Verfahrensgang

LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 13.05.2020; Aktenzeichen L 9 KR 93/17)

SG Berlin (Entscheidung vom 14.02.2017; Aktenzeichen S 76 KR 173/16)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Mai 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens darüber, ob der Beigeladene zu 1. (im Folgenden: Beigeladener) in seiner Tätigkeit als Pflegekraft für den klagenden ambulanten Pflegedienst in der Zeit vom 2.1.2014 bis 22.11.2014 der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag.

Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Der Beigeladene ist ausgebildeter Kranken- und Gesundheitspfleger und war in der streitigen Zeit in Vollzeit bei einem anderen Pflegedienst sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Er übernahm daneben vom 2.1.2014 bis 22.11.2014 die Pflege eines Patienten für die Klägerin.

Auf den Statusfeststellungsantrag des Beigeladenen stellte die beklagte DRV Bund seine Versicherungspflicht in der Tätigkeit für die Klägerin in allen Zweigen der Sozialversicherung fest (Bescheid vom 4.5.2015, Widerspruchsbescheid vom 22.9.2015). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (SG Berlin Urteil vom 14.2.2017, LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 13.5.2020). Das LSG hat ausgeführt, dass in ambulanten Pflegediensten die Verpflichtung bestehe, dass eine verantwortliche Pflegefachkraft die Pflege koordiniere. Ähnlich wie in der stationären Pflege unterliege die ambulante Pflege umfangreichen regulatorischen Vorgaben. Eine 24-Stunden-Pflege müsse darüber hinaus organisiert werden. Dies erfordere die Eingliederung des Beigeladenen in den Organisationsablauf der Klägerin.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 13.5.2020 ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechend (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) dargelegt oder bezeichnet.

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin wirft auf Seite 6 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:

"ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, die eine Eingliederung in einen Betrieb voraussetzt, auch dann angenommen werden kann, wenn eine freiberufliche Tätigkeit neben einer hauptberuflichen Tätigkeit und anderen nebenberuflichen Tätigkeiten mit unterschiedlichen Auftraggebern ausgeübt wird, die Tätigkeit auf die Versorgung lediglich eines Kunden, der gerade von der einen Pflegekraft versorgt werden will, beschränkt ist".

Die Klägerin formuliert damit bereits keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN), die über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus Bedeutung hat. Die Klägerin wendet sich vielmehr gegen die Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls durch das LSG und weist auf die außergewöhnlichen Umstände des Falles hin (Seite 7 der Beschwerdebegründung). Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris RdNr 10 mwN).

Selbst wenn aber eine solche über den Einzelfall hinaus bedeutsame Rechtsfrage als aufgeworfen unterstellt würde, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN).

Mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Beurteilung einer Tätigkeit als Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV oder als selbstständige Tätigkeit (vgl ua BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 12/17 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 34; BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42; BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30) setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Es fehlen auch Ausführungen zu dem nach der Rechtsprechung des BSG zu bewertenden Gesamtbild der Tätigkeit (BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 16 mwN) und mit den durch den Senat (BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30, RdNr 21 mwN; zuletzt BSG Urteile vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42 und - B 12 R 2/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 40) aufgestellten Maßstäben zur Beurteilung von Tätigkeiten mit verfeinertem Weisungsrecht unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen (BSG Urteil vom 7.6.2019 - B 12 R 6/18 R - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44). Inwieweit sich die aufgeworfene Frage nicht anhand dieser Rechtsprechung beantworten lassen soll, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hinreichend deutlich hervor. Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich darin, die Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls durch das LSG zu kritisieren.

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass der angefochtene Beschluss des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn der angefochtene Beschluss nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Diese Voraussetzungen sind nicht hinreichend dargelegt. Die Klägerin kritisiert, dass der im angefochtenen Beschluss zu entscheidende Sachverhalt mit dem vom BSG im Urteil vom 7.6.2019 (B 12 R 6/18 R - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44) zu beurteilenden nicht vergleichbar sei und deshalb die dort aufgestellten Grundsätze nicht herangezogen werden könnten. Damit rügt sie die fehlerhafte Anwendung der vom BSG aufgestellten Grundsätze im konkreten Einzelfall. Eine Abweichung im Grundsätzlichen ist nicht hinreichend dargetan.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3 und § 162 Abs 3 VwGO.

5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 2, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14423975

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