Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 18.04.2018; Aktenzeichen L 3 SB 908/16) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 12.02.2016; Aktenzeichen S 15 SB 6031/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. April 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von wenigstens 50 anstelle von bisher 40. Dieses Begehren hat das LSG mit Urteil vom 18.4.2018 verneint. Die Behinderung im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" sei allenfalls mit einem Einzel-GdB von 40 zu beurteilen. Entgegen der Ansicht der Sachverständigen Dr. Heilmann und Dr. Kummer sei hierfür kein Einzel-GdB von 50 zu vergeben. Unter Berücksichtigung dieses Einzel-GdB-Wertes lasse sich der Gesamt-GdB nicht höher als mit 40 feststellen. Denn insoweit lägen beim Kläger keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen mit relevanten Einzel-GdB-Werten vor.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht als Zulassungsgründe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 25.7.2018 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger hält sinngemäß folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
Darf im Sozialgerichtsverfahren durch den erkennenden Spruchkörper von einer Mehrzahl an übereinstimmenden Gutachten abgewichen werden, ohne seine abweichende Auffassung durch ein weiteres Gutachten überprüfen zu lassen?
Damit hat er jedoch bereits keine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet. Vielmehr zielt die Fragestellung auf die Klärung und Bewertung von Tatsachen ab und beinhaltet im Kern letztlich eine Frage der Beweiswürdigung und der Sachaufklärung. Die Zulassung der Revision kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG aber nicht mit der Behauptung verlangt werden, das LSG habe gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung verstoßen. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Beschwerde ausdrücklich eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG geltend macht, sondern auch dann, wenn sie ihre Angriffe gegen die Beweiswürdigung des LSG in das Gewand einer Grundsatzrüge zu kleiden versucht. Entsprechendes gilt für die Sachaufklärungsrüge. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG ist die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein Beschwerdeführer kann diese gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrügen in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG - soweit sie reichen - nicht dadurch erfolgreich umgehen, dass er die Rügen in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung kleidet (vgl BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 1 KR 65/17 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 25.10.2017 - B 1 KR 18/17 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 7.6.2016 - B 13 R 40/16 B - Juris RdNr 6). Der Kläger zeigt nicht auf, dass es hier um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung geht, bei der die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrügen nicht greifen. So betreffen die Ausführungen des Klägers in der Beschwerdebegründung auch nur die aus seiner Sicht fehlerhaften tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des LSG in seinem Einzelfall. Aber selbst wenn man die von dem Kläger formulierte Frage in eine Rechtsfrage "umdeuten" könnte und wollte, hat er es unterlassen, die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellung darzulegen. Er geht nicht darauf ein, inwieweit die Frage bereits durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt sei. Der Kläger behauptet nicht einmal, dass es Rechtsprechung des BSG zu dieser Fragestellung nicht gebe.
2. Der Kläger hat auch den geltend gemachten Verfahrensmangel des Verstoßes gegen das faire Verfahren nicht in der gebotenen Weise bezeichnet.
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensfehler kann aber nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG nicht - wie oben bereits ausgeführt - auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden. Letzteres ist hier aber der Fall, soweit der Kläger dem LSG in der Beschwerdebegründung vorwirft, es gehe von "falschen Tatsachengrundlagen" aus, und er deshalb mit der Auswertung und Würdigung der vorliegenden Sachverständigengutachten durch das Berufungsgericht nicht einverstanden ist (vgl BSG Beschluss vom 10.1.2005 - B 1 KR 69/03 B - Juris RdNr 8). Auf Mängel in der Beweiswürdigung kann die Nichtzulassungsbeschwerde zudem selbst dann nicht gestützt werden, wenn offensichtliche Widersprüche zwischen der Folgerung des Gerichts und der Aussage des Sachverständigen vorliegen sollten (vgl BSG Beschluss vom 25.10.2017 - B 1 KR 18/17 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 8.10.1992 - 13 BJ 89/92 - Juris RdNr 5).
Soweit der Kläger rügt, das LSG hätte "ein weiteres Sachverständigengutachten" in Auftrag geben müssen, wendet er sich gegen die Sachaufklärung des Berufungsgerichts. Auf den Verfahrensfehler einer unterlassenen Sachaufklärung (§ 103 SGG) kann er sich aber schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil er keinen bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhaltenen Beweisantrag benannt hat, den das LSG übergangen haben könnte (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG; zu den Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge s hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 21.12.2017 - B 9 SB 70/17 B - Juris RdNr 3).
Die gesetzlichen Beschränkungen des Rechtsmittels der Nichtzulassungsbeschwerde können - wie oben bereits dargestellt - nicht dadurch umgangen werden, dass die Rügen einer fehlerhaften Beweiswürdigung und einer mangelnden Sachaufklärung als eine Verletzung des Gebots des Grundsatzes des fairen Verfahrens bezeichnet werden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12112335 |