Sorgerecht bei schwerwiegenden Kommunikationsstörungen der Eltern

Eine gemeinsame elterliche Sorge kommt nicht in Betracht, wenn die Kommunikation zwischen den Eltern nachhaltig gestört ist. Das gemeinsame Sorgerecht dient nicht der gegenseitigen Kontrolle der Eltern und auch nicht der Verhinderung erzieherischer Alleingänge eines Elternteils.

Sind Eltern nicht miteinander verheiratet und geben sie auch keine gemeinsame Sorgeerklärung ab, dann steht der Mutter die elterliche Sorge gemäß § 1626a Abs. 3 BGB alleine zu. Auf Antrag des Vaters kann das Familiengericht den Eltern das Sorgerecht gemeinsam übertragen, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht, § 1626a Abs. 2 S. 1 BGB.

Tragfähige soziale Beziehung als Voraussetzung eines gemeinsamen Sorgerechts

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH setzt die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts aber eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern und ein Mindestmaß an Übereinstimmung voraus (vgl. BGH, Beschluss v. 15.6.2016, XII ZB 419/15). Dafür müssen die Eltern nicht immer einer Meinung sein, was die Erziehung des Kindes anbelangt. Sie müssen aber bei unterschiedlichen Vorstellungen zumindest imstande sein, einen Kompromiss zu erzielen. Mangelt es an jeglicher Kooperation der Eltern, ohne dass dies auf einer grundlosen Verweigerungshaltung nur eines Elternteils beruht, und ist die Kommunikation zwischen ihnen derart gestört, dass sie schlichtweg nicht in der Lage sind, ihre Streitigkeiten betreffend die elterliche Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Hilfe beizulegen, dann scheidet die Übertragung der gemeinsamen Sorge aus. Denn durch einen nachhaltigen und andauernden elterlichen Konflikt ohne Möglichkeit der gemeinsamen Entscheidungsfindung würde letztlich nur das Kind belastet werden.

Diese vom BGH aufgestellten Grundsätze hat das OLG Braunschweig in einer aktuellen Entscheidung zum Anlass genommen, dem antragstellenden Vater das gemeinsame Sorgerecht zu versagen. Die betroffenen Eltern waren derart zerstritten und ihr Verhältnis war so konfliktbelastet, dass sie das gemeinsame Kind nicht mehr im Blick hatten, sondern sich nur gegenseitig beschimpften und herabwürdigten. So sprach der Vater der Mutter die Erziehungsfähigkeit ab, warf ihr verantwortungsloses und kindeswohlschädigendes Verhalten vor und bezichtigte sie zudem der Lügen und Täuschungen. Die Mutter wiederum warf dem Vater Gewaltausbrüche vor und verwies auf eine frühere Suchterkrankung, die er nicht überwunden hätte. Das Verhältnis der Eltern war durch starkes wechselseitiges Misstrauen geprägt und ein sachlicher Austausch zwischen ihnen war nicht möglich. Dabei waren die Eltern auch nicht bereit, daran etwas zu ändern und ihre Kommunikation untereinander zu verbessern. Insbesondere sind sie nicht der Empfehlung des Jugendamtes und des Familiengerichts gefolgt, eine gemeinsame Elternberatung bei einer Beratungsstelle durchzuführen.

Mangelnder Informationsfluss rechtfertigt keine gemeinsame Sorge

Das Oberlandesgericht sah in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH hier keine Grundlage für eine gemeinsame elterliche Sorge. Daran änderte auch der Einwand des Vaters nichts, dass er ohne eine gemeinsame elterliche Sorge keine genügenden Informationen über sein Kind und dessen Gesundheitszustand erhalten würde. Insoweit verwies das Gericht auf einen eigenständigen Anspruch auf Informationen des nicht sorgeberechtigten Elternteils gemäß § 1686 BGB, der vom Vater geltend gemacht werden könnte.

Kein Instrument zur Kontrolle des anderen Elternteils

Zudem stellte das Gericht klar, dass das gemeinsame Sorgerecht nicht dazu dient, den anderen Elternteil zu kontrollieren oder ein etwaiges Fehlverhalten zu sanktionieren. Selbst erzieherische Alleingänge des sorgeberechtigten Elternteils sollen mit der gemeinsamen Sorge nicht verhindert werden. Maßgeblich ist allein das Kindeswohl; ein fortlaufender Streit der Eltern und mangelnde Kooperation steht dem Kindeswohl jedoch klar entgegen, sodass in einem solchen Fall die Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht in Betracht kommen.

OLG Braunschweig, Beschluss v. 25.7.2022, 1 UF 115/21


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