Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. August 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin Margarethe Maurer aus München beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der 2006 geborene Kläger begehrt in der Hauptsache eine Beschädigtenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 30 und eine Heilbehandlung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz wegen der als "Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) M." vom 22.7.2016 bekannt gewordenen Straftaten.
Diesen Anspruch hat das LSG mit Urteil vom 6.8.2019 verneint. Gegen den Kläger liege kein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff vor. Die bloße Verwirklichung eines Straftatbestandes und ein Angriff gegen Dritte ohne weitere Besonderheiten reichten für die Annahme eines tätlichen Angriffs iS des OEG nicht aus, auch wenn das Opfer angsterfüllt oder verzweifelt sei und zB seelische Gesundheitsschäden davontrage, was beim Kläger auch im Hinblick auf sein Alter nachvollziehbar sei. Die für einen Entschädigungsanspruch notwendige unmittelbare Schädigung des Klägers in psychischer Hinsicht durch die im OEZ verübten Gewalttaten liege nicht vor. Insbesondere habe er keinen psychischen Schaden in Form eines sog Schockschadens erlitten. Bei Auftreten von Schockschäden habe das BSG den gebotenen engen Zusammenhang zum einen bejaht, wenn das Sekundäropfer am Tatort unmittelbar Zeuge der Tat gewesen sei, als der seelische Schock eingetreten sei, was beim Kläger jedoch nicht der Fall gewesen sei. Entschädigungspflichtig sei zum anderen auch, wenn eine Person die Nachricht von der Ermordung eines nahen Angehörigen erhalte und dadurch einen Schock erleide. In einem solchen Falle bilde die Nachrichtenübermittlung eine natürliche Einheit mit dem Tatgeschehen, weswegen auch der Empfänger der Nachricht von dem besonders schrecklichen Geschehen nicht etwa nur mittelbar, sondern - wenn auch zeitlich versetzt - unmittelbar geschädigt werde, da erst der Erhalt der Nachricht von der Gewalttat gegen das Primäropfer ihm gegenüber das Ende der Gewalttat bilde. Hier sei aber eine schwere Straftat (wie die Tötung) gegen nahe Angehörige - glücklicherweise - nicht verübt worden, es sei keine Mitteilung von der Verübung einer schweren Straftat gegen die Familienangehörigen des Klägers an diesen erfolgt, sondern lediglich von einer solchen gegen weitere (fremde) Personen, woraufhin sich der Kläger Sorgen gemacht und lediglich vermutet habe, dass auch er oder seine Familienangehörigen (ggf später noch) Opfer werden könnten. An der Unmittelbarkeit fehle es aber bei der Übermittlung von Nachrichten über Gewalttaten durch die Medien an Personen ohne enge personale Beziehung zum Betroffenen. Es sei nicht ausreichend, wenn die Angehörigen von einem "Amoklauf" nur derart betroffen seien, dass sie sich in der Nähe des Tatorts aufhalten und ggf sogar psychische Beeinträchtigungen erleiden, ohne selbst Opfer physischer Gewalt zu werden, und wenn der Betroffene (Sekundäropfer) hiervon Kenntnis erhalte. Wie der Kläger selbst dargelegt habe, habe er gerade nicht durch die Kenntniserlangung davon, was die Eltern und die Schwester gleichzeitig im OEZ erlebt hatten, einen (Schock-)Schaden erlitten, sondern dieser sei durch die Ungewissheit, ob seine Familie ggf auch Opfer werden könnte bzw ob er seine Familie jemals wiedersehen würde, eingetreten. Bloße Befürchtungen sowie Ungewissheit und allgemeine Unsicherheit genügten jedoch - unabhängig von der Frage, inwieweit diese begründet seien - nicht, um die Unmittelbarkeit einer Schädigung des Betroffenen (in psychischer Hinsicht) durch die anderswo verübten Gewalttaten begründen zu können.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwältin M. aus M. beantragt. Er macht ausschließlich das Vorliegen einer Rechtsprechungsabweichung geltend.
II
1. Der Antrag des Klägers auf PKH ist abzulehnen.
Gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung - hier die Nichtzulassungsbeschwerde - hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier nicht der Fall. Schon aus diesem Grund kommt die Beiordnung seiner vorgenannten Prozessbevollmächtigten nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 9.12.2019 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet.
Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die in zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.
Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 25.10.2018 - B 9 V 27/18 B - juris RdNr 8 mwN).
Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger meint, die vom LSG in dem angefochtenen Urteil getroffenen Rechtssätze stünden nicht im Einklang mit den vom BSG aufgestellten Grundsätzen. Das Urteil des Berufungsgerichts stünde im Widerspruch zu den Entscheidungen des BSG vom 7.4.2011 (B 9 VG 2/10 R - BSGE 108, 97 = SozR 4-3800 § 1 Nr 18), vom 16.12.2014 (B 9 V 1/13 R - BSGE 118, 63 = SozR 4-3800 § 1 Nr 21), vom 8.8.2001 (B 9 VG 1/00 R - BSGE 88, 240 = SozR 3-3800 § 1 Nr 20) und vom 10.12.2002 (B 9 VG 7/01 R - BSGE 90, 190 = SozR 3-3800 § 1 Nr 23).
Der Kläger hat jedoch gerade bezogen auf diese BSG-Entscheidungen eine Divergenz nicht nachvollziehbar dargestellt. Denn das LSG stützt sich bei seiner Argumentation ausdrücklich auf die vorgenannten Urteile des BSG. So beruft sich das Berufungsgericht für seine Aussage, dass die bloße Verwirklichung eines Straftatbestandes und ein Angriff gegen Dritte ohne weitere Besonderheiten für die Annahme eines "tätlichen Angriffs" iS des OEG nicht ausreiche, auf das Urteil des BSG vom 7.4.2011 (aaO, RdNr 62). Für seine Behauptung, dass dies auch dann gelte, wenn das Opfer angsterfüllt oder verzweifelt sei und zB seelische Gesundheitsstörungen davon trage, stützt es sich auf das Urteil des BSG vom 16.12.2014 (aaO, RdNr 22). Für seine Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Notwendigkeit der Unmittelbarkeit der gesundheitlichen Schädigung des Opfers insbesondere auch in psychischer Hinsicht und speziell bei sog Schockschäden hat sich die Vorinstanz neben der vorgenannten BSG-Entscheidung vom 16.12.2014 (aaO) und dem in der Beschwerdebegründung zusätzlich erwähnten Urteil des BSG vom 7.11.1979 (9 RVg 1/78 - BSGE 49, 98 = SozR 3800 § 1 Nr 1) ua auch auf die vom Kläger als divergierend zitierten Entscheidungen des BSG vom 8.8.2001 (B 9 VG 1/00 R - BSGE 88, 240, 244 = SozR 3-3800 § 1 Nr 20 S 87 f) und vom 10.12.2002 (B 9 VG 7/01 R - BSGE 90, 190, 192 = SozR 3-3800 § 1 Nr 23 S 109) berufen.
Vor diesem Hintergrund hätte der Kläger für die Bezeichnung einer Abweichung iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG darlegen müssen, dass das LSG die von ihm ausdrücklich herangezogene Rechtsprechung des BSG im angefochtenen Urteil infrage stellt, was aber nicht schon dann der Fall ist, wenn es einen höchstrichterlichen Rechtssatz missverstanden oder übersehen und deshalb das Recht fehlerhaft angewendet haben sollte (stRspr, zB BSG Beschluss vom 24.7.2019 - B 5 R 31/19 B - juris RdNr 51; BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73). Deshalb hätte der Kläger in der Beschwerdebegründung vertieft darauf eingehen müssen, dass das LSG im angefochtenen Urteil nicht lediglich die Tragweite der höchstrichterlichen Rechtsprechung verkannt, sondern dieser Rechtsprechung bewusst einen eigenen Rechtssatz entgegengesetzt hat (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 16.2.2017 - B 9 V 48/16 B - juris RdNr 23; Senatsbeschluss vom 1.6.2015 - B 9 SB 10/15 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 9.5.2019 - B 10 EG 18/18 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 9.4.2019 - B 1 KR 40/18 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73; BSG Beschluss vom 27.1.1999 - B 4 RA 131/98 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f). Daran fehlt es. Im Kern kritisiert der Kläger letztlich nur eine - vermeintlich - falsche Rechtsanwendung des LSG durch Verkennung höchstrichterlich entwickelter Maßstäbe in dem konkret zu entscheidenden Rechtsstreit. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist aber nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl stRspr, zB BSG Beschluss vom 29.4.2019 - B 12 R 59/18 B - juris RdNr 14). Sein Vortrag geht daher über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Subsumtionsrüge nicht hinaus (vgl BSG Beschluss vom 8.11.2017 - B 13 R 229/17 B - juris RdNr 8).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13703831 |