Verfahrensgang
LG Neuruppin (Entscheidung vom 27.09.2019; Aktenzeichen 12 Ns 2/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Angeklagten gegen die Beiordnungsentscheidung des Landgerichts Neuruppin vom 27. September 2019 wird verworfen.
Die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen die Kostengrundentscheidung im Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 27. September 2019 wird verworfen.
Die Angeklagte hat die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Gründe
I.
Das Landgericht Neuruppin führte in der Zeit vom 28. August 2019 bis zum 27. September 2019 die Berufungshauptverhandlung u.a. gegen die Angeklagte durch, die zunächst von Rechtsanwältin M... als Wahlverteidigerin vertreten wurde. Am 27. September 2019, noch vor Ende der Beweisaufnahme, beantragte die Angeklagte, ihr Rechtsanwältin M... als Pflichtverteidigerin beizuordnen. Mit Beschluss vom selben Tag bestellte die Vorsitzende der 2. großen Strafkammer Rechtsanwältin M... "für das weitere Verfahren" nach § 140 Abs. 2 StPO zur notwendigen Verteidigerin. Am 27. September 2019 verurteilte das Landgericht die Angeklagte wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50,00 €. Im Übrigen hat die Kammer die Angeklagte freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens und ihrer Berufung hat die Kammer der Angeklagten auferlegt, soweit sie verurteilt wurde. Soweit sie freigesprochen wurde, hat die Kammer die Kosten des Verfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten der Landeskasse auferlegt.
Mit ihrer Beschwerde, der die Vorsitzende nicht abgeholfen hat, wendet sich die Angeklagte gegen die Beschränkung der Beiordnung von Rechtsanwältin M... "für das weitere Verfahren".
Mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 2. Oktober 2019 wendet sich die Angeklagte gegen die Kostengrundentscheidung des am 27. September 2019 verkündeten Urteils.
II.
1. Die Beschwerde der Angeklagten gegen die Beiordnung der Verteidigerin als notwendige Verteidigerin (nur) "für das weitere Verfahren" ist nach § 304 Abs. 1 StPO statthaft.
In der Sache ist sie indes bereits unzulässig. Die Angeklagte ist durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert.
Eine Beschwer setzt voraus, dass die ergangene (oder abgelehnte) Entscheidung einen unmittelbaren Nachteil für den betroffenen Verfahrensbeteiligten bewirkt, seine geschützten Interessen beeinträchtigt und die Beseitigung eines unzutreffenden Beschlusses dem Beschwerdeführer die Aussicht auf eine andere, ihm günstigere Entscheidung eröffnet (vgl. BGHSt 27, 290, 293). Daran fehlt es hier, denn die ordnungsgemäße Verteidigung der Angeklagten war durch die Mitwirkung von Rechtsanwältin M... als Wahlverteidigerin in der gesamten zurückliegenden Berufungshauptverhandlung in diesem Rechtszug gesichert.
Eine rückwirkende nachträgliche Bestellung eines Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger kommt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht in Betracht (vgl. KG, Beschlüsse vom 20. Juli 1998 - 4 Ws 118/98 -, 5. November 2011 - 3 Ws 510/01 -, 9. März 2006 - 5 Ws 563/05 -, 12. Januar 2011 - 3 Ws 13/11 -). Dies gilt auch dann, wenn das Verfahren - wie hier - insgesamt noch nicht abgeschlossen ist. Denn die Beiordnung eines Pflichtverteidigers dient der ordnungsgemäßen Verteidigung eines Angeklagten sowie einem ordnungsgemäßen Verfahrensablauf in der Zukunft. Eine Rückwirkung wäre auf etwas Unmögliches gerichtet und würde eine notwendige Verteidigung des Angeklagten in der Vergangenheit nicht gewährleisten. Eine Beiordnung erfolgt insbesondere nicht im Kosteninteresse eines Angeklagten oder um dem Verteidiger einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2009, 113; OLG Stuttgart NStZ-RR 2008, 21; OLG Bamberg NJW 2007, 3796; KG, Beschlüsse vom 12. Januar 2011 - 3 Ws 13/11 - und 11. Mai 2009 - 4 Ws 44/09 -; Senat, StV 2007, 372 = StraFo 2006, 200 und Beschlüsse vom 18. Mai 2011 - 2 Ws 121-122/11 - und 27. Dezember 2010 - 2 Ws 660/10 -; KG Berlin, Beschluss vom 8. März 2013 - 2 Ws 86/13 -).
Die Bestellung eines Verteidigers erfolgt grundsätzlich für die Zukunft, so dass der Hinweis in dem angefochtenen Beschluss ohnehin nur klarstellenden Charakter hatte, denn gemäß § 48 Abs. 6 Satz 2 RVG erhält der Rechtsanwalt seine Vergütung in diesem Rechtszug auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung, wenn er in einem späteren Rechtszug beigeordnet wird.
2. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung ist gemäß § 464 Abs. 3 StPO zulässig, hat aber ebenfalls in der Sache keinen Erfolg.
Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die zutreffenden Gründe in der angefochtene Entscheidung und der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 13. Februar 2020 Bezug, der die Angeklagte mit Erwiderungsschriftsatz vom 26. Februar 2020 nicht mehr entgegengetreten ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
Fundstellen
Haufe-Index 13772836 |
NJW 2020, 3739 |
NStZ 2020, 625 |