Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Hausärztlich tätiger Internist. Einbeziehung in die Vorschriften über das Praxisbudget
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der gesetzlichen Einbeziehung der hausärztlich tätigen Internisten in die Vorschriften über die Praxisbudgets und die Festsetzung des Kostensatzes für diese Arztgruppe als einer der Faktoren der Berechnung des arztgruppenbezogenen Praxisbudgets bedürfen keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie ist zu einem Teil auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BSG zu beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte, zum anderen Teil kommt ihr keine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu.
2. Es bedarf keiner Entscheidung im Revisionsverfahren, sondern liegt auf der Hand, dass Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben, in den Geltungsbereich der Vorschriften des EBM-Ä über die Praxisbudgets einbezogen werden dürfen.
3. Das BSG hat bereits die rechtlichen Maßstäbe dargestellt, nach denen die Entscheidung des Bewertungsausschusses hinsichtlich der Festsetzung des Kostensatzes als Teil der ihm obliegenden Normsetzung nach § 87 Abs 2 SGB V gerichtlich zu prüfen ist (vgl. BSGE 89, 259). Es besteht keine Notwendigkeit, die Frage, ob der Bewertungsausschuss diese Maßstäbe hinsichtlich jeder einzelnen Arztgruppe beachtet hat, in einem Revisionsverfahren zu entscheiden.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3; SGB V § 73 Abs. 1a S. 1 Nr. 3, § 87 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 8. April 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I
Der als hausärztlicher Internist zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger greift die Honorarbescheide der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) für die Quartale III/1997, IV/1997 und III/1998 an. Er wendet sich vor allem dagegen, dass die Arztgruppe der hausärztlich tätigen Internisten im Gegensatz zu anderen Internistengruppen den seit dem 1. Juli 1997 geltenden Vorschriften über das Praxisbudget unterliegt, und beanstandet die Höhe der Fallpunktzahlen für das Praxisbudget seiner Arztgruppe. Den in die Budgetberechnung eingestellten Kostensatz von 60,10 % für die hausärztlichen Internisten hält er für fehlerhaft. Diesem Kostensatz sei als Basiszeitraum das Jahr 1994 zu Grunde gelegt worden; eine Arztgruppe der hausärztlich tätigen Internisten habe es in diesem Jahr nicht gegeben.
Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verwiesen, wonach Einführung und Ausgestaltung der Praxisbudgets im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für die vertragsärztlichen Leistungen in der seit dem 1. Juli 1997 geltenden Fassung (EBM-Ä) nicht zu beanstanden seien. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bewertungsausschuss die ihm generell bei der Normsetzung zukommende Gestaltungsfreiheit bei der Festsetzung des Kostensatzes für die Arztgruppe der hausärztlichen Internisten überschritten habe (Urteil vom 8. April 2003).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, im Rechtsstreit seien Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), und rügt eine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.
Soweit die Beschwerde auf den Zulassungsgrund der Divergenz gestützt ist, ist sie unzulässig. Insoweit genügt ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Wird eine Rechtsprechungsabweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG als Zulassungsgrund geltend gemacht, muss die behauptete Divergenz entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG durch Gegenüberstellung miteinander unvereinbarer Rechtssätze im Berufungsurteil und in einer höchstrichterlichen Entscheidung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG “bezeichnet” werden. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie bezeichnet insbesondere keinen Rechtssatz des berufungsgerichtlichen Urteils, mit dem das LSG von den Rechtssätzen abgewichen sein soll, die die Beschwerdebegründung dem Senatsurteil vom 15. Mai 2002 – B 6 KA 33/01 R – (BSGE 89, 259 ff = SozR 3-2500 § 87 Nr 34) entnimmt.
In der Beschwerdebegründung wird ausgeführt, das LSG verkenne, “daß das Bundessozialgericht durchaus – trotz des normativen Charakters der Festlegungen – eine strengere gerichtliche Kontrolle fordert, die sich darauf erstrecken soll, ob der Bewertungsausschuß bei der Festlegung der Kostensätze für alle Arztgruppen nach denselben Maßstäben verfahren ist und – in inhaltlicher Hinsicht, ob seine Festsetzung frei von Willkür ist”. Das LSG hätte daher, “würde es dem Bundessozialgericht folgen wollen, eine Prüfung dahingehend vornehmen müssen, ob eine bezogen auf das Jahr 1994 ordnungsgemäße Kostenermittlung bei den hausärztlichen Internisten vorgenommen wurde. Stattdessen hält das Landessozialgericht es für belanglos, daß es die hausärztlich internistisch tätigen Ärzte in dem entscheidenden Jahr 1994 überhaupt noch nicht gab”. Damit rügt der Kläger allenfalls, dass das LSG die Grundsätze, die der Senat in dem zitierten Urteil vom 15. Mai 2002 hinsichtlich der Prüfung der Festsetzung des Kostensatzes durch den Bewertungsausschuss entwickelt hat (BSGE aaO S 263 ff = SozR 3 aaO S 191 ff), auf den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt der hausärztlichen Internisten unzutreffend oder unzureichend angewandt habe. Mit dem Vortrag, das Berufungsgericht habe die Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht, nicht vollständig oder nicht zutreffend beachtet, wird eine Divergenz jedoch nicht hinreichend bezeichnet.
Soweit der Kläger rügt, im Rechtsstreit seien Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, ist die Beschwerde zulässig, aber nicht begründet. Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen der Rechtmäßigkeit der Einbeziehung der hausärztlich tätigen Internisten in die Vorschriften über die Praxisbudgets und die Festsetzung des Kostensatzes für diese Arztgruppe als einer der Faktoren der Berechnung des arztgruppenbezogenen Praxisbudgets bedürfen keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Teilweise sind sie auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte, zum anderen Teil kommt ihnen keine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu.
