Verfahrensgang
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 19.03.2021; Aktenzeichen S 17 KR 102/20) |
LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 26.07.2021; Aktenzeichen L 10 KR 347/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Juli 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob für die Zeit vom 1.12.2014 bis 30.9.2019 geleistete Zahlungen einer Pensionskasse der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) unterliegen.
Der 1934 geborene Kläger ist seit 1.1.2011 als Rentner bei der Beklagten in der GKV und bei der Beigeladenen in der sPV pflichtversichert. Er bezieht eine Rente der DRV Bund und eine Altersrente der Pensionskasse der Rechtsanwälte und Notare VVaG H. Nachdem die Pensionskasse der Beklagten im Juli 2019 die Rentenzahlungen seit 1.1.1999 gemeldet hatte, machte die Beklagte unter Berücksichtigung von Verjährungsvorschriften rückständige Beiträge ab 1.12.2014 iHv insgesamt 8814,68 Euro geltend, die nicht verwirkt seien (Bescheid vom 28.10.2019; Widerspruchsbescheid vom 21.1.2020).
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Gelsenkirchen vom 19.3.2021, Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26.7.2021). Zur Begründung seines Beschlusses hat das LSG auf das Urteil des SG Bezug genommen, dessen Gründe im Tatbestand wiedergegeben und ergänzend darauf hingewiesen, dass die Zahlungen der Pensionskasse unzweifelhaft Versorgungsbezüge nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V seien. Die Versorgungseinrichtung sei auf Rechtsanwälte und Notare beschränkt und der Kläger sei in der gesamten Einzahlungsphase als Rechtsanwalt tätig gewesen. Es komme nicht darauf an, ob die Pensionskasse öffentlich- oder privatrechtlich organisiert sei, aufgrund gesetzlicher Verpflichtung oder freiwillig geschaffen worden sei und ob die Mitgliedschaft auf gesetzlicher Verpflichtung, zwingender Satzungsregelung oder freiwilliger Entscheidung beruhe.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf und fähig ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN).
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger mit aufgeworfenen "Fragen der Wirksamkeit von § 229 SGB V (Verstoß gegen Artikel 3 GG)" eine konkret formulierte Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) gestellt hat. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
Selbst wenn aufgrund der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit der Erhebung von Beiträgen auf Bezüge der Pensionskasse eine Rechtsfrage zur Vereinbarkeit von Bundesrecht mit höherrangigem Recht unterstellt würde, ist deren notwendige Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargetan.
Für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer verfassungsrechtlichen Frage gilt, dass sich die Begründung nicht auf eine bloße Berufung von Normen des GG beschränken darf, sondern unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG ausführen muss, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden (BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 KR 95/18 B - juris RdNr 5 mwN). Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehene Norm des GG zu benennen (BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - juris RdNr 5 mwN).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Das Vorbringen des Klägers erschöpft sich im Wesentlichen darin, einen Verstoß des § 229 Abs 1 Nr 3 SGB V gegen Art 3 Abs 1 GG zu behaupten. Er setzt sich aber nicht mit dem Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes und seiner Ausprägung durch das BVerfG auseinander. So wird schon nicht deutlich, welche Gruppen von Versicherten der Kläger konkret gegenüberstellt, um die geltend gemachte Ungleichbehandlung zu begründen. Er erwähnt die "normale Rente einer Lebensversicherung" sowie die "Sozialversicherungsrente" (S 4 der Beschwerdebegründung) und meint, die Leistungen der Pensionskassen unterschieden sich nicht von einer "Feld- und Wiesen" Lebensversicherung. Er macht jedoch nicht hinreichend deutlich, welche wesentlichen Sachverhaltsmerkmale für eine Ungleichbehandlung sprechen. Im Übrigen fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (zB BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 2/16 R - BSGE 124, 195 = SozR 4-2500 § 229 Nr 22), auf die in der Berufungsentscheidung, teilweise durch die Bezugnahme auf die wörtlich zitierten Entscheidungsgründe des SG, zum Teil ausdrücklich Bezug genommen wird (BSG Urteil vom 8.10.2019 - B 12 KR 2/19 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 28 RdNr 19 mwN; BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 6/14 R - SozR 4-2500 § 255 Nr 2). Der Kläger erwähnt zwar die Entscheidung des BVerfG vom 27.6.2018 (1 BvR 100/15, 1 BvR 249/15 - SozR 4-2500 § 229 Nr 27) setzt sich mit dieser aber nicht auseinander. Insbesondere erklärt er nicht, inwiefern trotz dieser Entscheidung im vorliegenden Fall weiterer Klärungsbedarf hinsichtlich der Vereinbarkeit des § 229 Abs 1 Nr 3 SGB V mit Art 3 Abs 1 GG verbleibt.
Auch sofern der Kläger sinngemäß die Frage nach der Anwendbarkeit von § 229 Abs 1 Nr 3 SGB V auf Leistungen einer von einigen Rechtsanwälten privat gegründeten Pensionskasse stellt, fehlt es an hinreichenden Darlegungen dazu, inwieweit der Wortlaut des § 229 Abs 1 Nr 3 SGB V und die hierzu bereits ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung noch Klärungsbedarf lassen. Es fehlt auch diesbezüglich an jeglicher Auseinandersetzung mit der bereits ergangenen umfangreichen Rechtsprechung.
Im Wesentlichen rügt der Kläger die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG. Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = juris RdNr 9).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Heinz U. Waßer Padé
Fundstellen
Dokument-Index HI15092152 |