Verfahrensgang
SG Ulm (Entscheidung vom 28.10.2020; Aktenzeichen S 2 U 3362/18) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 14.12.2022; Aktenzeichen L 3 U 3811/20) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In der Hauptsache streiten die Beteiligten noch über die Anerkennung eines Karzinoms der linken Stimmlippe als Berufskrankheit nach Nr 4104 der Anlage 1 zur BKV (BK Nr 4104).
Die Beklagte lehnte die Anerkennung mangels röntgenologisch sichtbarer asbestbedingter Veränderungen an Lunge und im Bereich des Brustfells sowie der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaubdosis am Arbeitsplatz von 25 Faserjahren ab. Das SG hat die Klage nach Begutachtung gemäß § 109 SGG abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 28.10.2020), das LSG die Berufung nach weiteren Ermittlungen im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen (Urteil vom 14.12.2022).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht.
Mit dem Vortrag, das LSG habe weitere Ermittlungen nach § 106 SGG einholen müssen, nachdem sowohl die Asbestbelastung als auch die radiologischen Befunde streitig geblieben seien, macht der Kläger eine unzureichende Sachaufklärung (§ 103 SGG) geltend. Entsprechendes gilt für den Vortrag, das LSG habe dringend ein arbeitsmedizinisches Obergutachten einholen müssen, nachdem inzwischen neue Erkenntnisse zur Verdoppelung des Erkrankungsrisikos nach 4 bis 5 Asbestfaserjahren vorhanden seien. Um den Verfahrensmangel der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) ordnungsgemäß zu bezeichnen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG), muss die Beschwerdebegründung (1.) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen oder in der Entscheidung des LSG wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigen, die zur weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5.) erläutern, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann, das LSG also von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, wenn es das behauptete Ergebnis der unterlassenen Beweisaufnahme gekannt hätte (stRspr; zB BSG Beschluss vom 9.2.2023 - B 2 U 24/22 B - juris RdNr 12 mwN; BSG Beschluss vom 11.3.2021 - B 9 SB 51/20 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der vor dem LSG anwaltlich vertretene Kläger bezeichnet bereits keine formellen Beweisanträge, die den Erfordernissen des § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO genügen und die er im Verfahren vor dem LSG bis zuletzt aufrechterhalten hat oder die in der Entscheidung wiedergegeben werden. Der förmliche Beweisantrag hat Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung signalisieren, dass ein Beteiligter die gerichtliche Aufklärungspflicht noch für defizitär hält. Diese Warnfunktion verfehlen "Beweisantritte" und Beweisgesuche, die lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind (zB BSG Beschluss vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B - juris RdNr 17; BSG Beschluss vom 14.7.2021 - B 6 KA 42/20 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Dass der Kläger prozessordnungskonforme Beweisanträge gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten habe, legt die Beschwerdebegründung nicht hinreichend dar. Wird die Berufung - wie vorliegend - ohne mündliche Verhandlung durch Entscheidung nach § 124 Abs 2 SGG zurückgewiesen, tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG(BSG Beschluss vom 28.11.2022 - B 2 U 84/22 B - juris RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 29.9.2021 - B 9 SB 40/21 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 1.9.1999 - B 9 V 42/99 B - SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 4 f = juris RdNr 5) . Hierzu verhält sich die Beschwerdebegründung indes nicht. Soweit der Kläger im Zusammenhang mit der Berechnung der Asbestfaserjahre die zugrunde gelegte Dosierung von 25 Asbestfaserjahren rügt, lässt er zudem nicht erkennen, wieso eine geringere Dosierung nach dem Rechtsstandpunkt der Vorinstanz von Bedeutung sein könnte. Der weiterhin gerügte Verstoß gegen die Denkgesetze richtet sich vorrangig gegen eine unzutreffende Würdigung der präventionsdienstlichen Stellungnahmen. Dies betrifft die Beweiswürdigung iS von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG, die einer Rüge als Verfahrensfehler im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vollständig entzogen ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15946080 |