Die Regelungen über die Praxis- und Zusatzbudgets in der ab 1. Juli 1997 geltenden Fassung des EBM-Ä, die mit Ablauf des 30. Juni 2003 außer Kraft getreten sind, waren bereits mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des Senats, der sie nicht nur von der Rechtsgrundlage her (§ 87 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 2a Satz 1, 2 und 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫), sondern – soweit er sich damit befasst hat – auch der Höhe nach als rechtmäßig beurteilt hat (BSGE 89, 259, 263 = SozR 3-2500 § 87 Nr 34 S 190, BSGE 86, 16, 19 ff = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 118 ff; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 30 S 160 ff). Es bedarf keiner Entscheidung im Revisionsverfahren, sondern liegt auf der Hand, dass Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die iS des § 73 Abs 1a Nr 3 SGB V die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben, in den Geltungsbereich der Vorschriften des EBM-Ä über die Praxisbudgets einbezogen werden dürfen. Nach § 73 Abs 1a SGB V idF des Art 1 Nr 33 Buchst b, Art 35 Abs 1 des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266), die bis zum 31. Dezember 1999 und damit in dem hier zu beurteilenden Zeitraum gegolten hat, nehmen an der hausärztlichen Versorgung Ärzte für Allgemeinmedizin und Ärzte ohne Gebietsbezeichnung teil. Kinderärzte und Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung wählen, ob sie an der hausärztlichen oder an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen. Soweit diese bereits am 1. Januar 1993 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, treffen sie ihre Wahl bis zum 31. Dezember 1995. Daraus kann entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht geschlossen werden, 1994 habe es keine hausärztlich tätigen Internisten gegeben. Alle Internisten, die nach Inkrafttreten des GSG am 1. Januar 1993 zugelassen worden sind, haben sich von vornherein für die haus- oder fachärztliche Tätigkeit entscheiden müssen. Zahlreiche seit Jahren niedergelassene Internisten sind stets nur hausärztlich tätig gewesen. Eine Rechtfertigung dafür, die hausärztlichen Internisten viereinhalb Jahre nach der Entscheidung des Gesetzgebers für die Aufteilung der vertragsärztlichen Versorgung in eine hausärztliche und eine fachärztliche Versorgung nicht in das für die große Mehrzahl der Arztgruppen eingeführte System der Praxisbudgets einzubeziehen, ist nicht ersichtlich. Ebenso spricht nichts für eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der hausärztlichen gegenüber den fachärztlichen Internisten, für die keine Praxisbudgets festgesetzt worden sind. Soweit diese eine Schwerpunktbezeichnung führen, müssen sie ganz überwiegend in dem gewählten Teilgebiet tätig sein. Sie erbringen demgemäß überwiegend spezielle Leistungen (zB in der Pneumologie, der Endokrinologie oder der Gastroenterologie). Darin liegt ein wesentlicher Unterschied sowohl gegenüber Hausärzten wie auch gegenüber solchen Fachärzten, die – wie zB Gynäkologen und Augenärzte – ein gesamtes Fachgebiet abdecken und insoweit Grundleistungen wie Spezialleistungen erbringen müssen.
Damit entfällt weiterhin teilweise die Klärungsbedürftigkeit der vom Kläger zusätzlich aufgeworfenen Frage, ob der Kostensatz als ein wesentliches Element der Berechnung der Fallpunktzahlen des Praxisbudgets für die Arztgruppe der hausärztlichen Internisten zutreffend mit 60,10 % festgesetzt worden ist. Der Kläger beanstandet das in erster Linie mit der Begründung, dass es im Referenzzeitraum 1994 keine Arztgruppe der hausärztlichen Internisten gegeben habe. Das trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu und ist im Übrigen rechtlich unerheblich. Da im fraglichen Zeitraum eine größere Gruppe von Internisten aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen nur hausärztlich tätig war, standen hinreichend gesicherte Daten über die Kostenstruktur derartiger hausärztlicher internistischer Praxen zur Verfügung. Damit war es dem Bewertungsausschuss ohne weiteres möglich, vergleichbar den anderen Arztgruppen auch für die hausärztlichen Internisten den durchschnittlichen Praxiskostensatz festzulegen.
Ob der Bewertungsausschuss dies für die Arztgruppe der hausärztlich tätigen Internisten konkret zutreffend getan hat, bedarf nicht der Entscheidung in einem Revisionsverfahren. Der Senat hat in dem bereits mehrfach zitierten Urteil vom 15. Mai 2002 (BSGE 89, 259 = SozR 3-2500 § 87 Nr 34) die rechtlichen Maßstäbe dargestellt, nach denen die Entscheidung des Bewertungsausschusses hinsichtlich der Festsetzung des Kostensatzes als Teil der ihm obliegenden Normsetzung nach § 87 Abs 2 SGB V gerichtlich zu prüfen ist. Es besteht keine Notwendigkeit, die Frage, ob der Bewertungsausschuss diese Maßstäbe hinsichtlich jeder einzelnen Arztgruppe beachtet hat, in einem Revisionsverfahren zu entscheiden. Es ist weder ersichtlich noch vom Kläger dargetan, dass über seinen Einzelfall hinaus zahlreiche Streitverfahren hausärztlich tätiger Internisten anhängig sind, in denen über die Richtigkeit der Festsetzung des Kostensatzes für diese Arztgruppe gestritten wird.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Absätze 1 und 4 SGG in der am 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung.
Fundstellen