Die automatisierte Erhebung der Mehrwertsteuer bzw. die vollständige Substitution der Mehrwertsteuer mittels Token, sind die ältesten Blockchain-Konzepte im Bereich des Steuerrechts. Kerngedanke ist zunächst die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerhinterziehung durch die Digitalisierung von Rechnungsinformationen aus dem Jahr 2016. Neben der bloßen Verwendung der Blockchain-Technologie zur Übermittlung von Informationen, ging das Konzept VATCoin noch einen Schritt weiter und substituierte die Mehrwertsteuer und die Verrechnung bzw. Erstattung der Vorsteuer durch eine eigene Mehrwertsteuerkryptowährung bzw. Token. Dafür muss Fiat in die Mehrwertsteuerkryptowährung "VATCoin" gewechselt werden. Die Nettozahlungen erfolgen weiterhin in Fiat, jedoch muss die Mehrwertsteuer in B2B-Situationen in der Form von VATCoin ausgezahlt werden. Die Finanzverwaltungen können diese Transaktionen einsehen, die Vorsteuerverrechnung mit Mehrwertsteuerzahlungen bzw. Erstattung der Vorsteuer kann unmittelbar erfolgen. Gleichzeitig wird der Missing Trader Fraud dadurch bekämpft, da die VATCoin nur zum Austausch im Bereich der Mehrwertsteuer geeignet sind. Zwar ist ein Zurückwechseln der VATCoin in Fiat durch Zahlungsdienstleister möglich, jedoch nur, wenn zuvor die Zahlung des Mehrwertsteuerempfänger mit der des Mehrwertsteuerleistenden überprüft wurde. Dadurch wird ein Kernproblem der Mehrwertsteuerhinterziehung des Missing Trader Fraud gelöst, indem der Eingang der Mehrwertsteuer und die Erstattung der Vorsteuer nicht auseinanderfallen können.
Auf Basis dieses Konzepts wurde auch ein Konzept für das indonesische Mehrwertsteuersystem entwickelt, der sog. PAKO. Mit diesem Token kann ebenfalls die Mehrwertsteuerzahlung sowie die Verrechnung/Erstattung der Vorsteuer vorgenommen werden. Zahlungsdienstleister dienen erneut als Schnittstelle zur realen Wirtschaft und den sonstigen Fiatzahlungen. Bei der Tokenisierung der Mehrwertsteuer ist jedoch als kritisch zu bewerten, dass die ausschließliche Fokussierung auf B2B-Situationen liegt. B2C-Situationen sind hiervon nicht umfasst, da keine Vorsteuerverrechnung/-erstattung durch Verbraucher erfolgen kann.
Bei einer weiteren technischen Abstrahierung des Konzepts der Tokenisierung von Steueransprüchen, sind Smart Contracts essenziell zur Umsetzung/zum Austausch von Steuertoken (z. B. VATCoin oder PAKO). Geht man daher noch einen Schritt weiter, stellt sich die Frage, ob es eine Tokenisierung von Steueransprüchen überhaupt braucht, wenn zukünftig nur noch digitale Währungen bzw. Kryptowährungen verwendet werden. Die Mehrwertsteuer als Teil der Zahlung müsste nicht mehr digitalisiert werden, sondern Smart Contract berechnen die Mehrwertsteuer und führen direkt die Mehrwertsteuer an die Finanzverwaltungen ab. Im Ergebnis wird dadurch Geld bzw. Fiat programmierbar und es können weitere Funktionen programmiert werden. Dieses Konzept einer Aufteilung der Mehrwertsteuerzahlung in netto und brutto in B2B-Situationen wird als Split Payment bezeichnet. Die Mehrwertsteuer wird nicht an den Zahlungsempfänger geleistet, sondern erfolgt unmittelbar an die Finanzverwaltung. Split-Payment-Konzepte existieren in der Mehrwertsteuer in der EU z. B. in Italien oder Polen. Die bisherigen Split-Payment Modelle konzentrieren sich auf den B2B-Bereich. Allerdings sind auch Konzepte vorstellbar, die dies auf den B2C-Bereich ausdehnen. Z. B. wird vorgeschlagen, dass bei elektronischen Dienstleistungen i. S. d. § 3a Abs. 5 UStG auch ein Blockchain-Netzwerk zur Informationsübermittlung eingesetzt wird und Zahlungsintermediäre auf Basis dieser Informationen ein Split-Payment exekutieren. Dadurch könnte die Mehrwertsteuerhinterziehung bei elektronischen Dienstleistungen im B2C-E-Commerce deutlich reduziert werden.