Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Kostenentscheidung. subjektive Klagehäufung. Kostenprivileg
Orientierungssatz
Ist bei einem Streit mit einheitlichem Streitgegenstand in einer Instanz ein kostenrechtlich Privilegierter Hauptbeteiligter, greift - auch bei subjektiver Klagehäufung mit einem nicht Kostenprivilegierten - die Regelung für Kostenprivilegierte ein (vgl BSG vom 29.5.2006 - B 2 U 391/05 B = SozR 4-1500 § 193 Nr 3 RdNr 12 ff; BSG vom 6.10.2014 - B 9 BL 1/14 B = juris RdNr 12).
Normenkette
SGG § 183 S. 1, § 193 Abs. 1, § 197a
Verfahrensgang
SG Heilbronn (Entscheidung vom 07.07.2015; Aktenzeichen S 11 KR 1904/14) |
LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 16.02.2017; Aktenzeichen L 5 KR 3413/15) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Der Kläger zu 1. war der Ehemann und ist Sonderrechtsnachfolger der am 23.12.2014 ihrem Krebsleiden (Adenokarzinom des gastroösophagealen Übergangs) erlegenen, bei der beklagten Krankenkasse versichert gewesenen L. A. (im Folgenden: Versicherte). Die Kläger zu 2. und zu 3. sind die Kinder der Versicherten. Die Versicherte beantragte bei der Beklagten erfolglos, die Kosten einer stationären Behandlung in der H. Klinik GmbH & Co KG, B., zu übernehmen. Ihre von den Klägern nach ihrem Tod fortgeführte Klage auf Erstattung der Behandlungskosten iHv 6860 Euro ist bei SG und LSG erfolglos gewesen. Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, die Kläger zu 2. und 3. seien als Rechtsnachfolger schon nicht prozessführungsbefugt, weil der Kläger zu 1. Sonderrechtsnachfolger sei. Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers zu 1. setze einen entsprechenden Sachleistungsanspruch voraus. Hieran fehle es. Zum Zeitpunkt der Behandlung sei die H. Klinik entgegen § 39 Abs 1 S 2 SGB V kein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus gewesen. Die Voraussetzungen des § 2 Abs 1a S 1 SGB V lägen nicht vor, weil allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen noch zur Verfügung gestanden hätten. Die stationäre Behandlung in der H Klinik sei auch nicht unaufschiebbar gewesen. Eine gewillkürte Kostenerstattung (§ 13 Abs 2 SGB V) scheitere am Fehlen der vorherigen Zustimmung (Beschluss vom 16.2.2017).
Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss.
II. Die Beschwerde der Kläger ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Daran fehlt es.
Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen (vgl zB BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - Juris RdNr 3 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG Beschluss vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 25.4.2006 - B 1 KR 97/05 B - Juris RdNr 6; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Ein Beweisantrag muss unzweifelhaft erkennen lassen, dass eine weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen für erforderlich gehalten wird. Der Tatsacheninstanz soll durch einen solchen Antrag vor der Entscheidung vor Augen geführt werden, dass der Kläger die gerichtliche Sachaufklärungspflicht in einem bestimmten Punkt noch nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion. Eine solche Warnfunktion fehlt bei Beweisantritten, die in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind, und ihrem Inhalt nach lediglich als Anregungen zu verstehen sind, wenn sie nach Abschluss von Amts wegen durchgeführter Ermittlungen nicht mehr zu einem bestimmten Beweisthema als Beweisantrag aufgegriffen werden; eine unsubstantiierte Bezugnahme auf frühere Beweisantritte genügt nicht (vgl zum Ganzen BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21).
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn das LSG - wie hier - von der ihm durch § 153 Abs 4 S 1 SGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der in einem solchen Fall den Beteiligten gegenüber bekanntgegebenen Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter auch entnehmen, dass das LSG keine weitere Sachaufklärung mehr beabsichtigt und dass es etwaige schriftsätzlich gestellte Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen, nicht aber als förmliche Beweisanträge im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ansieht. Nach Zugang der Anhörungsmitteilung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten oder neue Beweisanträge stellen will, innerhalb der vom LSG gesetzten Frist diesem ausdrücklich die Aufrechterhaltung dieser Anträge mitteilen oder neue förmliche Beweisanträge stellen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52; BSG Beschluss vom 6.6.2001 - B 2 U 117/01 B - Juris RdNr 2; BSG Beschluss vom 27.12.2011 - B 13 R 253/11 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 16.1.2013 - B 1 KR 25/12 B - Juris RdNr 5).
Das Beschwerdevorbringen legt einen Verfahrensmangel nicht in diesem Sinne dar. Der Begründung der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, dass die anwaltlich vertretenen Kläger nach der Anhörungsmitteilung einen Beweisantrag gestellt haben. Die Kläger verweisen in der Beschwerdebegründung lediglich auf einen in der "Klagebegründung vom 25.08.2014 gestellten Antrag gemäß § 109" sowie darauf, dass eine "ärztliche Stellungnahme des behandelnden Onkologen" hätte eingeholt werden müssen. Auf eine Verletzung von § 109 SGG kann der Verfahrensmangel im Übrigen ohnehin nicht gestützt werden.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG. Das folgt aus dem Regelungssystem der Kostenentscheidungen nach § 193 SGG und § 197a SGG. Danach gilt grundsätzlich entweder das System für kostenrechtlich privilegierte Beteiligte (§ 183 S 1, §§ 184 bis 195 SGG) oder das System für die sonstigen Beteiligten (§ 197a SGG; GKG; §§ 154 bis 162 VwGO). Ist - wie hier - bei einem Streit mit einheitlichem Streitgegenstand in einer Instanz ein kostenrechtlich Privilegierter Hauptbeteiligter (hier der Kläger zu 1.), greift - auch bei subjektiver Klagehäufung mit einem nicht Kostenprivilegierten (hier die Kläger zu 2. und 3.) - die Regelung für Kostenprivilegierte ein (vgl BSG SozR 4-1500 § 193 Nr 3 RdNr 12 ff; BSG Beschluss vom 6.10.2014 - B 9 BL 1/14 B - Juris RdNr 12; bei objektiver Klagehäufung vgl aber BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 31 f; BSG SozR 4-1500 § 197a Nr 4).
Fundstellen
Dokument-Index HI10862056 |