Rn 9
Die erzwingbare Verpflichtung, einen Sozialplan aufzustellen, wird durch § 112a BetrVG eingeschränkt. Die Einschränkung betrifft zwei Fälle, den reinen Personalabbau und die Entlastung neu gegründeter Unternehmen. Nicht eingeschränkt werden jedoch die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach § 111 BetrVG und die Pflicht des Unternehmers, einen Interessenausgleich bis zur Einschaltung der Einigungsstelle zu versuchen.
3.1 Sozialplan bei reinem Personalabbau
Rn 10
Nach § 112a Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist die Anwendbarkeit des § 112 Abs. 4 und 5 BetrVG eingeschränkt, wenn die geplante Betriebsänderung allein in der betriebsbedingten Entlassung von Arbeitnehmern besteht.
Rn 11
Besteht die Betriebsänderung nicht nur aus einem bloßen Personalabbau, sondern sind sogleich weitere in § 111 Satz 2 BetrVG aufgeführten Tatbestände einer Betriebsänderung erfüllt, greift der Ausnahmetatbestand des § 112a Abs. 1 BetrVG nicht ein. Sie gilt ausnahmslos nicht für eine Betriebsstilllegung, selbst wenn wegen der Versetzung in andere Betriebe die Schwellenwerte des § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–4 BetrVG nicht erreicht werden. Wird nämlich ein Betrieb stillgelegt, so wird die organisatorische Einheit, die den Betrieb bildet, aufgelöst. Die Stilllegung des ganzen Betriebs ist daher stets eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung.
Rn 12
Innerhalb des Anwendungsbereichs des § 112a Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist ein Sozialplan nur erzwingbar, wenn die in Nr. 1 bis Nr. 4 genannten Schwellenwerte erreicht werden, also in Betrieben mit in der Regel (vgl. hierzu vor 121, 122 Rn. 6 f.)
21- 59 Arbeitnehmern |
20 % der Belegschaft, mindestens 6 Arbeitnehmer |
60-240 Arbeitnehmern |
20 % der Belegschaft, mindestens 37 Arbeitnehmer |
250-499 Arbeitnehmern |
15 % der Belegschaft, mindestens 60 Arbeitnehmer |
ab 500 Arbeitnehmern |
10 % der Belegschaft, mindestens 60 Arbeitnehmer. |
Rn 13
Nach § 112a Abs. 1 Satz 2 BetrVG gilt als Entlassung auch das von dem Arbeitgeber aus Gründen der Betriebsänderung veranlasste Ausscheiden von Arbeitnehmern aufgrund von Aufhebungsverträgen. Entsprechendes gilt für den Fall, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in Zusammenhang mit der geplanten Betriebsänderung veranlasst, sein Arbeitsverhältnis selbst zu kündigen.
3.2 Neu gegründete Unternehmen
Rn 14
§ 112a Abs. 2 BetrVG stellt neu gegründete Unternehmen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung von der Verpflichtung zum Abschluss von Sozialplänen frei, um ihnen die schwierige Anfangsphase des Aufbaus zu erleichtern.
Rn 15
Maßgeblich ist ausschließlich das Alter des Unternehmens, nicht das des Betriebes. Das Sozialplanprivileg gilt daher nicht für Unternehmen, die seit dem Zeitpunkt ihrer Gründung (§ 112a Abs. 2 Satz 3 BetrVG, § 138 AO) länger als vier Jahre bestehen, wenn sie einen neuen Betrieb gründen. Umgekehrt entfällt die Sozialplanpflicht, wenn das neu gegründete Unternehmen einen Betrieb übernimmt, der selbst länger als vier Jahre besteht und in dem eine beteiligungspflichtige Betriebsänderung erfolgt.
Rn 16
Die Befreiung von der Sozialplanpflicht gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen (§ 112a Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Hierunter fallen etwa die Verschmelzung von Unternehmen auf ein neu gegründetes Unternehmen, Umwandlung auf ein neu gegründetes Unternehmen, die Auflösung eines Unternehmens und Übertragung seines Vermögens auf ein neu gegründetes Unternehmen, die Aufspaltung eines Unternehmens auf mehrere neu gegründete Unternehmen oder die Abspaltung von Unternehmensteilen auf neu gegründete Tochtergesellschaften. Entsprechend dem Gesetzeszweck besteht eine Sozialplanpflicht etwa, wenn zwei Unternehmen einzelne Betriebe einem neu gegründeten Unternehmen übertragen, das diese Betriebe mit einer auf dem Zusammenschluss beruhenden unternehmerischen Zielsetzung fortführen soll, oder wenn der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG eine neue GmbH gründet und diese von der KG einen Betrieb übernimmt.