Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtsverfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensfehler. Antrag auf Anhörung eines Sachverständigen. Fragerecht
Orientierungssatz
Da das Fragerecht an den Sachverständigen der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs dient, muss eine entsprechende Rüge aufzeigen, dass der Beteiligte alles getan hat, um die Anhörung des Sachverständigen zu erreichen. Dazu muss er in der Begründung zu einer Nichtzulassungsbeschwerde darstellen, dass er einen hierauf gerichteten Antrag rechtzeitig gestellt, dabei schriftlich objektiv sachdienliche Fragen angekündigt und das Begehren bis zum Schluss aufrechterhalten hat (vgl BSG vom 15.9.2015 - B 13 R 201/15 B = juris RdNr 7 sowie vom 26.5.2015 - B 13 R 13/15 B = juris RdNr 9).
Normenkette
SGG §§ 62, 103, 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3, § 116 S. 2, § 118 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 397, 402, 411 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. September 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Das Bayerische LSG hat mit Urteil vom 28.9.2016 einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint. Dabei folgte es nicht der Einschätzung der Sachverständigen Dr. A. Diese sei im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 109 SGG mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt worden und habe eine maximal vierstündige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für zumutbar gehalten. Auf Nachfrage des LSG zu den Gründen ihrer Einschätzung habe Dr. A. in ihrer ergänzenden Stellungnahme ausschließlich damit argumentiert, dass der Klägerin von zweistündigen sitzenden Tätigkeiten abzuraten sei. Eine solche Einschränkung könne aber bei geeigneten Arbeitsplätzen beachtet werden, ohne dass daraus eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens resultiere.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht einen Verfahrensmangel geltend, weil das LSG ihrem Antrag auf Anhörung der Sachverständigen Dr. A. zur Erläuterung ihrer Stellungnahme nicht nachgekommen sei. Die ergänzende Befragung hätte sich dem Berufungsgericht aufdrängen müssen.
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Begründung vom 10.11.2016 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form. Die Klägerin hat keinen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG in der erforderlichen Weise bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen zur ordnungsgemäßen Bezeichnung (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Dem Beweisantrag kommt eine Warnfunktion zu, die er nicht erfüllen kann, wenn er zwar in einem früheren Verfahrensstadium schriftlich gestellt wurde, im Entscheidungszeitpunkt selbst aber nicht mehr erkennbar weiter verfolgt wird. Das Übergehen eines Beweisantrags iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG liegt daher - zumindest bei rechtskundig vertretenen Beteiligten - nur dann vor, wenn der Beweisantrag in der abschließenden mündlichen Verhandlung aufrechterhalten worden ist. Wird ein zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt, so gilt er bei einem rechtskundig vertretenen Beteiligten als erledigt (stRspr, zB BSG Beschlüsse vom 5.8.2014 - B 9 SB 36/14 B - Juris RdNr 5 und vom 27.11.2014 - B 3 KR 22/14 B - Juris RdNr 11).
1. Mit dem Vorbringen der Klägerin, dem Berufungsgericht hätte sich eine ergänzende Befragung der Sachverständigen Dr. A. aufdrängen müssen, wird eine Sachaufklärungsrüge nicht hinreichend dargetan. Die Klägerin zeigt schon nicht auf, dass sie einen Beweisantrag gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten habe. Sie verweist lediglich auf den Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.7.2016, in dem dieser eine ergänzende Anhörung der Sachverständigen ausdrücklich beantragt habe. Darüber hinaus legt sie aber nicht dar, dass sie einen entsprechenden prozessordnungsgemäßen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt habe bzw dass ein solcher im Urteil des LSG wiedergegeben sei (s hierzu BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN).
2. Soweit die Klägerin sinngemäß die Verletzung ihres Fragerechts gegenüber einem Sachverständigen (§ 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO) rügt, erfüllt die Beschwerdebegründung auch die Darlegungsanforderungen an eine solche Rüge nicht. Zwar steht insoweit nicht entgegen, dass die betreffende Sachverständige ein Gutachten nach § 109 SGG erstellt hat (Senatsbeschlüsse vom 15.9.2015 - B 13 R 201/15 B - Juris RdNr 7 f, vom 26.5.2015 - B 13 R 13/15 B - Juris RdNr 9 und vom 7.8.2014 - B 13 R 439/13 B - Juris RdNr 10 f). Da das Fragerecht an den Sachverständigen der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs dient, muss eine entsprechende Rüge aber aufzeigen, dass die Beteiligte alles getan hat, um die Anhörung des Sachverständigen zu erreichen. Dazu muss sie in der Beschwerdebegründung darstellen, dass sie einen hierauf gerichteten Antrag rechtzeitig gestellt, dabei schriftlich objektiv sachdienliche Fragen angekündigt und das Begehren bis zum Schluss aufrechterhalten hat (vgl Senatsbeschlüsse vom 15.9.2015 - B 13 R 201/15 B - Juris RdNr 7; vom 26.5.2015 - B 13 R 13/15 B - Juris RdNr 9).
Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Die Klägerin hat nach ihrer Darstellung beantragt, die Sachverständige mündlich anzuhören und zur Erläuterung ihrer ergänzenden Stellungnahme zu befragen, falls der Berufungssenat die Stellungnahme nicht für ausreichend ansehe. Damit werden aber die aus Sicht der Klägerin erläuterungsbedürftigen Punkte nicht hinreichend konkret bezeichnet, was zur Einordnung der Fragen als sachdienlich grundsätzlich erforderlich ist (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 355/11 B - Juris RdNr 15). Darüber hinaus legt die Klägerin auch hierzu nicht dar, dass sie ihr Begehren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu Protokoll aufrechterhalten habe.
3. Soweit die Klägerin mit der vom LSG vorgenommenen Auswertung und Würdigung des eingeholten Sachverständigengutachtens nicht einverstanden ist und sie sich insoweit auch gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts wendet, ist dies nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 iVm § 128 Abs 1 S 1 SGG für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10448900 |