Verfahrensgang
SG Dresden (Entscheidung vom 03.02.2021; Aktenzeichen S 47 KR 382/18) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 15.12.2021; Aktenzeichen L 1 KR 81/21) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2021 (L 1 KR 81/21) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Beitragsfestsetzung zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) für die Zeit ab 1.7.2016.
Der Kläger war als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger freiwilliges Mitglied der zu 1. beklagten Krankenkasse (im Folgenden: Beklagte) und ist dort seit 1.7.2016 als Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versichert. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, seine selbständige Tätigkeit sei seit dem 1.7.2016 nur noch als nebenberufliche Tätigkeit einzuordnen. Neben den unmittelbar durch den Rentenversicherungsträger einbehaltenen Beiträgen aus der Rente seien aktuell auf das aus der nebenberuflich selbstständigen Tätigkeit erzielte Einkommen wegen dessen geringer Höhe keine Beiträge zu entrichten (vorläufiger Bescheid vom 10.3.2017). Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte - auch im Namen der zu 2. beklagten Pflegekasse - zurück (Widerspruchsbescheid vom 9.4.2018). Sie verfügte mit dem während des Klageverfahrens erlassenen Bescheid vom 25.2.2019, dass für die Zeit vom 1.7.2016 bis zum 31.12.2017 endgültig und für die Zeit ab 1.1.2018 aktuell, dh vorläufig keine Beiträge zu entrichten seien.
Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, er übe keine nebenberufliche selbstständige Tätigkeit aus, sondern sei arbeitsunfähig. Wegen seines Arbeitsunfalls habe die zuständige Berufsgenossenschaft die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu übernehmen. Das SG hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert sei. Diese entsprächen im Übrigen auch den gesetzlichen Vorgaben (Gerichtsbescheid vom 3.2.2021). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das SG sei mangels Beschwer des Klägers zutreffend von der Unzulässigkeit der Klage ausgegangen. Nur der Verfügungssatz, nach dem für die Zeit ab 1.7.2016 keine Beiträge zu entrichten seien, entfalte Bindungswirkung (Urteil vom 15.12.2021).
Der Kläger beantragt mit einem von ihm selbst verfassten Schreiben vom 20.1.2022 Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil des LSG und die Beiordnung eines Fachanwalts.
II
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Durchsicht der Akten und die Würdigung des Vorbringens des Klägers haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Revisionszulassungsgrundes ergeben, der die Bewilligung von PKH rechtfertigen könnte. Nach § 160 Abs 2 SGG darf das BSG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3).
1. Es ist nicht ersichtlich, dass eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden könnte, auch wenn im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde ein Rechtsanwalt in Anspruch genommen würde. Dass die angefochtene Entscheidung des LSG eine abstrakt-generelle klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) mit Breitenwirkung aufwerfen würde, ist nicht zu erkennen.
2. Hinweise darauf, dass das Berufungsurteil iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung des BSG oder des GmSOGB oder des BVerfG abweichen würde, sind ebenfalls nicht erkennbar.
3. Dem Kläger ist PKH auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zu bewilligen. Es kann hier dahinstehen, ob ein solcher vorliegt. Nach der - verfassungsrechtlich gebilligten - ständigen Rechtsprechung aller obersten Gerichtshöfe des Bundes (vgl BSG Beschluss vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - SozR 4-1500 § 73a Nr 2 RdNr 4 ff mwN) ist im Verfahren der PKH-Bewilligung ein über die unmittelbare Erfolgsaussicht des konkret angestrebten Rechtsmittels hinaus erweiterter Beurteilungsspielraum eröffnet, der es erlaubt, eine öffentlich-rechtliche Unterstützung bei der Beschreitung des Rechtsweges auch dann zu verweigern, wenn der Antragsteller in der Sache letztlich ohne Erfolg bleiben muss. Die soziale Vergünstigung der PKH soll nämlich - jedenfalls primär - dazu dienen, den mittellosen Prozessbeteiligten die Möglichkeit zu geben, materielle Ansprüche durchzusetzen. Zumindest bei Verfahrensfehlern ist daher grundsätzlich nicht nur auf die unmittelbare Erfolgsaussicht der beabsichtigten Beschwerde abzustellen, sondern auch darauf, ob die Rechtsverfolgung insgesamt Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (vgl etwa BSG Beschluss vom 23.1.1998 - B 13 RJ 261/97 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - SozR 4-1500 § 73a Nr 2 RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 9.5.2007 - B 12 KR 1/07 B - juris RdNr 3 mwN). Daher ziehen selbst schwere Verfahrensfehler, die nach der Rechtsordnung grundsätzlich eine Möglichkeit zur Korrektur eröffnen können, weil ihr Vorliegen bereits vermuten lässt, dass die Entscheidung darauf beruhen könnte, nicht zwingend die Bewilligung von PKH nach sich, wenn das Klagebegehren offensichtlich haltlos ist und ohne jeden Rückhalt im Gesetz verfolgt wird. Dementsprechend findet auch Art 6 Abs 1 EMRK, der grundsätzlich auch bei der Entscheidung über die Gewährung von PKH in den Blick zu nehmen ist, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ≪EGMR≫ keine Anwendung, wenn sich für das geltend gemachte Recht keinerlei vertretbare Grundlage im zugrundeliegenden nationalen Recht anführen lässt (BSG Beschluss vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - SozR 4-1500 § 73a Nr 2 RdNr 5 f unter Hinweis auf EGMR, L.B../. Österreich, Urteil vom 18.4.2002, Nr 39802/98 mwN).
So liegt es hier. Mangels Beschwer des Klägers erscheint seine Rechtsverfolgung mutwillig. Nach den angefochtenen Bescheiden hat der Kläger für die Zeit ab 1.7.2016 keine Beiträge zu entrichten. Weitere Bescheide sind nicht angefochten, sodass der Kläger mit der Klage keine für ihn günstigere Rechtsposition erreichen kann.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab.
Heinz Padé U. Waßer
Fundstellen
Dokument-Index HI15459343 |