Verfahrensgang
Tenor
Die Verfahren B 4 SF 2/24 S und B 4 SF 5/24 S werden gemäß § 113 Abs 1 SGG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führend ist das Verfahren B 4 SF 2/24 S .
Die Anträge der Kläger, die Beschlüsse desBundessozialgerichts vom 27. Juni 2019 - B 11 SF 7/19 S - und vom 11. März 2021 - B 11 SF 5/21 S - zu ändern und anstelle des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz das Landessozialgericht für das Saarland zum zuständigen Gericht zu bestimmen, werden abgelehnt.
Gründe
I
Das LSG für das Saarland hat mit Beschluss vom 27.5.2019 das dort anhängige Entschädigungsklage- und Prozesskostenhilfeverfahren der Kläger - L 2 SF 1/19 EK - dem BSG gemäß § 58 Abs 1 Nr 1 SGG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Mit Beschluss vom 27.6.2019 - B 11 SF 7/19 S - hat das BSG das LSG Rheinland-Pfalz zum für das Entschädigungsklageverfahren zuständigen Gericht bestimmt. Das an sich zuständige LSG für das Saarland sei an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich gehindert, weil bis auf zwei alle an diesem LSG derzeitig tätigen Berufsrichter gemäß § 60 Abs 1 SGG iVm § 41 Nr 7 ZPO wegen Mitwirkung im beanstandeten Verfahren von der Ausübung des Richteramtes im Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer ausgeschlossen seien. Dieser Beschluss ist den Klägern jeweils am 17.7.2019 zugestellt worden. Die Kläger haben mit einem am 8.8.2024 beim BSG eingegangenen Schreiben beantragt, das Verfahren gemäß § 58 Abs 2 SGG an das LSG für das Saarland zurückzuverweisen.
Mit Beschluss vom 28.10.2020 hat das LSG für das Saarland ein weiteres dort anhängiges Entschädigungsklageverfahren der Kläger - L 2 SF 12/20 EK - dem BSG nach § 60 Abs 1 SGG iVm § 45 Abs 3, § 48 ZPO zur Klärung der Frage vorgelegt, ob bestimmte Richter des Gerichts an der Mitwirkung an diesem Verfahren ausgeschlossen sind. Dies hat das BSG zugleich als Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 58 Abs 1 Nr 1 SGG für das Entschädigungsklageverfahren angesehen, weil nach Durchsicht der Akten des Ausgangsverfahrens feststand, dass am LSG so viele Berufsrichter von der Mitwirkung ausgeschlossen waren, dass die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 1 SGG durch das BSG vorlagen. Mit Beschluss vom 11.3.2021 - B 11 SF 5/21 S - hat das BSG das LSG Rheinland-Pfalz zum für das Entschädigungsklageverfahren zuständigen Gericht bestimmt. Dieser Beschluss ist den Klägern jeweils am 20.3.2021 zugestellt worden. Die Kläger haben mit einem bereits am 20.6.2024 beim BSG eingegangenen Schreiben beantragt, dieses Verfahren ebenfalls gemäß § 58 Abs 2 SGG an das LSG für das Saarland zurückzuverweisen.
II
Die Anträge der Kläger sind abzulehnen. Ihnen steht die Bindungswirkung der Beschlüsse des BSG vom 27.6.2019 und vom 11.3.2021 entgegen. An Beschlüsse nach § 58 SGG sind Beteiligte und das bestimmte Gericht grundsätzlich gebunden. Rechtsmittel sind nicht statthaft(vgl nur Groth in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 58 RdNr 54; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 58 RdNr 6) . Dies gilt auch, wenn die getroffene Zuständigkeitsbestimmung mit Rechtsmängeln behaftet ist; etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn extrem gelagerte Rechtsverstöße vorliegen(vglBVerwG vom 27.1.1982 - 4 ER 401.81 - BVerwGE 64, 347 - juris RdNr 19) . Für einen Rechtsverstoß, insbesondere den jeweils behaupteten Verstoß des BSG gegen § 202 Satz 2 SGG iVm§ 201 Abs 1 Satz 1 GVG , bestehen auch nach dem Vortrag der Kläger in beiden Beschlussverfahren keine Anhaltspunkte.
