Verfahrensgang
SG Regensburg (Entscheidung vom 19.10.2018; Aktenzeichen S 12 AL 174/18) |
Tenor
Das Sozialgericht Chemnitz wird zum zuständigen Gericht bestimmt.
Gründe
I
Mit ihrer am 31.8.2017 beim SG Regensburg erhobenen Klage, die sich gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 7.8.2017 richtet, wendet sich die Klägerin gegen die Rücknahme der Bewilligung von Alg ab 1.1.2017 und eine Erstattungsforderung.
Nachdem die Klägerin auf eine Anhörung durch das SG Regensburg zu einer beabsichtigten Verweisung an das SG München mit Schreiben vom 19.9.2017 erklärt hatte, dass sie derzeit schwanger sei und sich "gegenwärtig überwiegend" in L. … aufhalte, hat sich das SG Regensburg für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Chemnitz verwiesen (Beschluss vom 14.11.2017). Das SG Chemnitz hat sich nach Einholung einer Auskunft aus dem Melderegister, nach deren Inhalt die Klägerin (weiterhin) in München gemeldet war, gleichfalls für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG München verwiesen (Beschluss vom 15.2.2018). Dieses hat den Rechtsstreit wiederum an das SG Chemnitz zurückverwiesen, weil keine Bindungswirkung des Beschlusses vom 15.2.2018 vorliege (Beschluss vom 31.7.2018). Mit dem Beschluss vom 20.9.2018 hat das SG Chemnitz den Rechtsstreit an das SG Regensburg verwiesen und angeregt, dass dieses Gericht den Rechtsstreit unter Korrektur des ursprünglichen Beschlusses an das SG München verweisen solle.
Mit Beschluss vom 19.10.2018 hat sich auch das SG Regensburg für örtlich unzuständig erklärt, das Verfahren ausgesetzt und dem BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen vor. Das BSG ist hier als nächsthöheres Gericht im Sinne dieser Vorschrift zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem SG Regenburg, dem SG Chemnitz und dem SG München berufen, nachdem sämtliche Sozialgerichte ihre Zuständigkeit verneint haben.
Zum zuständigen Gericht ist das SG Chemnitz zu bestimmen, weil dieses an den Verweisungsbeschluss des SG Regensburg vom 14.11.2017 gebunden ist.
Gemäß § 98 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs 2 GVG ist ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über die örtliche Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist gerade nicht Aufgabe des gemeinsam übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG (vgl nur BSG vom 13.12.2016 - B 4 AS 4/16 R - RdNr 6).
Nur in seltenen Ausnahmefällen kommt eine Durchbrechung der Bindungswirkung in Betracht, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder auf willkürlichen Erwägungen beruht. Eine fehlerhafte Auslegung des Gesetzes allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt wird und die vertretene Auffassung jeden sachlichen Grundes entbehrt, sodass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt. Eine möglicherweise im Ergebnis fehlerhafte Anwendung der §§ 57 ff SGG allein macht die Entscheidung des SG Regensburg nicht willkürlich (stRspr; vgl nur BSG vom 21.2.2012 - B 12 SF 7/11 S - juris RdNr 9; BSG vom 16.11.2016 - B 4 SF 5/16 R - juris RdNr 4; BGH vom 9.6.2015 - X ARZ 115/15 - MDR 2015, 908).
Trotz des knappen Verweisungsbeschlusses des SG Regensburg vom 14.11.2017 liegt ein solcher Ausnahmefall einer willkürlichen Verweisung daher hier nicht vor, weil - trotz ausreichender Ermittlungen - ein Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit gewählt wurde, der sich in § 57 SGG findet.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Fundstellen
Dokument-Index HI12719980 |