Verfahrensgang

SG Mainz (Entscheidung vom 23.06.2021; Aktenzeichen S 7 KR 14/20)

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 05.05.2022; Aktenzeichen L 5 KR 153/21)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Mai 2022 (L 5 KR 153/21) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 2.1.2020, mit dem Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab dem 1.1.2020 festgesetzt wurden. Zudem begehrt er von der Beklagten Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Kläger war bis zum 28.1.2014 über seine Ehefrau bei der Beklagten familienversichert. Die seit 29.1.2014 durchgeführte obligatorische Anschlussversicherung stornierte die Beklagte im September 2020 zugunsten der rückwirkenden Fortsetzung der Familienversicherung bis zum 30.4.2015. Seit 1.5.2015 ist der Kläger bei der BARMER familienversichert. Die Beklagte erklärte den Beitragsbescheid vom 2.1.2020 für gegenstandslos und stornierte alle Beiträge sowie Kosten und Gebühren (Schreiben vom 23.9.2020).

Der Kläger hielt die am 16.1.2020 gegen den Bescheid vom 2.1.2020 erhobene Klage aufrecht und machte anstelle der zunächst beantragten Beitragsfestsetzung in angemessener Höhe nunmehr Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung geltend. Mit diesen Begehren ist er vor dem SG (Gerichtsbescheid vom 23.6.2021) und vor dem LSG (Urteil vom 5.5.2022) erfolglos geblieben, weil sich der angefochtene Bescheid inzwischen erledigt habe und die Versicherung rückwirkend zum 30.4.2015 beendet worden sei. Die auf Gewährung von Leistungen gerichtete Klageänderung sei unzulässig.

Der Kläger beantragt Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil des LSG unter Beiordnung eines Rechtsanwalts.

II

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Die Durchsicht der Akten und die Würdigung des Vorbringens des Klägers haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Revisionszulassungsgrundes ergeben, der die Bewilligung von PKH rechtfertigen könnte. Nach § 160 Abs 2 SGG darf das BSG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3).

1. Es ist nicht ersichtlich, dass ein Prozessbevollmächtigter im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darlegen oder bezeichnen könnte. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Fall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten ist - Klärungsfähigkeit - (vgl hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 6 mwN). Dass die angefochtene Entscheidung des LSG eine abstrakt-generelle klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) mit Breitenwirkung aufwerfen würde, ist nicht zu erkennen.

Auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags wird nicht ersichtlich, dass eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden könnte. Der Kläger stützt sich darauf, dass er die Fragebögen der Beklagten vollständig ausgefüllt und rechtzeitig zurückgesandt habe. Es beständen zwar begründete Zweifel an der richtigen Berechnung der monatlichen Beitragshöhe, er habe aber die freiwillige Versicherung nicht gekündigt und eine Aufnahme in die Familienversicherung der BARMER nicht beantragt. Dazu sei auch kein Verwaltungsakt ergangen. Mit dem angefochtenen Bescheid verwehre die Beklagte ihm grundsätzlich den Zugang zur medizinischen Versorgung. Eine rückwirkende Beendigung der obligatorischen Krankenversicherung und die rückwirkende Begründung der Familienversicherung sowie die Stornierung der Beiträge, Kosten und Gebühren seien rechtswidrig.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird daraus schon deshalb nicht ersichtlich, weil Beginn und Ende der Familienversicherung keiner Feststellung durch einen Verwaltungsakt der Krankenkasse bedürfen. Vielmehr tritt die Familienversicherung kraft Gesetzes zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, und sie endet mit deren Wegfall. Dies ist durch die Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt (vgl zB BSG Urteil vom 7.12.2000 - B 10 KR 3/99 R - SozR 3-2500 § 10 Nr 19) und wird auch von der Literatur nicht in Frage gestellt (vgl zB Felix in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 10 SGB V Stand: 22.7.2022, RdNr 8). Auch zur Unzulässigkeit der Klage lässt sich mangels Rechtsschutzbedürfnis des Klägers eine grundsätzliche Bedeutung nicht darlegen. Die Familienversicherung bietet den Versicherten den vollen Versicherungsschutz ohne Beitragsbelastung und ist daher gegenüber der obligatorischen Krankenversicherung, zu der jedenfalls Mindestbeiträge zur freiwilligen Krankenversicherung zu zahlen sind, für die Versicherten günstiger. Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger durch die rückwirkende Beendigung der obligatorischen Krankenversicherung sowie die Stornierung aller Beiträge, Kosten und Gebühren einen Nachteil erlitten hätte, da nach den Feststellungen des LSG die Familienversicherung für ihn zunächst bei der Beklagten und lückenlos anschließend bei der BARMER durchgeführt wurde. Für eine Verwehrung des Zugangs zur medizinischen Versorgung fehlen jegliche Anhaltspunkte.

2. Hinweise darauf, dass das Berufungsurteil iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung des BSG oder des GmSOGB oder des BVerfG abweichen würde, sind ebenfalls nicht erkennbar.

3. Schließlich ist auch ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen könnte, nicht zu erkennen. Selbst wenn ein solcher vorläge, ist nach der - verfassungsrechtlich gebilligten - ständigen Rechtsprechung aller obersten Gerichtshöfe des Bundes (vgl BSG Beschluss vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - SozR 4-1500 § 73a Nr 2 RdNr 4 ff mwN) im Verfahren der PKH-Bewilligung ein über die unmittelbare Erfolgsaussicht des konkret angestrebten Rechtsmittels hinaus erweiterter Beurteilungsspielraum eröffnet, der es erlaubt, eine öffentlich-rechtliche Unterstützung bei der Beschreitung des Rechtswegs auch dann zu verweigern, wenn der Antragsteller in der Sache letztlich ohne Erfolg bleiben muss. Die soziale Vergünstigung der PKH soll nämlich - jedenfalls primär - dazu dienen, den mittellosen Prozessbeteiligten die Möglichkeit zu geben, materielle Ansprüche durchzusetzen. Zumindest bei Verfahrensfehlern ist daher grundsätzlich nicht nur auf die unmittelbare Erfolgsaussicht der beabsichtigten Beschwerde abzustellen, sondern auch darauf, ob die Rechtsverfolgung insgesamt Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (vgl etwa BSG Beschluss vom 23.1.1998 - B 13 RJ 261/97 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - SozR 4-1500 § 73a Nr 2 RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 9.5.2007 - B 12 KR 1/07 B - juris RdNr 3 mwN). Daher ziehen selbst schwere Verfahrensfehler nicht zwingend die Bewilligung von PKH nach sich, wenn das Klagebegehren offensichtlich haltlos ist und ohne jeden Rückhalt im Gesetz verfolgt wird.

So liegt es hier, weil die Rechtsverfolgung des Klägers mangels Beschwer mutwillig erscheint.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab.

Heinz

Padé

Waßer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15615660

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