Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Anwaltspflicht zur eigenverantwortlichen Fristprüfung bei Vorlage der Handakten zur Anfertigung der Revisionsbegründung. Fristversäumnis
Orientierungssatz
Werden dem Prozessbevollmächtigten die Handakten zur Vorfrist einer beabsichtigten Rechtsmittelbegründung vorgelegt, hat er in eigener Verantwortung festzustellen, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten wurde (vgl BGH vom 24.10.2001 - VIII ZB 19/01 = VersR 2002, 1391; BGH vom 5.11.2002 - VI ZB 40/02 = NJW 2003, 437). Allerdings muss die - anhand der Akte vorzunehmende - Prüfung nicht sofort erfolgen. Sie kann auch am nächsten Tag vorgenommen werden. Sie darf jedoch nicht zurückgestellt werden, bis der Anwalt die eigene Bearbeitung der Sache - ggf am letzten Tag der Frist - vornimmt (vgl BGH vom 24.10.2001 - VIII ZB 19/01 aaO).
Normenkette
SGG § 67 Abs. 1, § 73 Abs. 4 S. 1, § 164 Abs. 2 S. 2; ZPO § 85 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren, Fahrkosten für die Teilnahme an von der Beklagten gefördertem Rehabilitationssport erstattet zu erhalten, in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 23.8.2007, dem Kläger zugestellt am 18.10.2007, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Der Kläger hat am 12.11.2007 Revision eingelegt und diese mit Schreiben vom 21.12.2007, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 24.12.2007, begründet. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist trägt der Kläger vor, seine Prozessbevollmächtigten hätten Rechtsreferendarin S. mit der selbstständigen Fristenberechnung und Überwachung betraut. Sie sei langjährig im Rahmen eines Nebentätigkeitsverhältnisses in der Anwaltskanzlei beschäftigt, habe sich stets als sehr zuverlässig erwiesen, ohne dass die regelmäßigen Kontrollen je Grund zu Beanstandungen gegeben hätten. Ausgehend von einer E-Mail vom 23.10.2007 habe sie als Zustellungsdatum den 22.10.2007 angenommen und daraufhin das Fristende mit dem 24.12.2007 berechnet. Zur von ihr notierten Vorfrist 17.12.2007 sei die Akte vorgelegt und die Revisionsbegründung anschließend gefertigt und am 21.12.2007 zur Post gegeben worden.
Entscheidungsgründe
Die nicht in der gesetzlichen Frist begründete Revision ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 169 Satz 2 und 3 SGG). Nach § 164 Abs 2 Satz 1 SGG ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Der Kläger hätte mithin seine Revision, die er rechtzeitig gegen das ihm am 18.10.2007 mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung zugestellte LSG-Urteil eingelegt hat, bis zum Ablauf des 18.12.2007 begründen müssen. Dem genügt die erst am 24.12.2007 beim BSG eingegangene Revisionsbegründungsschrift nicht.
Dem Kläger ist auch nicht antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren (§ 67 Abs 1 SGG). Die Voraussetzung hierfür, nämlich dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, ist nicht erfüllt. Der Kläger hat schuldhaft die Revisionsbegründungsfrist versäumt, da er sich das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 73 Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 85 Abs 1 ZPO). Sie haben schuldhaft das Ende der Frist nicht selbst ermittelt. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers durften sich nicht allein auf die Eintragung der Revisionsbegründungsfrist durch die Rechtsreferendarin im Fristenkalender verlassen, als ihnen die Akten entsprechend der eingetragenen Vorfrist am 17.12.2007 vorgelegt wurden. Insoweit bedarf es keiner Vertiefung, in welchen Fällen es bei der Berechnung der Revisionsbegründungsfrist um eine einfache, in dem Büro der Prozessbevollmächtigten geläufige Frist geht, deren Berechnung grundsätzlich einer geschulten und zuverlässigen Bürokraft übertragen werden kann (vgl dazu einerseits BGHZ 43, 148; BVerwGE 27, 36; BFHE 94, 433 und andererseits BAGE 26, 384) . Wird - wie hier - dem Prozessbevollmächtigten die Sache zur Vorfrist einer beabsichtigten Rechtsmittelbegründung vorgelegt, hat er in eigener Verantwortung festzustellen, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten wurde (vgl zB BGH VersR 2002, 1391; BGH, NJW 2003, 437) . Allerdings muss die - anhand der Akte vorzunehmende - Prüfung nicht sofort erfolgen. Sie kann auch am nächsten Tag vorgenommen werden. Sie darf jedoch nicht zurückgestellt werden, bis der Anwalt die eigene Bearbeitung der Sache - ggf am letzten Tag der Frist - vornimmt (BGH VersR 2002, 1391) .
Hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aber entsprechend diesen Anforderungen am 17. oder 18.12.2007 das Fristende selbst und eigenverantwortlich überprüft, hätte er den Fehler noch rechtzeitig entdecken und entweder die Revisionsbegründung oder einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist (§ 164 Abs 2 Satz 2 SGG) rechtzeitig beim BSG einreichen können. Indem der Prozessbevollmächtigte des Klägers diese Prüfung unterließ, hat er die bei Vorlage der Akten auf Vorfrist bestehende Verpflichtung verletzt, verantwortlich zu prüfen, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen