Verfahrensgang
SG Lüneburg (Entscheidung vom 07.11.2019; Aktenzeichen S 29 BA 3/18) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 02.12.2020; Aktenzeichen L 2 BA 106/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. Dezember 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens über die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen in seiner Tätigkeit als Promoter für die Klägerin in der Zeit zwischen 4.7.2008 bis 22.2.2014.
Die klagende GmbH & Co KG betreibt Marketing. Sie setzte den Beigeladenen zu festen Tagespauschalen als Promoter ein. Zusätzlich zur Tagespauschale stellte sie dem Beigeladenen ein Fahrzeug, erstattete Kosten für Übernachtungen und erforderliche Zutaten und sonstige Arbeitsmittel, gab die Kleidung und ggf erforderliche Nachweise interner Schulungen ihrer Kunden vor. Die beklagte DRV Bund stellte die Versicherungspflicht des Beigeladenen in allen Zweigen der Sozialversicherung fest (Statusfeststellungsbescheid vom 20.4.2017, Widerspruchsbescheid vom 8.12.2017).
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des SG Lüneburg vom 7.11.2019 und des LSG Niedersachsen-Bremen vom 2.12.2020). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dass das Gesamtbild der Tätigkeit des Beigeladenen für die Klägerin sich als abhängige Beschäftigung darstelle. Der Beigeladene sei hinsichtlich Zeit und Ort, der Arbeitskleidung und der erforderlichen Fortbildung weisungsgebunden gewesen und habe keinerlei Unternehmensrisiko getragen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin formuliert bereits keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN). Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
Selbst wenn die Ausführungen der Klägerin auf S 4 ihrer Beschwerdebegründung
"Das Landessozialgericht stellt folglich den Rechtssatz auf, es sei zwar das Gesamtbild der Beschäftigung entscheidend, als Maßstab zu berücksichtigen sei dabei allerdings nicht ein zumindest insgesamt typisches Arbeitsverhältnis, vielmehr seien bereits bei den jeweiligen Einzelkriterien von den möglichen und weitgehendsten Ausgestaltungen in Arbeitsverhältnissen auszugehen und danach abzugrenzen."
zusammen mit der Wiederholung des Worts Rechtsfrage an verschiedenen Stellen sowie
"welcher Maßstab vom Entscheidungsträger herangezogen wird"
auf der letzten Seite ihrer Begründung als Rechtsfrage gemeint sein sollten, ist die Beschwerde unzulässig. Soweit die Klägerin darin sinngemäß nach dem richtigen Maßstab für die Beurteilung einer Tätigkeit als Beschäftigung iS des § 7 SGB IV fragt, versäumt sie es, anders als nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage erforderlich, die einschlägige Rechtsprechung des BSG darauf zu untersuchen, ob diese ggf ausreichende Hinweise für die Beantwortung enthält. Denn eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 sowie BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6).
Die Klägerin zitiert zwar ein Urteil des Senats vom 4.6.2019 (B 12 R 2/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 40), setzt sich damit aber nicht hinreichend auseinander. Im Hinblick auf den konkreten Sachverhalt des vorliegenden Falls und ihren Vortrag hätte sie zur Darlegung eines Klärungsbedarfs auf die ständige Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung eingehen müssen. In den Urteilen vom 31.3.2015 (B 12 KR 17/13 R - juris) und 18.11.2015 (B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25) hat der Senat zu Inhalt und Gewicht der Kriterien zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit insbesondere im Bereich der Verkaufsförderung und bei Einzelaufträgen ausgeführt. Im Urteil vom 14.3.2018 (B 12 KR 12/17 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 34) hat er die Maßstäbe bei Ausführung von Tätigkeiten bei Dritten klargestellt. Zuletzt hat er in den Urteilen vom 4.6.2019 (B 12 R 10/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 41; B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42; B 12 R 12/18 R - juris) und 7.6.2019 (B 12 R 6/18 R - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44) die Kriterien zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung zu selbstständiger Tätigkeit noch einmal im Zusammenhang ausgeführt, die Maßstäbe auch bei Einzelaufträgen, die Auswirkungen von gesetzlichen Rahmenbedingungen und ggf nicht erlaubter Arbeitnehmerüberlassung sowie die Relevanz der Rechtsauffassung der beteiligten Kreise dargestellt. Zur Darlegung eines Klärungsbedarfs hätte die Klägerin aufzeigen müssen, dass die bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung zur Beurteilung einer Tätigkeit als abhängige Beschäftigung zu beachtenden Maßstäbe durch diese ständige Rechtsprechung (zuletzt BSG Urteil vom 24.11.2020 - B 12 KR 23/19 R - juris, bestätigt in BSG Urteil vom 23.2.2021 - B 12 R 15/19 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) nicht ausreichend geklärt sind. Dazu genügt es nicht, die eigene Rechtsauffassung darzustellen, das Ergebnis einer einzelnen Entscheidung des BSG zu kritisieren oder zu behaupten, das LSG habe die Maßstäbe unrichtig angewandt. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris RdNr 10 mwN).
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hat weder sich widersprechende Rechtssätze benannt noch aufgezeigt, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch in Frage gestellt hätte. Sie führt lediglich aus, dass das BSG eine Abwägungsentscheidung auf der Grundlage der tatsächlichen Umstände fordere und das LSG untypische Fallgestaltungen zugrunde lege, und versucht diese These durch Beispiele zu belegen. Daraus meint sie, den Rechtssatz des LSG erkennen zu können "das die Typenbetrachtung nicht auszugehen hat von zumindest insgesamt typischen Vertragsgestaltungen in einer abhängigen Beschäftigung, sondern vielmehr die Abgrenzung daran zu erfolgen hat, was im Rahmen der Vertragsfreiheit im abhängigen Beschäftigungsverhältnis möglich wäre". Damit behauptet sie in der Sache, das LSG habe die Maßstäbe des BSG nicht richtig angewandt. Einen Widerspruch im Grundsätzlichen zeigt sie nicht hinreichend auf.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG. In Verfahren, in denen nur um eine Statusfeststellung nach § 7a SGB IV ohne eine Beitrags(nach)forderung gestritten wird, ist der Streitwert gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 72 Nr 1 Halbsatz 2, § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes in Höhe des Regelstreitwerts festzusetzen (vgl BSG Beschluss vom 5.3.2010 - B 12 R 8/09 R - juris RdNr 1; BSG Beschluss vom 20.2.2017 - B 12 KR 95/16 B - juris RdNr 17; BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 R 8/18 R - juris RdNr 25).
Fundstellen
Dokument-Index HI14693278 |