungsfreibeträgen orientieren kann. Damit wird aber zumindest vermieden, dass der Schuldner ohne jegliche Vergütung auf unabsehbare Zeit vorwiegend im Drittinteresse tätig wird. Bis zur endgültigen Klärung dieses Problems dürfte es sich aber für den Verwalter zur Vermeidung seiner persönlichen Haftung nach § 60 empfehlen, für eine solche Vergütung des Schuldners zuvor die Zustimmung des Insolvenzgerichts bzw. des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung einzuholen.
Rn 10
Daneben ergeben sich aber aus der jetzt verfügbaren ausdrücklichen Regelung auch die bisher schon für das Konkursverfahren anerkannten Mitwirkungspflichten des Schuldners insbesondere im Zusammenhang mit der Verwertung von Auslandsvermögen. So ist der Schuldner nach § 97 Abs. 2 verpflichtet, aktiv zur Herausgabe und Inbesitznahme von ausländischen Vermögensgegenständen zugunsten der Insolvenzmasse beizutragen. Dies kann im Einzelfall die erzwingbare Verpflichtung des Schuldners bedeuten, den Insolvenzverwalter mit entsprechenden Vollmachten auszustatten, um eine Verwertung dieses Auslandsvermögens zugunsten der inländischen Insolvenzmasse zu ermöglichen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Verwalter im Einzelfall seine Rechte wegen ausländischer Anerkennung des inländisch verfügten Insolvenzbeschlags auch ohne Mitwirkung des Schuldners durchsetzen kann, da entsprechende Ermächtigungen durch den Schuldner dem Insolvenzverwalter jedenfalls das häufig langwierige und komplizierte Anerkennungsverfahren ersparen und dadurch die Verwertung des Vermögensgegenstands wesentlich erleichtern. Ein solcher Zwang war schon bei der ursprünglich eingeschränkten konkursrechtlichen Mitwirkungspflicht des Schuldners verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, so dass die nunmehr verfügbare ausdrückliche gesetzliche Regelung ebenfalls zumindest insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt.