Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 10.12.2019; Aktenzeichen S 163 U 856/14) |
LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 01.08.2022; Aktenzeichen L 21 U 15/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. August 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit vorbezeichnetem Beschluss hat das LSG einen Anspruch der Klägerin auf Verletztenrente aufgrund dreier Banküberfälle in den Jahren 1994, 1998 und 1999 verneint, die sie als Hauptkassiererin erlitten hat. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat sie Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung macht sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG) geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht formgerecht begründet ist (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG). Die Zulassungsgründe der Grundsatzbedeutung (dazu A.) und des Vorliegens von Verfahrensfehlern (dazu B.) sind entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht hinreichend dargelegt bzw bezeichnet.
A. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin eine Rechtsfrage formulieren, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit und (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (BSG Beschlüsse vom 21.2.2023 - B 2 U 100/22 B - juris RdNr 3; vom 9.8.2022 - B 2 U 23/22 B - juris RdNr 3; vom 12.7.2022 - B 2 U 11/22 B - juris RdNr 6; vom 30.7.2019 - B 2 U 239/18 B - juris RdNr 2; vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 5 und vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 5; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Kriterien vgl zB BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Sie stellt folgende Fragen:
1. "Muss ein Landessozialgericht, bevor es eine Berufung durch Beschluss zurückweist, das Sach- und Streitverhältnis erörtern und erklären, warum es die Berufung für nicht begründet und die mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält und die in Ausübung des Ermessens angestellten Erwägungen darstellen, wenn es die Beteiligten zu seiner Absicht, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, anhört?" (Bl 30 Beschwerdebegründung)
2. "Welche Anforderungen stellt § 153 Abs. 4 S. 2 SGG an die vorherige Anhörung der Beteiligten?" (Bl 30 Beschwerdebegründung)
3. "Muss ein Landessozialgericht, wenn es von einem ihm durch das Gesetz eingeräumte(n) Ermessen, über eine Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, Gebrauch macht, seine Erwägungen und Einschätzungen so darlegen, dass ausgeschlossen werden kann, dass seine Entscheidung auf sachfremden Erwägungen und groben Fehleinschätzungen beruht?" (Bl 37 Beschwerdebegründung)
4. "Ist, wenn das Prozessrecht einem Gericht ein Ermessen einräumt, das Gericht aber in der Begründung seiner Entscheidung nicht zu erkennen gibt, dass es sich bewusst war, dass es sich bei der Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelte und es auch seine Einschätzungen und die bei der Ermessensausübung angestellten Erwägungen nicht wiedergibt, davon auszugehen, dass das Gericht kein Ermessen ausgeübt hat?" (Bl 38 f Beschwerdebegründung)
5. "Oder ist - wenn mangels Begründung der Ermessensentscheidung grobe Fehleinschätzungen und sachfremde Erwägungen nicht ausgeschlossen werden können - solange davon auszugehen, dass das Gericht das ihm eingeräumte Ermessen ermessensfehlerfrei ausgeübt hat, solange seine Entscheidung im Ergebnis noch vertretbar ist?" (Bl 39 Beschwerdebegründung)
6. "Ist eine mündliche Verhandlung im sozialgerichtlichen Berufungsverfahren noch erforderlich, wenn das Landessozialgericht noch nicht auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder eines Teiles davon hingewirkt hat und es auch nicht ausgeschlossen oder unwahrscheinlich ist, dass es in einer mündlichen Verhandlung noch zu einer gütlichen Einigung kommt?" (Bl 40 Beschwerdebegründung)
Damit ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht schlüssig dargetan. Es fehlen insbesondere hinreichende Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschlüsse vom 9.8.2022 - B 2 U 23/22 B - juris RdNr 6; vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 8 und grundlegend vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Ebenso kann der Klärungsbedarf durch die Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesgerichts entfallen (BSG Beschlüsse vom 9.8.2022 - B 2 U 23/22 B - juris RdNr 6 und vom 7.12.2017 - B 5 R 246/17 B - juris RdNr 9; BVerwG Beschlüsse vom 6.3.2006 - 10 B 80/05 - juris RdNr 5 und vom 16.11.2007 - 9 B 36/07 - juris RdNr 11). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG sowie ggf der einschlägigen Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet ist (BSG Beschlüsse vom 9.8.2022 - B 2 U 23/22 B - juris RdNr 6; vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 8 und vom 7.12.2017 - B 5 R 246/17 B - juris RdNr 9). Hieran fehlt es.
Soweit die Klägerin im Rahmen der ersten Frage mit der ersten Teilfrage erfahren möchte, ob das LSG das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten dialogisch erörtern muss, bevor es im vereinfachten Beschlussverfahren entscheidet, geht sie mit keinem Wort auf den Senatsbeschluss vom 13.10.1993 (2 BU 79/93 - SozR 3-1500 § 153 Nr 1) ein, wonach das Berufungsgericht - ebenso wie in der mündlichen Verhandlung - nicht verpflichtet ist, die Beteiligten in der Anhörungsmitteilung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte darzulegen (aaO S 3; vgl auch BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35 RdNr 14 für den Fall einer Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil; Bienert, NZS 2012, 885, 890). Denn das Anhörungsverfahren soll die mündliche Verhandlung lediglich ersetzen, aber nicht überkompensieren (vgl dazu BVerfG Beschluss vom 5.11.1986 - 1 BvR 706/85 - BVerfGE 74, 1 = juris RdNr 16 zu Art 1 Nr 7 des Gesetzes zur Entlastung des BFH; Burkiczak in jurisPK-SGG, Stand 27.3.2023, § 153 RdNr 134; ders, NVwZ 2016, 806, 810). Ist die erste Teilfrage der ersten Frage somit anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu verneinen und damit bereits entschieden, hätte die Klägerin aufzeigen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung ggf widersprochen wird bzw inwiefern die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist (BSG Beschluss vom 21.11.1983 - 9a BVi 7/83 - SozR 1500 § 160 Nr 51) oder welche neuen erheblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die zu einer Neubetrachtung der bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und eine anderweitige Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (BSG Beschlüsse vom 30.11.2022 - B 7 AS 19/22 B - juris RdNr 3; vom 10.11.2021 - B 1 KR 62/21 B - juris RdNr 8 und grundlegend vom 30.9.1992 - 11 BAr 47/92 - SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 mwN). Entsprechende Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht.
Dasselbe gilt für die zweite Teilfrage der ersten Frage sowie für die dritte, vierte und fünfte Frage, die sich teilweise überschneiden und alle in dieselbe Richtung zielen. Mit ihnen möchte die Klägerin im Kern geklärt wissen, ob das LSG seine Ermessenserwägungen darlegen und erläutern muss, warum es die Berufung für unbegründet und die mündliche Verhandlung für entbehrlich hält, bevor es im vereinfachten Beschlussverfahren entscheidet. In diesem Kontext setzt sich die Klägerin aber weder mit dem Beschluss des BVerwG vom 13.12.1983 (9 B 1387/82 - NVwZ 1984, 792 = juris RdNr 5 zu Art 2 § 5 Abs 1 Entlastungsgesetz) noch mit der einhelligen Literaturmeinung (Burkiczak in jurisPK-SGG, Stand 27.3.2023, § 153 RdNr 132; ders, NVwZ 2016, 806, 810; Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 6. Aufl 2012, RdNr 421; Jungeblut in BeckOK Sozialrecht, Stand 1.3.2023, § 153 RdNr 25; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 153 RdNr 19; Krasney/Udsching/Groth/Meßling, SGVerf-HdB, 8. Aufl 2022, Kap VIII RdNr 75 f; Sommer in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Aufl 2023, § 153 RdNr 35; Wagner in Hennig, SGG, Oktober 2011, § 153 RdNr 76) auseinander, wonach die Anhörungsmitteilung - mit Blick auf den intendierten Entlastungs- und Beschleunigungszweck (vgl dazu BT-Drucks 12/1217, S 53; Fock in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl 2020, § 153 RdNr 21) - keine Ausführungen dazu enthalten muss, weswegen das Berufungsgericht im Beschlusswege entscheiden möchte.
Bezüglich der sechsten Frage lässt die Klägerin offen, inwiefern das LSG gerade im Fall einer unbegründeten Berufung verpflichtet sein könnte, auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte hinzuwirken und warum aus § 202 Satz 1 SGG iVm § 278 Abs 1 ZPO folgen könnte, dass ein Vorgehen im Beschlussweg nach § 153 Abs 4 SGG erst nach einem Einigungsversuch oder gerichtlichen Vergleichsvorschlag zulässig sein könnte. Dass die Beantwortung dieser Probleme umstritten (BSG Beschlüsse vom 2.3.1976 - 12/11 BA 116/75 - SozR 1500 § 160 Nr 17 und vom 14.8.1981 - 12 BK 15/81 - SozR 1300 § 13 Nr 1) und die Fragen deshalb im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig sein könnten, behauptet die Beschwerdebegründung nicht.
Schließlich ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache mit der zweiten Frage schon deshalb nicht dargetan, weil sie nicht mit einem einfachen "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann, wie dies grundsätzlich erforderlich ist (zuletzt Senatsbeschlüsse vom 9.8.2022 - B 2 U 23/22 B - juris RdNr 5 und vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B - juris RdNr 11; BSG Beschlüsse vom 27.5.2020 - B 1 KR 8/19 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 40 RdNr 5; vom 27.1.2020 - B 8 SO 67/19 B - juris RdNr 10; vom 19.6.2018 - B 1 KR 87/17 B - BeckRS 2018, 17001 RdNr 6; vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10 und vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7; s auch BFH Beschluss vom 25.9.2018 - III B 160/17 - BeckRS 2018, 29960 RdNr 23 sowie BAG Beschluss vom 23.1.2007 - 9 AZN 792/06 - BAGE 121, 52 = juris RdNr 5 f). Die Frage ist vielmehr so allgemein gehalten, dass an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge nicht geprüft werden können. Derart offene bzw öffnende Fragen sollen den Befragten veranlassen, möglichst umfassend, ausführlich und detailliert (zB in Form einer Normkommentierung, eines Rechtsgutachtens oder sonstigen Metatextes) zu antworten. Das BSG ist jedoch als Rechtsprechungsorgan nicht dazu berufen, abstrakte juristische Fragen kommentar- oder lehrbuchartig aufzubereiten bzw rechtsgutachterlich zu klären und losgelöst von der konkreten "Rechtssache" wie auch immer geartete "Anforderungen … an die vorherige Anhörung der Beteiligten" aufzustellen.
B. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist - außer im Fall absoluter Revisionsgründe - aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Beschlusses besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf die Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Verstöße gegen § 153 Abs 4 Satz 1 SGG und die damit verbundene Besetzungsrüge (§ 33 Abs 1 Satz 2 iVm § 12 Abs 1 Satz 2, § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO) sind nicht hinreichend bezeichnet. Nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Soweit die Klägerin geltend macht, diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt gewesen, hätte sie zumindest darlegen müssen, dass das SG entweder durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) entschieden oder die erforderliche Einstimmigkeit gefehlt oder die notwendige Überzeugung, eine mündliche Verhandlung sei entbehrlich, in Wahrheit nicht vorgelegen habe (BSG Beschluss vom 26.3.2012 - B 5 R 454/11 B - BeckRS 2012, 68751 RdNr 7). Hieran fehlt es. Stattdessen trägt die Klägerin selbst vor, dass das SG durch Urteil entschieden habe und die Berufungsrichter im angefochtenen Beschluss ausdrücklich festgehalten hätten, die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich zu halten. Ist somit schon keine Verletzung des § 153 Abs 4 Satz 1 SGG dargetan, ist ebenfalls nicht aufgezeigt, dass das LSG vorschriftswidrig besetzt war.
Wenn die Klägerin darüber hinaus rügt, die vorgenannte Kurzbegründung des LSG für sein Vorgehen im vereinfachten Beschlussverfahren sei unzulänglich, ist damit einen Verstoß gegen § 136 Abs 1 Nr 6 iVm § 128 Abs 1 Satz 2 SGG ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet. Gemäß § 136 Abs 1 Nr 6 SGG enthält das Urteil die Entscheidungsgründe; in dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 128 Abs 1 Satz 2 SGG). Folglich muss aus den Entscheidungsgründen lediglich ersichtlich sein, auf welchen tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen die Entscheidung in der Sache beruht, dh welche Rechtsnormen angewendet worden sind und welche ihrer Tatbestandsmerkmale aufgrund welcher Überlegungen vorliegen bzw nicht vorliegen (BSG Urteil vom 15.11.1988 - 4/11a RA 20/87 - SozR 1500 § 136 Nr 10 S 12 mwN). Dass und warum im Fall der Klägerin ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, zeigt die Beschwerdebegründung nicht schlüssig auf.
Die Klägerin legt auch nicht schlüssig dar, dass und inwieweit die Anhörungsmitteilung vom 25.2.2022 ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt habe könnte. Wie sich aus Seite 12 der Beschwerdebegründung ergibt, hat das LSG die Beteiligten in der Anhörungsmitteilung darüber informiert, es halte "die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und auf der Grundlage der vorliegenden medizinischen Gutachten einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich." Der Senat beabsichtige "daher, die Berufung gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz durch Beschluss - ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter - zurückzuweisen." Die Beteiligten erhielten "Gelegenheit zur Stellungnahme". Damit hat das Berufungsgericht unmissverständlich verlautbart, es erwäge, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu Ungunsten der Berufungsklägerin zu entscheiden. Gleichzeitig ist der rechtskundig vertretenen Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt worden, hierzu Stellung zu nehmen. Weitergehende Anforderungen an den Inhalt einer Anhörungsmitteilung verlangt § 153 Abs 4 Satz 2 SGG nicht (vgl BSG Urteile vom 25.11.1999 - B 13 RJ 25/99 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 9 S 27 und vom 22.4.1998 - B 9 SB 19/97 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 7 S 19 sowie Beschluss vom 16.3.1994 - 9 BV 151/93 - juris RdNr 3; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 153 RdNr 19; Littmann in Lüdtke/Berchtold, SGG, 6. Aufl 2021, § 153 RdNr 33; Sommer in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Aufl 2023, § 153 RdNr 35; vgl ähnlich zur gleichlautenden Regelung des § 130a iVm § 125 Abs 2 Satz 3 VwGO: zB BVerwG Urteil vom 21.3.2000 - 9 C 39/99 - BVerwGE 111, 69, 73 f sowie Beschlüsse vom 17.7.2003 - 1 B 140/03 - juris RdNr 2 und vom 21.12.1993 - 6 B 76/92 - NVwZ-RR 1994, 362, wonach eine ordnungsgemäße Anhörung im Beschlussverfahren nach § 130a VwGO voraussetzt, dass die gerichtliche Anhörungsmitteilung unmissverständlich erkennen lässt, wie das Berufungsgericht zu entscheiden beabsichtigt). Denn die Anhörung soll der Berufungsklägerin Gelegenheit geben, sich in der Sache selbst zu äußern und etwaige Bedenken bzw (sachdienliche) Einwände gegen eine Entscheidung im vereinfachten Beschlussverfahren (ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter) vorzutragen (vgl BSG Urteil vom 21.6.2001 - B 7 AL 94/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 14 S 45 und Beschlüsse vom 31.7.2012 - B 13 R 179/12 B - BeckRS 2012, 72336 RdNr 7 sowie vom 9.4.2003 - B 5 RJ 140/02 B - juris RdNr 8). Dass das LSG der Klägerin diese Möglichkeiten vorenthalten haben könnte, behauptet sie nicht.
Überdies rügt die Beschwerdebegründung die rechtsfehlerhafte Anwendung von Beweislastgrundsätzen, weil das LSG die angeblich überlange Verfahrensdauer nicht im Rahmen von Beweiserleichterungen berücksichtigt habe. Damit macht sie indes keinen Verfahrensfehler (error in procedendo), sondern die materiell-rechtliche Unrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses (error in iudicando) geltend, mit der die Revisionszulassung nicht erreicht werden kann (BSG Beschluss vom 17.7.2015 - B 11 AL 32/15 B - juris RdNr 9). Soweit die Klägerin die überlange Verfahrensdauer isoliert moniert und Verstöße gegen Art 6 Abs 1 EMRK und sinngemäß auch gegen Art 19 Abs 4 Satz 1 GG geltend macht, verkennt sie, dass die Rüge einer überlangen Verfahrensdauer zumindest seit Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜberlVfRSchG) vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) weder zur Revisionszulassung noch zur Zurückverweisung (§ 160a Abs 5 SGG) führen kann (BSG Beschluss vom 21.5.2013 - B 14 AS 315/12 B - juris RdNr 6). Jedenfalls setzt sich die Beschwerdebegründung schon nicht mit der veränderten Rechtslage auseinander (vgl BSG Beschluss vom 22.1.2020 - B 9 SB 46/19 B - juris RdNr 7 mwN).
Wenn die im Berufungsverfahren rechtskundig vertretene Klägerin auf ihre kardiologischen Probleme hinweist, die sie auf die Banküberfälle zurückführt, und rügt, dass kein "Kardiologe mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt" worden sei, lässt sie die besonderen Anforderungen der Sachaufklärungsrüge (§ 103 SGG) unbeachtet, deren Bezugspunkt zwingend ein "Beweisantrag" sein muss (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Die Beschwerdebegründung behauptet indes nicht, die Klägerin habe nach Erhalt der Anhörungsmitteilung (§ 153 Abs 4 Satz 2 SGG) einen prozessordnungskonformen Beweisantrag - im hier maßgeblichen Sinn der ZPO (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 402 ZPO ff) - erstmals gestellt oder wiederholt und damit bis zum Ende des Berufungsverfahrens aufrechterhalten (vgl dazu grundlegend BSG Beschluss vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52).
Soweit die Klägerin schließlich rügt, das LSG habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt, weil es den angefochtenen Bescheid vom 3.9.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.12.2014 überraschenderweise anders als das SG auslege und "die Klage, soweit sie die Überfälle aus den Jahren 1996 [gemeint: 1994] und 1998 und deren Folgen betrifft, für unzulässig" halte, ohne ein Prozessurteil zu erlassen, ist auch diese Gehörsrüge nicht schlüssig bezeichnet. Denn aus der Beschlussbegründung, die die Beschwerde komplett wiedergibt, geht hervor, dass das LSG die "Banküberfälle aus dem Jahr 1994 und 1998" deshalb nicht als Arbeitsunfälle anerkannt hat, weil "ein Gesundheitserstschaden … nicht dokumentiert" sei. Insofern schließt sich das LSG den - in der Beschwerdebegründung auf Seite 8 zitierten - Ausführungen des SG an, welches nicht feststellen konnte, "dass bei der Klägerin betreffend alle aufgeführten Überfallereignisse jeweils ein psychischer Erstschaden im Sinne einer PTBS (ICD-10 F 43.1) vorgelegen hat." Dass das LSG die Klage dennoch für unzulässig gehalten haben könnte, zeigt die Beschwerdebegründung weder schlüssig auf noch ist dies sonst erkennbar.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15745108 |