Gesetzestext

 

(1) Die Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 entfaltet in jedem anderen Mitgliedstaat, ohne daß es hierfür irgendwelcher Förmlichkeiten bedürfte, die Wirkungen, die das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung dem Verfahren beilegt, sofern diese Verordnung nichts anderes bestimmt und solange in diesem anderen Mitgliedstaat kein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 2 eröffnet ist.

(2) 1DieWirkungen eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 2 dürfen in den anderen Mitgliedstaaten nicht in Frage gestellt werden. 2Jegliche Beschränkung der Rechte der Gläubiger, insbesondere eine Stundung oder eine Schuldbefreiung infolge des Verfahrens wirkt hinsichtlich des im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats belegenen Vermögens nur gegenüber den Gläubigern, die ihre Zustimmung hierzu erteilt haben.

1. Wirkungserstreckung

 

Rn 1

Die automatische Anerkennung des ausländischen Verfahrens nach Art. 16 führt zu einer Wirkungserstreckung des ausländischen Verfahrens, Art. 17.

 

Rn 2

In Art. 17 wird zwischen der Wirkungserstreckung eines Hauptinsolvenzverfahrens und der eines Territorialinsolvenzverfahrens unterschieden.

2. Hauptinsolvenzverfahren

 

Rn 3

Grundsätzlich entfaltet die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens in jedem Mitgliedstaat die Wirkungen, die ihm die lex fori concursus beilegt (Grundsatz der Wirkungserstreckung).

 

Rn 4

Art. 17 Abs. 1 setzt dem Grundsatz der Wirkungserstreckung zwei Schranken:

  • Zum einen gilt der Grundsatz nur so lange, wie kein Territorialverfahren gemäß Art. 3 Abs. 2 eröffnet worden ist.
  • Zum anderen heißt es in Art. 17 Abs. 1: "sofern diese Verordnung nichts anderes bestimmt". Einschränkungen der Wirkungserstreckung finden sich in den Art. 5–15.
 

Rn 5

Wird ein ausländisches Hauptinsolvenzverfahren im Inland anerkannt, so entfaltet dies beispielsweise folgende Wirkungen:

  • Ein ausländischer Verwalter eines durch ein ausländisches Gericht eröffneten Insolvenzverfahrens ist berechtigt, die Verwertung eines in Deutschland belegenen Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung gemäß § 172 ZVG zu betreiben.[1]
  • Der ausländische Insolvenzverwalter ist befugt, die Eintragung eines Insolvenzvermerks im deutschen Grundbuch zu beantragen.[2]
  • Der inländische Gläubiger muss sich grundsätzlich die anspruchsbegrenzende Wirkung eines in einem ausländischen Verfahren abgeschlossenen Vergleichs zurechnen lassen.[3]
[2] OLG Zweibrücken, NJW 1990, 648; Weinbörner, Rechtspfleger 1996, 494 (495).
[3] Weinbörner, a.a.O.

3. Territorialinsolvenzverfahren

 

Rn 6

Die Eröffnung eines Territorialinsolvenzverfahrens beschränkt die Wirkungen des Hauptinsolvenzverfahrens. Das Hauptinsolvenzverfahren kann die in dem Staat der Eröffnung des Territorialinsolvenzverfahrens belegenen Gegenstände grundsätzlich nicht mehr einbeziehen.[4]

 

Rn 7

Territorialinsolvenzverfahren erfassen lediglich die in jedem Mitgliedstaat belegenen Vermögensgüter des Schuldners. Art. 17 Abs. 2 legt fest, dass die Wirkungen eines Territorialinsolvenzverfahrens in den anderen Mitgliedstaaten nicht in Frage gestellt werden dürfen. Ein Vergleich oder Insolvenzplan kann hingegen nur die Rechte der Gläubiger hinsichtlich des inländischen Vermögens betreffen. Etwas anderes gilt nur gegenüber den Gläubigern, die ihre Zustimmung erteilen, so dass auch ihnen gegenüber eine Wirkungserstreckung erfolgt.[5]

 

Rn 8

Zum Verhältnis zu Art. 34, vgl. Art. 34 Rn. 7/8.

[4] Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, 32 (87).
[5] Die Zustimmung muss einzeln erteilt werden, eine Mehrheitsentscheidung ist nicht ausreichend. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (149).

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