Soweit sich die Kläger auf eine Änderung der Verhältnisse berufen, weil das LSG für das Saarland gegenwärtig ordnungsgemäß besetzt sei, kann dies ihren Anträgen nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar wird vertreten, dass die Bindungswirkung entfalle, wenn die Bestimmung vor Klageerhebung erfolgt sei und die Verhältnisse sich geändert hätten, zB die Verhinderung nach Abs 1 Nr 1 fortgefallen sei(Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 58 RdNr 6; vgl zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs 1 Nr 3 ZPO für den Fall erst nachfolgender Erhebung der Klage gegen andere als die ursprünglich avisierten StreitgenossenOLG München vom 22.4.2013 - 34 AR 135/13 - juris RdNr 20 ) . Jedoch erfolgte vorliegend die Bestimmung des zuständigen Gerichts jeweils nach Erhebung der Entschädigungsklage beim LSG für das Saarland, denn abweichend von § 253 Abs 1 ZPO setzt die Erhebung der Klage im sozialgerichtlichen Verfahren keine Zustellung der Klageschrift voraus; dies gilt auch für Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer(BSG vom 23.5.2019 - B 10 ÜG 1/19 BH - juris RdNr 9 unter Hinweis auf BFH vom 12.7.2017 - X K 3-7/16 ua - juris RdNr 25; Föllmer in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 90 RdNr 4 mwN) . § 94 Satz 2 SGG schiebt lediglich den Eintritt der Rechtshängigkeit hinaus(B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 202 RdNr 30) .
Soweit in der Literatur für das sozialgerichtliche Verfahren die Auffassung vertreten wird, dass das Entfallen der Bindungswirkung aufgrund einer Änderung der Verhältnisse auch noch bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit möglich sei(so Scholz in BeckOGK SGG, § 58 RdNr 27, Stand 1.8.2024) , dürfte damit nur der Regelfall des § 94 Satz 1 SGG gemeint sein, dass Rechtshängigkeit bereits durch die Klageerhebung eintritt. Auch in den von § 94 Satz 2 SGG erfassten Fällen ist für die Frage der Bindungswirkung eines Beschlusses nach § 58 SGG aber auf die dem Eintritt der Rechtshängigkeit vorgelagerte Klageerhebung abzustellen. Zwar wird nach § 17 Abs 1 Satz 1 GVG die Zulässigkeit des Rechtswegs erst ab Rechtshängigkeit durch eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht mehr berührt. Gleiches gilt nach § 261 Abs 3 Nr 2 ZPO für die Zuständigkeit des Prozessgerichts insgesamt. Abweichend hiervon stellt § 57 Abs 1 Satz 1 SGG für die örtliche Zuständigkeit jedoch ausdrücklich auf die Klageerhebung ab. Vor allem widerspräche eine Änderung der durch die Beschlüsse vom 27.6.2019 und vom 11.3.2021 vorgenommenen Zuständigkeitsbestimmung dem Sinn und Zweck des§ 58 SGG , den Beteiligten möglichst rasch, eindeutig und unveränderlich Klarheit über die Zuständigkeit von Gerichten zu verschaffen, zumal künftige Änderungen des Personalbestands des nur mit wenigen Richtern besetzten LSG für das Saarland erneut dazu führen könnten, dass dieses nicht über die Entschädigungsklagen befinden kann. Schließlich dient der Aufschub der Rechtshängigkeit nach § 94 Satz 2 SGG nicht dazu, Entschädigungsklägern die Wahl eines anderen Gerichts zu ermöglichen, wenn - wie vorgetragen - durch das als zuständig bestimmte Gericht ihre Anträge auf Prozesskostenhilfe abgelehnt werden, dadurch der einzuzahlende Gerichtskostenvorschuss(§§ 12a ,12 Abs 1 Satz 1 GKG ) nicht aufgebracht werden kann und das Verfahren vom LSG daher nicht gefördert wird(vgl hierzuBSG vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 8/14 B - SozR 4-1720 § 198 Nr 8 RdNr 22 ff) .
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Fundstellen
Dokument-Index HI16638420 |