Verfahrensgang
SG Mannheim (Entscheidung vom 19.08.2019; Aktenzeichen S 9 SO 1335/19) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 04.12.2019; Aktenzeichen L 2 SO 3183/19) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. Dezember 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit ist die Höhe von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) im Zeitraum vom 1.2.2017 bis 31.1.2018.
Die 1958 geborene Klägerin bezieht von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer und vom beklagten Sozialhilfeträger ergänzend Grundsicherungsleistungen (Bescheid vom 27.1.2017; Widerspruchsbescheid vom 21.5.2017). Den im Januar 2018 gestellten Überprüfungsantrag, gerichtet auf die Gewährung einer höheren Regelleistung, lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 26.10.2018; Widerspruchsbescheid vom 3.4.2019). Die Klage ist erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ≪SG≫ Mannheim vom 19.8.2019; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 4.12.2019). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, der Regelsatz sei nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen.
Die Klägerin hat hiergegen beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt und zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Das Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) mit seiner im streitigen Zeitraum geltenden Mischindex-Berechnungsmethode sei verfassungswidrig und genüge nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das LSG habe sich mit ihrem Vorbringen nicht genügend auseinandergesetzt.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen kann nach Aktenlage unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin keiner mit Erfolg im Beschwerdeverfahren, verbunden auch mit einem möglichen Erfolg in der Hauptsache (vgl dazu nur BSG vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - SozR 4-1500 § 73a Nr 2 mwN) geltend gemacht werden.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Klärungsbedürftige Rechtsfragen wegen der Bemessung und Fortschreibung des Regelsatzes sind in Anbetracht der Entscheidung des BVerfG vom 23.7.2014 (BVerfGE 137, 34) nicht ersichtlich. Da das BVerfG dort entschieden hat, dass die Höhe der Regelbedarfe mit der Verfassung in Einklang steht und auch am Konzept ihrer Fortschreibung (§ 28a SGB XII) keine verfassungsrechtlichen Zweifel geäußert hat, bedürfte es zur ordnungsgemäßen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der formulierten Frage neben einer nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit der Entscheidung des BVerfG auch der schlüssigen Erläuterung, warum die vom BVerfG in seiner Entscheidung akzeptierten Maßstäbe für die Ermittlung und Fortschreibung der Regelbedarfe für den streitbefangenen Zeitraum nicht mehr gelten sollen, also weiterhin Klärungsbedarf besteht oder neuer Klärungsbedarf entstanden ist. Es ist nicht erkennbar, dass ein Prozessbevollmächtigter im Rahmen des vorliegenden Verfahrens aus dem zum Ausdruck gebrachten Begehren der Klägerin eine Rechtsfrage formulieren könnte, die zur Zulassung der Revision führen könnte (vgl zur Fortschreibung der Regelsätze nach 2016 auch BSG vom 24.1.2018 - B 14 AS 374/17 B; zur Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Regelsatzes im davor liegenden Zeitraum für die Jahre 2014, 2015 und 2016 vgl BSG vom 8.4.2019 - B 8 SO 42/17 BH - juris RdNr 6; für den Zeitraum vom 1.2.2018 bis 31.1.2019 vgl BSG vom 30.4.2019 - B 8 SO 23/19 B - RdNr 5). Von Amts wegen ist eine solche Rechtsfrage ebenfalls nicht ersichtlich.
Das LSG hat auch keine Rechtssätze aufgestellt, die von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweichen und auf dieser Abweichung beruhen, sodass auch eine Zulassung wegen Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in Betracht kommt.
Schließlich ist kein Verfahrensmangel erkennbar, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) und der in verfahrensmäßig zulässiger Weise geltend gemacht werden könnte. Soweit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫, § 62 SGG) gerügt wird, lässt sich den Ausführungen der Klägerin nur entnehmen, dass das LSG sich nicht mit dem "Inhalt der Berufungsschrift" auseinandergesetzt habe und ihrem Vorbringen nicht gefolgt sei, was nicht ausreichend ist. Das Prozessgericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen auch in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Insbesondere ist es nicht verpflichtet, auf sämtliche Tatsachen und Rechtsansichten einzugehen, die im Laufe des Verfahrens von der einen oder der anderen Seite zur Sprache gebracht werden. Deshalb kann ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) nicht angenommen werden, wenn das Gericht Ausführungen von Beteiligten unerwähnt lässt, die nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich oder offensichtlich haltlos sind (vgl nur BSG vom 21.11.2012 - B 8 SO 83/12 B - juris RdNr 5; BSG vom 2.8.2019 - B 9 V 3/19 BH - juris RdNr 9). Es ist auch nicht gehalten, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (BVerfG vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - juris RdNr 13 mwN). Vielmehr verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs nur, klägerische Darlegungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11 mwN; BVerfG vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216). Solche Umstände sind nicht ersichtlich.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass das LSG ihrem "Beweiserhebungsantrag" nicht gefolgt sei, ist dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4.12.2019 nicht zu entnehmen, dass sie einen Beweisantrag gestellt oder aufrechterhalten hat, was für eine Aufklärungsrüge aber erforderlich gewesen wäre. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss nämlich ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten. Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG auch die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten sind zwar weniger strenge Anforderungen an die Form und den Inhalt eines Beweisantrags zu stellen. Auch ein unvertretener Kläger muss aber dem Gericht deutlich machen, dass er noch Aufklärungsbedarf sieht (BSG vom 1.3.2018 - B 8 SO 96/17 B - juris RdNr 5).
Da die Klägerin keinen Anspruch auf PKH hat, ist auch ihr Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Die von der Klägerin ohne zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Die Klägerin muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Bevollmächtigten vertreten lassen. Sie kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf hat das LSG die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13880488 |