7.2.1 Potenziale im Bereich der Verrechnungspreise/Intercompany Agreements
Eine Einsatzmöglichkeit der Blockchain-Technologie in der direkten Besteuerung liegt im Bereich der datenverarbeitungsintensiven Verrechnungspreise bei Konzernen. Der Einsatz der Blockchain-Technologie bei Verrechnungspreisen muss jedoch im großen Zusammenhang der Automatisierung von Steuerfunktionen gesehen werden, in der moderne Technologien (wie z. B. Künstliche Intelligenz) der gestiegenen Transaktionsanzahl, Dokumentationsanforderungen sowie Komplexität begegnen sollen. Neben einer vereinfachten sowie sicheren Berechnung, Verwaltung sowie Dokumentation von allen verrechnungspreisrelevanten konzerninternen Schritten, steht auch der Wunsch einer stärkeren Sicherheit bei der Kalkulation von Verrechnungspreise durch Finanzverwaltungen.
Sog. Intragroup Transactions, also Transaktionen zwischen unterschiedlichen Konzerntöchtern sind notwendiger Bestandteil einer globalisierten Wirtschaft. Gleichzeit besteht die Gefahr einer ungerechtfertigten Gewinnverlagerung, indem aus Hochsteuerländern Gewinne in Niedrigsteuerländer durch Intragroup Transactions abgesogen und damit einer geringeren Körperschaftsbesteuerung unterworfen werden. Parallel zu diesen grenzüberschreitenden steuerplanerischen Erwägungen, die von mindestens zwei Finanzverwaltung einer kritischen Betrachtung unterworfen werden, existieren jedoch auch auf der Seite des Steuerpflichtigen Bedürfnisse nach Rechtssicherheit und unmittelbaren Anerkennung der Verrechnungspreise. Die ermittelten Verrechnungspreise werden ansonsten im Nachgang von Finanzverwaltungen korrigiert, wodurch Zinsansprüche sowie divergierende Bewertungen der jeweiligen involvierten unterschiedlichen Finanzverwaltungen bei Intragroup Transaction entstehen. Dies resultiert im Wesentlichen aus dem unterschiedlichen Interesse der involvierten Finanzverwaltungen: Hochsteuerländer möchten ein möglichst hohes Steuersubstrat behalten bzw. der Besteuerung unterwerfen, wohingegen Niedrigsteuerländer das entgegengesetzte Ziel verfolgen. Die dadurch notwendige Berechnung von Verrechnungspreisen ist häufig komplex, gerade bei neuen Technologien und Anwendungen, für die keine bzw. kaum Vergleichsdaten existieren.
Wesentliches Prinzip bei der Bestimmung von Verrechnungspreisen in grenzüberschreitenden Transaktionen ist der sog. Fremdvergleichsgrundsatz bzw. "Arm´s length principle". Der Fremdvergleichsgrundsatz soll sicherstellen, dass die Transaktion wie zwischen Dritten nicht verbundenen Parteien abgewickelt und damit einer fairen Besteuerung unterworfen werden. Zur Etablierung einer Basis für die Berechnung von Verrechnungspreisen existieren von der OECD entwickelte international anerkannte Verrechnungspreismethoden sowie Verrechnungspreisgrundsätze. Dadurch wird für Steuerpflichtige und Finanzverwaltungen eine einheitliche Diskussionsebene etabliert. Die Ermittlung des Verrechnungspreises ist jedoch auf zahlreiche Daten angewiesen. Dabei ist die korrekte Dokumentation von Verrechnungspreisen sowie Sicherung der Compliance eine Herausforderung im internationalen Geschäftsverkehr.
Für eine bessere Systematisierung können im Verrechnungspreiszyklus folgende Verrechnungspreisfunktionen identifiziert werden:
- Verrechnungspreis Kalkulation,
- Operative Verrechnungspreisbestimmung,
- Strategische Verrechnungspreisplanung,
- Verrechnungspreis-Reporting,
- Verrechnungspreis Compliance/Dokumentation,
- weitere Verrechnungspreisthemen.
In der Konzeptionierung von Blockchain Use-Cases bei Verrechnungspreisen sollen Finanzverwaltungen einen leichteren Zugriff zur Kalkulation und Dokumentation durch die fälschungssichere Blockchain-Technologie erhalten. Das Verrechnungspreis-Reporting wird wesentlich durch das Country-by-Country-Reporting (CbCR) bestimmt. Die Datenbasis für das Verrechnungspreis-Reporting wird in einen Master File und Local File unterteilt.
Die Blockchain-Technologie soll auf Konzernseite dazu führen, dass die Kalkulation, Dokumentation und Compliance bei Verrechnungspreisen effizienter und systemübergreifend besser erfolgt. Die unveränderlichen Informationen können anschließend den beteiligten Finanzverwaltungen zur Verfügung gestellt werden. Diese hätten einen akkuraten sowie tatsächlichen Informationsstand. Im Ergebnis könnten damit die Prüfaktivitäten auf "kritischere" Punkte, wie z. B. die Auswahl der Vergleichsdaten bei der Verrechnungspreisbestimmung konzentriert werden. Diese Überlegungen einer verschränkten Betriebsprüfung bzw. der stärkeren Prüfung auf "Augenhöhe" zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung kann man als sog. "Horizontal Monitoring" bezeichnen. Steuerpflichtige sowie Finanzverwaltungen haben zeitnah Rechtssicherheit und interagieren bei Zweifelsfragen eng miteinander. Ebenfalls verfügen die involvierten Parteien (relevante Finanzverwaltungen, Steuerpflichtige, Berater, etc.) über einen einheitlichen Datenbestand. Die Blockchain-Technologie kann als ein technischer Baustein für ein solches Prüfungsverhalten betrachtet werden.
Hinsichtlich der technischen Infra...