Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Künstliche Befruchtung. Versicherungsfall. Nicht verheiratete Paare. Nicht-eheliche Lebensgemeinschaft. Ehe. Gleichheitssatz. Verfassungsrecht
Orientierungssatz
1. Selbst ein unterstellter Verstoß von § 27 a Abs 1 Nr 3 SGB 5 gegen Art 3 Abs 1 GG führt grundsätzlich nicht automatisch zur Ausweitung der Leistungsansprüche auf nicht verheiratete Paare, sondern nur zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit (vgl zB BVerfG vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 = BVerfGE 87, 234, 262).
2. Dem Gesetzgeber ist es wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes und dem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Förderung der Ehe aus Art 6 Abs 1 GG nicht verwehrt, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen (vgl zB BVerfG vom 17.7.2002 - 1 BvF 1/01 = BVerfGE 105, 313, 348 und BSG vom 7.1.2005 - B 1 KR 93/03 B).
3. Für die Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung bildet nicht die Krankheit, sondern die Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen, den Versicherungsfall (vgl BSG vom 3.4.2001 - B 1 KR 40/00 R = BSGE 88, 62 = SozR 3-2500 § 27a Nr 3).
Normenkette
SGB 5 § 27a Abs. 1 Nr. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die unverheiratete, in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem Lebenspartner zusammenlebende Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Erstattung der Kosten für eine künstliche Befruchtung durch intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) in Höhe von 3.653,23 € sowie auf Übernahme der weiteren Kosten für eine ICSI-Behandlung in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat ua ausgeführt, die Voraussetzungen des § 27a Abs 1 Nr 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei nicht erfüllt, da die Klägerin mit ihrem Partner nicht verheiratet sei. Diese Regelung verstoße nicht gegen das Grundgesetz (GG). Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt. Die Ungleichbehandlung rechtfertige sich aus Art 6 Abs 1 GG. Art 6 Abs 5 GG verpflichte den Gesetzgeber, lebende uneheliche Kinder zu fördern, nicht jedoch, ihre Zeugung leistungsrechtlich zu unterstützen. Danach seien weder die Voraussetzungen von § 27a Abs 1 SGB V noch diejenigen von § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V erfüllt (Urteil vom 15. September 2004).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Begründungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen.
Soll die Revision wie vorliegend nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt werden (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Hierzu ist es erforderlich, eine Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt, und dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist, dh sie im Falle der Zulassung der Revision entscheidungserheblich wäre (vgl Senat, Beschluss vom 24. März 2005, B 1 KR 94/04 B; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38). Hieran fehlt es. Die Beschwerde formuliert schon keine klare Rechtsfrage. Soweit sie hervorhebt, "die Frage der Verfassungsgemäßheit aus § 27a Abs 1 Nr 3 SGB V" sei höchstrichterlich nicht entschieden und habe grundsätzliche Bedeutung, trägt sie nichts dazu vor, dass diese Frage klärungsfähig ist. Hierzu bestand besonderer Anlass, weil selbst ein unterstellter Verstoß von § 27a SGB V gegen Art 3 Abs 1 GG grundsätzlich nicht automatisch zur Ausweitung der Leistungsansprüche auf nicht verheiratete Paare führt, sondern nur zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit (vgl zB BVerfGE 87, 234, 262; 85, 191, 211 f; 84, 348, 365).
Aber auch wenn man in dem Vorbringen der Beschwerde eine hinreichend konkrete Rechtsfrage sehen wollte, da die Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift von grundsätzlicher Bedeutung sein kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 17) und als einschlägiger verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab auch Art 3 Abs 1 GG genannt ist, legt die Beschwerde die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dar. Insbesondere fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den Besonderheiten des Art 6 Abs 1 GG, die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gerade darin zu sehen sind, dass Art 6 Abs 1 GG die Ehe unter besonderen Schutz stellt und allein die Ehe als Institut neben der Familie diesen verfassungsrechtlichen Schutz erfährt, nicht dagegen eine andere Lebensform (BVerfGE 105, 913, 948). Aus Art 6 Abs 1 GG folgt nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht nur ein Benachteiligungsverbot hinsichtlich Ehe und Familie. Vielmehr ist es dem Gesetzgeber wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes und dem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Förderung der Ehe aus Art 6 Abs 1 GG auch nicht verwehrt, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen (vgl BVerfGE 6, 55, 76; 105, 313, 348; vgl auch Senat, Beschluss vom 7. Januar 2005, B 1 KR 93/03 B). Gerade auf diesen, Privilegierungen rechtfertigenden Aspekt müsste die Beschwerde eingehen und aufzeigen, dass der Gesetzgeber dennoch seinen Gestaltungsspielraum unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) insoweit überschritten hat. Dies ist nicht geschehen. Ebenso wenig setzt sich die Beschwerde mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Leistungsgrund des § 27a SGB V auseinander: Danach knüpft das Gesetz die Leistungspflicht der Krankenkasse nach § 27a SGB V nicht an einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand ihres Mitglieds, sondern an die ungewollte Kinderlosigkeit des Ehepaares und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung; vorausgesetzt wird allein, dass die vorgesehenen Maßnahmen zur Herbeiführung der gewünschten Schwangerschaft erforderlich und erfolgversprechend sind; nicht die Krankheit, sondern die Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung bildet den Versicherungsfall (BSG SozR 3-2500 § 27a Nr 3 S 24).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen