Leitsatz
Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, von welchem Veranlagungszeitraum an § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 i.d.F. des UntStFG vom 29.10.1997 (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928) erstmals anzuwenden ist, wenn der Verlust der wirtschaftlichen Identität nach Maßgabe dieser Vorschrift nicht in 1997 bis zum 5.8., sondern in den Jahren vor 1997 eingetreten ist (§ 54 Abs. 6 Satz 2 KStG 1996 i.d.F. des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19.12.1997, BGBl I 1997, 3121, BStBl I 1998, 7; § 34 Abs. 6 Satz 2 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG 2001/2002 vom 23.10.2000, BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428).
Normenkette
§ 8 Abs. 4 KStG 1996 n.F. , § 54 Abs. 6 KStG 1996 n.F. , § 34 Abs. 6 KStG 1999 n.F. , Art. 3 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, wurde am 13.12.1994 gegründet und 1995 ins Handelsregister eingetragen. Bei Gründung waren an der Klägerin G und A mit jeweils 12.500 DM und K mit 25.000 DM an dem Stammkapital von 50.000 DM beteiligt.
Mit Vertrag vom 20.12.1995 hatte A ihren Anteil von 12.500 DM auf G übertragen. Zugleich wurde das Kapital um 100.000 DM erhöht und von G und K jeweils hälftig übernommen, so dass nunmehr beide Gesellschafter mit je 75.000 DM an der Klägerin beteiligt waren.
Die Klägerin erwirtschaftete 1995 erhebliche Verluste. K übertrug ihren Gesellschaftsanteil mit Vertrag vom 18.7.1996 auf G. Die Rechte an den Filmen sowie noch vorhandene Filme verkaufte die Klägerin am 16.4.1997.
Der Klägerin wurden 1996 erhebliche Konzessionen und gewerbliche Schutzrechte (Bestand 31.12.1996: 889.978 DM, 31.12.1995: 100.000 DM) sowie Anlagen, Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattung (zum 31.12.1996 insgesamt 2.278.466 DM, zum 31.12.1995: 20.429 DM) zugeführt. Ferner erhöhten sich der Personalaufwand (Löhne und Gehälter 1996: 726.310,45 DM; 1995: 37.204,29 DM) und die sonstigen betrieblichen Aufwendungen (z.B. Raumkosten 1996: 106.435,32 DM; 1995: 19.152 DM) beträchtlich. Die Umsatzerlöse steigerten sich von 127.011,37 DM (1995) auf 1.666.064,72 DM im Jahr 1996.
Das FA berücksichtigte den auf den 31.12.1996 festgestellten Verlustabzug bei der Körperschaftsteuer 1997 und im Bescheid zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1997 wegen Verlusts der wirtschaftlichen Identität gem. § 8 Abs. 4 KStG 1996 n.F. nicht.
Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab (EFG 2005, 565).
Entscheidung
Der BFH hat verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der erstmaligen Anwendung von § 8 Abs. 4 KStG 1996 n.F., entweder vom VZ 1998 oder aber bereits vom VZ 1997 an: Nach dem Regelungswortlaut komme es darauf an, ob die wirtschaftliche Identität nach Maßgabe der neuen Vorschrift erstmals "in" 1997, dort bis zum 6.8. als jenem Tag eingetreten sei, an dem der Bundestag über die Gesetzesänderung beschlossen habe. Beim Identitätsverlust nach diesem Datum erfolgt die erstmalige Anwendung der Neuvorschrift in 1997, ansonsten in 1998.
Offen sei, was das für jene Sachverhalte bedeute, in denen der Identitätsverlust nach Maßgabe der neuen Vorschriften bereits in den Vorjahren eingetreten sei. So verhalte es sich im Urteilsfall: Nach altem Recht sei der Übergang von 75 % der Anteile erforderlich, nach neuem Recht genügen aber 50 %. Der BFH hält es für gleichheitsrechtlich zweifelhaft, wenn für Steuerpflichtige, die einen solchen Identitätsverlust erlitten hätten, bereits in 1997 den verschärften Vorschriften unterworfen würden, obschon doch auch sie in den Vorjahren nichts von den neuen Regelungen wissen konnten und deswegen gleichermaßen in ihrem Vertrauen schutzwürdig seien. Dazu fordert der BFH das BMF zum Beitritt und zur Stellungnahme auf.
Hinweis
1. Der Gesetzgeber hat 1997 die gesetzlichen Anforderungen des § 8 Abs. 4 KStG an den Verlustabzug bei Kapitalgesellschaften deutlich angezogen: Waren es früher nur 75 % der Gesellschaftsanteile, deren Übergang abzugsschädlich sein konnten, greift diese Hürde und der damit einhergehende Verlust der wirtschaftlichen Identität seitdem bereits bei 50 % der Anteile. Diese und weitere verschärfende Änderungen der Norm erfolgten durch das UntStFG vom 29.10.1997.
2. An sich sollten die neuen Steuerschrauben rückwirkend vom Beginn des Veranlagungszeitraums 1997 an gelten. Sofort aufkommende Kritik veranlassten den Gesetzgeber jedoch zu einer "weicheren"Übergangsregelung zur erstmaligen Anwendung von § 8 Abs. 4 KStG n.F. Nach in § 54 Abs. 6 KStG 1996 (= § 34 Abs. 6 KStG 1999) ist die neue Vorschrift zwar ebenfalls erstmals für den VZ 1997 anzuwenden. Allerdings schiebt § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG 1996 (= § 34 Abs. 6 Satz 2 KStG 1999) den Zeitraum für die erstmalige Anwendung auf den VZ 1998 hinaus, vorausgesetzt, der Verlust der wirtschaftlichen Identität ist erstmals im Jahr 1997 vor dem 6.8. als jenem Tag eingetreten, an dem der Bundestag über die Gesetzesänderung beschlossen habe.
Es besteht nun Streit darüber, wie diese Abwand...