Leitsatz (amtlich)
1. Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Die gemeinsame elterliche Sorge scheidet aus, wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind erheblich belastet würde, würde man die Eltern zwingen, die Sorge gemeinsam zu tragen. Die Kommunikation der Eltern ist bereits dann schwer und nachhaltig gestört, wenn sie zwar miteinander in Kontakt treten, hierbei aber regelmäßig nicht in der Lage sind, sich in der gebotenen Weise sachlich über die Belange des Kindes auszutauschen und auf diesem Wege zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen. Dann ist zu prüfen, ob hierdurch eine erhebliche Belastung des Kindes zu befürchten ist (vgl. BGH FamRZ 2016, 1439 m.w.N.).
2. Gerade bei missglückender, destruktiver und damit tendenziell eskalationsgefährdeter Kommunikation hat eine gemeinsame Sorge auch deswegen auszuscheiden, um die Konfliktfelder zwischen den Eltern so gering wie möglich zu halten.
Normenkette
BGB § 1626a
Verfahrensgang
AG Senftenberg (Beschluss vom 18.04.2016; Aktenzeichen 35 F 244/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Antrag des Antragstellers unter Aufhebung des Beschlusses des AG Senftenberg vom 18.04.2016 - 35 F 244/15 - abgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde werden unter der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdegegner gegeneinander aufgehoben.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 3.000 EUR
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Mitübertragung der elterlichen Sorge für den gemeinsamen Sohn K. auf den Antragsteller.
Dieser war seit Anfang 2010 mit der Antragsgegnerin zusammen und lebte mit ihr und ihrem am 25.01.2011 geborenen Sohn bis Dezember 2013 in deren Haushalt. Er hat erstinstanzlich die Übertragung der Mitsorge beantragt.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag zunächst entgegen. Nachdem das Jugendamt empfahl, in Fortführung einer systemischen Beratung dem Antrag des Kindesvaters zuzustimmen und der Verfahrensbeistand, dem gegenüber sich beide Eltern bereit gezeigt hatten, sich dem Thema Kommunikation zu stellen und daran weiterzuarbeiten, in der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge die Möglichkeit sah, für K. ein wichtiges Signal zu setzen, um seinen aufgebauten inneren Widerstand gegen den Vater zu minimieren, hat die Antragsgegnerin dem Antrag im Termin vor dem AG zugestimmt.
Dieses hat daraufhin mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Verfahrens verweist, die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam übertragen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde erstrebt die Antragsgegnerin nunmehr die Abweisung des Antrages des Antragstellers. Unter Schilderung verschiedener Vorfälle nach Beschlusserlass macht sie geltend, die Kommunikation zwischen den Eltern habe sich verschlechtert und die bei K. deutlich auftretenden Verhaltensauffälligkeiten hätten sich weiter verstärkt.
Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss und tritt der Schilderung der Vorfälle entgegen.
Der Verfahrensbeistand sieht sich in seiner Hoffnung, dass zukünftige gemeinsame Entscheidungen der Eltern ein wichtiges Signal für K. setze, um seinen inneren Widerstand gegen den Vater zu minimieren, enttäuscht und berichtet von einer Konfliktverschärfung zwischen den Eltern nach Erlass des Beschlusses, wobei K., der seinen Loyalitätskonflikt in Aggressionen gegenüber seiner Mutter und Verweigerungen gegenüber seinem Vater deutlich zeige, noch belasteter sei als vorher.
Das Jugendamt berichtet, dass sich entgegen positiven Vorzeichen im Vorfeld der mündlichen Verhandlung vor dem AG, die verbunden mit der Hoffnung einer weiteren Verbesserung der elterlichen Kommunikation Anlass für eine Befürwortung einer gemeinsamen elterlichen Sorge waren, die elterliche Kommunikation nach Beschlusserlass verschlechtert habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug. Er entscheidet ohne mündliche Verhandlung, §§ 68 Abs. 3 Satz 2, 159 Abs. 3 FamFG. Das AG hat die Antragsbeteiligten persönlich angehört und die Berichte und Schreiben des Jugendamtes vom 23.03.2016 (71) und vom 12.08.2016 (130 ff) sowie des Verfahrensbeistandes vom 30.03.2016 (73) und vom 25.07.2016 (128 ff) vermitteln ein ausreichend verlässliches und vollständiges Bild der Beteiligten; es ist nicht ersichtlich, welche weiteren und besseren Erkenntnisse der Senat durch eine eigene Anhörung gewinnen könnte. Insbesondere stünden die mit einer Anhörung durch den Senat für K. verbundenen Belastungen in keinem vertretbaren Verhältnis zu einem möglichen weiteren Erkenntnisgewinn.
II. Die nach § 58 ff FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Bes...