Verfahrensgang

SG Bayreuth (Entscheidung vom 02.07.2018; Aktenzeichen S 7 R 306/18)

Bayerisches LSG (Urteil vom 05.02.2019; Aktenzeichen L 19 R 444/18)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Februar 2019 Prozesskostenhilfe zu gewähren und einen Rechtsanwalt der F. Rechtsanwälte B. GbR, L., B., beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I

Der Kläger hat zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen LSG vom 5.2.2019 zunächst mit einer am 21.2.2019 beim BSG eingegangenen, nicht den Anforderungen des § 65a Abs 3 und 4 SGG entsprechenden E-Mail sowie nach Hinweis des Senats mit einem von ihm selbst unterzeichneten Telefax vom 15.7.2019, beim BSG eingegangen am selben Tag, die Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Vor dem LSG hatte er sinngemäß beantragt, die Beklagte unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide sowie des seine Klage abweisenden Gerichtsbescheids des SG Bayreuth zu verurteilen, die Feststellung seiner vollen Erwerbsminderung und das Gutachten vom 10.6.2008 aufzuheben. Das LSG hat die Berufung als unzulässig verworfen, da sie ausschließlich mittels an das SG gerichteter E-Mail eingelegt worden sei, die jedoch weder qualifiziert signiert gewesen sei noch auf einem sicheren Übermittlungsweg iS des § 65a Abs 4 SGG übermittelt worden sei. Auf dieses Formerfordernis sei der Kläger in der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Gerichtsbescheids sowie nach Eingang der Berufungsschrift durch gesonderte E-Mail des SG hingewiesen worden.

Ausgangspunkt dieses sowie vorangegangener Rechtsstreite ist ein Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 24.6.2008. Seinem "Antrag auf Frührente wegen seelischer Störung" (Bl 15 VA) hatte der Kläger das Gutachten vom 10.6.2008 beigefügt. Dieses Gutachten ist auf Ersuchen des Amtsgerichts Bayreuth im Rahmen eines den Kläger betreffenden Betreuungsverfahrens im Bezirkskrankenhaus Bayreuth durch Dr H. erstellt und von der Beklagten zur Akte (Sonderheft "Ärztliche Unterlagen" Bl 5 bis 16) genommen worden. In der Folge hat es der Kläger noch mehrfach, zT unvollständig, an die Beklagte bzw an die seine Rechtsschutzbegehren bearbeitenden Gerichte übersandt, weshalb es sich wiederholt in der Verwaltungsakte der Beklagten findet. Den Rentenantrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.2.2009 ab, weil in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung keine Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden seien. Wörtlich wird weiter ausgeführt: "Bei diesem Sachverhalt ist nicht geprüft worden, ob eine teilweise bzw. eine volle Erwerbsminderung vorliegt" (Bl 73R VA). Nachfolgende, zunächst mit dem Ziel der Rentengewährung geführte Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sind ohne Erfolg geblieben. Jedenfalls seit Mai 2017 verfolgt der Kläger sein jetziges Begehren auf Aufhebung des Gutachtens vom 10.6.2008 auch gerichtlich (Urteil des Bayerischen LSG vom 10.5.2017 - L 19 R 893/12 - Bl 795 ff VA; nachfolgender, die Gewährung von PKH für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil ablehnender Beschluss des BSG vom 8.8.2017 - B 5 R 11/17 BH - juris).

II

Der Antrag auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen, weil die angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 ZPO).

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es im Falle des Klägers. Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist zu gewähren wäre und ob ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 2 und 4 SGG) mit einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend geregelten Zulassungsgründe darlegen bzw bezeichnen könnte. Denn die hinreichende Erfolgsaussicht ist bei der Prüfung, ob PKH für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen ist, nicht allein danach zu beurteilen, ob die angestrebte Beschwerde Aussicht auf Erfolg hat. Vielmehr ist PKH auch dann zu versagen, wenn der Antragsteller letztlich in der Sache nicht erreichen kann, was er mit dem Prozess erreichen will, wenn die Revision also im Falle ihrer Zulassung nicht zum Erfolg führen kann oder der Antragsteller selbst nach einer Zurückverweisung der Sache an das LSG unterliegen muss (stRspr, vgl ua BSG Beschluss vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - SozR 4-1500 § 73a Nr 2; BSG Beschluss vom 20.12.2016 - B 5 R 218/16 B - juris RdNr 4 mwN; BVerfG Beschluss vom 13.7.2005 - 1 BvR 1041/05 - SozR 4-1500 § 73a Nr 3). Zwar ist PHK für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bei besonders schweren Verfahrensfehlern grundsätzlich nicht mangels Erfolgsaussicht in der Hauptsache zu versagen, jedoch gilt dies nicht, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung in der Hauptsache offensichtlich haltlos ist (BSG Beschluss vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - SozR 4-1500 § 73a Nr 2 - juris RdNr 6 mwN). Von fehlender Erfolgsaussicht in diesem Sinne ist im vorliegenden Fall auszugehen. Deshalb ist es nicht entscheidend, dass das LSG über die Berufung des Klägers verhandelt und entschieden hat, obwohl die dem Kläger mittels Einschreiben mit Rückschein an eine Adresse in Spanien übersandte Ladung zur mündlichen Verhandlung am 5.2.2019 nicht zugegangen ist (zur Unanwendbarkeit der Regelungen über die Ersatzzustellung vgl nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 63 RdNr 9b mwN) und mangels Abholung durch den Kläger (zur Nichtbewirkung der Zustellung bei Hinterlegung des Einschreibens auf der Post ohne Abholung durch den Adressaten vgl Keller, aaO, RdNr 9a) nach Ablauf der Lagerungsfrist am 30.1.2019 wieder beim Bayerischen LSG einging.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 2.7.2018 kann - selbst im Falle der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG - keinen Erfolg haben, denn sie ist unzulässig. Nach Zustellung dieses Gerichtsbescheids wandte sich der Kläger zunächst mit mehreren E-Mails vom 12.7.2018 an das SG, mit denen er Absagen verschiedener Unternehmen auf seine Bewerbungen übersandte und die sich dem angegebenen Aktenzeichen nach auf ein zuvor vom SG abgetrenntes Verfahren um Schadensersatzansprüche bezogen. Mit weiterer E-Mail vom 19.7.2018 an das SG teilte der Kläger "noch mit, dass der Gerichtsbescheid, wo diese Verfahren abgetrennt wurde nicht unwidersprochen bleiben" könne. Dies hat das SG als Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 2.7.2018 angesehen und diese Nachricht dem LSG zugeleitet. Eine Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid wurde hierdurch jedoch nicht wirksam eingelegt. Zwar können schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten nach § 65a Abs 1 SGG auch als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden, doch müssen sie zu ihrer Rechtswirksamkeit bestimmten Formerfordernissen genügen. Insbesondere müssen diese Dokumente qualifiziert signiert (§ 65a Abs 3 Alt 1 SGG) oder signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg iS des § 65a Abs 4 SGG übermittelt worden sein (§ 65a Abs 3 Alt 2 SGG). Dies war bei den genannten Nachrichten des Klägers nicht der Fall, obwohl er auf die Formerfordernisse bei der Berufungseinlegung durch elektronisches Dokument in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Gerichtsbescheids hingewiesen worden ist. Zudem hat ihn das SG nach Eingang der Berufungsschrift durch gesonderte E-Mail vom 20.7.2018 nochmals auf diese Rechtmittelbelehrung verwiesen und ausgeführt, dass die Einlegung der Berufung durch die E-Mail vom 19.7.2018 nicht möglich sei.

Unabhängig von diesem Formmangel hat das Anliegen des Klägers auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Einen aufhebbaren, eine Erwerbsminderung des Klägers feststellenden Verwaltungsakt hat die Beklagte nicht erlassen. Vielmehr hat sie in dem Bescheid vom 13.2.2009 die vom Kläger beantragte Rente wegen Erwerbsminderung ausschließlich unter Berufung auf die fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt und ausdrücklich erklärt, das Vorliegen einer teilweisen bzw einer vollen Erwerbsminderung nicht geprüft zu haben. Auch andere nach außen gerichtete, ggf einem Widerruf zugängliche Erklärungen der Beklagten, wonach der Kläger erwerbsgemindert sei, sind nicht erkennbar. Eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Bestätigung des Nichtvorliegens einer Erwerbsminderung existiert nicht.

Ebenso wenig findet sich eine Rechtsgrundlage für das Begehren auf Aufhebung des Gutachtens vom 10.6.2008. Allenfalls käme ein Anspruch des Klägers auf Löschung dieses Gutachtens nach § 84 SGB X bzw auf dessen Entfernung aus den Akten der Beklagten in Betracht (vgl BSG Urteil vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1; BSG Urteil vom 11.4.2013 - B 2 U 34/11 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 4 RdNr 17 ff). Die Aufbewahrung des Gutachtens bei den Verwaltungsakten der Beklagten ist jedoch zulässig. Die Beklagte hat nach den Maßstäben des Sozialdatenschutzes zulässig gehandelt (§ 67c Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB X), als sie das Gutachten vom 10.6.2008 zur Erfüllung ihrer Aufgaben in die Verwaltungsakte einfügte, denn sie hatte auf Antrag des Klägers über das Bestehen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI) zu entscheiden (vgl auch BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2 RdNr 23; BSG Urteil vom 11.4.2013 - B 2 U 34/11 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 4 RdNr 19).

Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13500626

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