Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 29.01.2018; Aktenzeichen L 16 KR 803/)

SG Aachen (Entscheidung vom 13.09.2017; Aktenzeichen S 1 KR 45/17)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Januar 2018 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren, ihm eine ambulante Kur zu gewähren, bei der Beklagten und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, die medizinischen Voraussetzungen eines Anspruchs auf ambulante Vorsorge an einem Kurort (§ 23 Abs 2 S 1 SGB V) seien nicht erfüllt. Gegen das ihm am 27.9.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.10.2017 beim SG zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle "Beschwerde" erhoben und erklärt, er beantrage "unter Übergehung der Berufungsinstanz die Zulassung der Revision. … Die Begründung und die Zustimmung des Gegners reiche ich nach." Die Beklagte hat die Zustimmung nicht erteilt. Der Kläger hat auf Anregung des SG "die Sprungrevision … zurückgenommen" und Berufung eingelegt (5.12.2017). Das LSG hat die Berufung als unzulässig verworfen: Er habe sie nicht innerhalb der Berufungsfrist eingelegt. Eine neue Berufungsfrist hätte nur zu laufen begonnen, wenn das SG die Zulassung der Sprungrevision aufgrund eines form- und fristgerechten Antrags unter Beifügung der Zustimmungserklärung des Gegners abgelehnt hätte. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist scheide aus (Beschluss vom 29.1.2018).

Der Kläger begehrt, ihm für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen.

II

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn ua die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es.

Der Kläger kann aller Voraussicht nach mit seinem Begehren auf Zulassung der Revision nicht durchdringen, weil es keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Nach Durchsicht der Akten fehlen auch unter Würdigung seines Vorbringens Anhaltspunkte dafür, dass er einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte.

1. Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Insbesondere sind die Anforderungen an das Ermessen des LSG, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden (vgl § 158 S 2 SGG), höchstrichterlich geklärt (vgl nur BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 7 RdNr 6 ff mwN; BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 7 ff).

2. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend bewusst von Rspr des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

3. Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Danach ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass das LSG zu Unrecht durch Prozessurteil statt in der Sache entschieden hat (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 55 S 73; BSG SozR 4-1500 § 156 Nr 1 RdNr 4; BSG Beschluss vom 5.4.2018 - B 1 KR 102/17 B - Juris RdNr 9). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das LSG die Berufung des Klägers zu Unrecht wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen hat. Der Kläger hat gegen das ihm am 27.9.2017 zugestellte SG-Urteil nicht innerhalb der bis zum 27.10.2017 laufenden einmonatigen Frist (§ 151 Abs 1 SGG) Berufung eingelegt, sondern erst am 5.12.2017. Die Frist hatte mit der Zustellung des SG-Urteils zu laufen begonnen, weil dessen Rechtsbehelfsbelehrung nicht unterblieben oder unrichtig im Sinne von § 66 Abs 2 SGG ist. Sie muss keinen Hinweis darauf enthalten, dass eine Sprungrevision nur in den Fällen des § 160 Abs 2 Nr 1 oder 2 SGG zulässig ist (§ 161 Abs 2 SGG; vgl BSG SozR 1500 § 66 Nr 6). Es fehlt jeder Anhalt dafür, dass der Kläger bereits am 20.10.2017 Berufung eingelegt hat (zur Auslegung von Prozesserklärungen vgl nur BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 6 mwN). Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist (§ 67 Abs 1 SGG) sind nach Durchsicht der Akten und unter Würdigung des klägerischen Vorbringens nicht ersichtlich. Der Kläger hat beim SG eine Zustimmungserklärung der Beklagten zur Einlegung der Sprungrevision nicht innerhalb der Berufungsfrist eingereicht. Es ist nichts dafür erkennbar, dass er hieran aus Gründen gehindert gewesen wäre, die er nicht zu vertreten hat.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11799786

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