Verfahrensgang
SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 18.10.2016; Aktenzeichen S 7 SB 2716/13) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 06.12.2018; Aktenzeichen L 6 SB 4054/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 6. Dezember 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
In der Hauptsache begehrt der Kläger die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung). Diesen Anspruch hat das LSG verneint, weil die Voraussetzungen nach den medizinischen Feststellungen nicht vorlägen. Eine derartige Gehbeeinträchtigung sei beim Kläger nicht gegeben, da er sich mit Hilfe eines Rollators zumindest über eine Gehstrecke von wenigen hundert Metern, jedenfalls zum Teil mit Anstiegen, fortbewegen könne und in gewissem Umfang auch Treppen nutzen und überwinden könne. Die wesentliche Limitierung sei in der erhöhten Konzentrationsanforderung und der eingeschränkten allgemeinen körperlichen Belastbarkeit zu sehen (Urteil vom 6.12.2018).
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, mit der er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend macht.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung vom 18.3.2019 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 6.7.2018 - B 10 EG 18/17 B - Juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
"Verstößt § 229 Abs. 3 SGB IX gegen Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG und somit gegen die subjektiven Rechte des Klägers auf Erlangung des Nachteilsausgleichs 'aG'?"
Er hat es allerdings versäumt, deren Klärungsbedürftigkeit aufzuzeigen.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 8.3.2018 - B 9 SB 93/17 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 24.3.2018 - B 12 R 44/17 B - Juris RdNr 8). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Darstellung der gesetzlichen Vorgaben und Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt hat oder durch die schon vorliegenden Entscheidungen die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (vgl stRspr, zB BSG Beschluss vom 22.3.2018 - B 5 RE 12/17 B - Juris RdNr 15 mwN). Hieran fehlt es.
Zwar behauptet der Kläger, dass es keine Rechtsprechung des BSG oder des BVerfG zu der von ihm formulierten Frage zu § 229 SGB IX gebe. Ob sich allerdings bereits auf der Grundlage vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung des BSG und des BVerfG ausreichend Anhaltspunkte für die Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben, prüft der Kläger nicht. Denn auch dann gilt - wie oben bereits ausgeführt - eine Rechtsfrage als höchstrichterlich geklärt. Allein die Darstellung der eigenen Rechtsansicht sowie allgemeiner Kritik an der Regelung des § 229 Abs 3 SGB IX reicht insoweit nicht aus.
Soweit der Kläger der Sache nach auch geltend macht, die Regelung in § 229 Abs 3 SGB IX über schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung verstoße gegen Art 1 Abs 1, Art 3 Abs 1 und Art 19 Abs 4 GG, fehlt es ebenfalls an den erforderlichen Darlegungen. Denn die Begründungsanforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde verringern sich nicht deshalb, weil damit eine Verfassungsverletzung geltend gemacht wird. Die Beschwerdebegründung durfte sich daher nicht lediglich darauf beschränken, einen Verstoß gegen die benannten Artikel des GG zu behaupten. Vielmehr hätte der Kläger in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG hierzu im Einzelnen darlegen müssen, woraus sich im Falle des Klägers die Verfassungswidrigkeit ergibt (vgl stRspr, zB BSG Beschluss vom 18.7.2017 - B 13 R 110/17 B - Juris RdNr 8). Hierzu wäre insbesondere der Bedeutungsgehalt der infrage stehenden einfach-gesetzlichen Norm aufzuzeigen, hier von § 229 Abs 3 SGB IX, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung zu erörtern und eine nicht mehr zu rechtfertigende Verletzung der in Rede stehenden Artikel des GG darzulegen gewesen. Keine dieser Darlegungen enthält die Beschwerde.
Schließlich fehlt es der Beschwerde auch an einer kurzen Darstellung des Sachverhalts, aus der sich das Klagebegehren und die wesentlichen Streitpunkte ergeben können. Denn es ist nicht die Aufgabe des Beschwerdegerichts, die vorliegenden Akten daraufhin durchzuarbeiten, ob und aus welchen Gründen eine Nichtzulassungsbeschwerde begründet sein kann (vgl zB BSG Beschluss vom 13.10.2004 - B 9 V 12/04 B - Juris RdNr 4). Mit der aufgeworfenen Fragestellung zielt die Beschwerde im Kern auf die Art und Weise von Beweisführung und Würdigung bei der Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" ab. Dies ist indes Aufgabe des Tatsachengerichts (vgl Senatsurteil vom 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 18 RdNr 11 mwN) und kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht überprüft werden.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13175189 |