Verfahrensgang
SG Schleswig (Entscheidung vom 12.12.2017; Aktenzeichen S 29 KR 414/15) |
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 14.12.2021; Aktenzeichen L 5 KR 9/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Dezember 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versichert gewesene, am 29.3.2020 verstorbene Ehemann der als Sonderrechtsnachfolgerin handelnden Klägerin, litt an einem Hirntumor (Glioblastoma multiforme). Die Diagnose wurde 2010 gestellt und der Versicherte wurde zunächst neurochirurgisch und radiochemotherapeutisch behandelt. Die Resektion eines Rezidivs im Jahr 2011 konnte das Tumorwachstum nicht stoppen. Außerdem führte die Einnahme von Dexamethason (ein hochwirksames künstliches Glukokortikoid), das zur Verhinderung bzw Reduzierung des Hirnödems diente, zu erheblichen unerwünschten Nebenwirkungen. Er setzte das Medikament ab. Bereits im Jahr 2015 war der Versicherte weitgehend erblindet, auf einen Rollstuhl angewiesen und im Zeitpunkt seines Todes nach Pflegegrad 5 pflegebedürftig. Er begann spätestens im Jahr 2013 eine Behandlung mit dem Weihrauchpräparat H 15 Sallaki (aus gehärtetem Gummiharz des in Indien vorkommenden Baums Boswellia serrata, mutmaßlicher Wirkstoff: Boswelliasäuren). Die Beklagte bewilligte die Übernahme der Kosten einer Behandlung mit diesem Weihrauchpräparat für die Dauer von zwei Jahren (Juni 2013). Der erneute, auf die Stellungnahme des Facharztes für Neurochirurgie Dr. D gestützte Antrag (Schreiben vom 29.7.2015) auf weitere Kostenübernahme ist bei der Beklagten und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Versicherte hat sich zum Teil vor der ablehnenden Entscheidung der Beklagten, ganz überwiegend aber erst danach aufgrund ärztlicher Verordnung Sallaki 400 mg (100 Tabletten) der Firma Gufic (zugelassen und hergestellt in Indien) zum Packungs-Einzelpreis von 28 Euro, insgesamt 6845,50 Euro (einschließlich der Versandkosten) beschafft, die die Klägerin zuletzt mit ihrer Klage geltend gemacht hat. Das LSG hat zur Begründung der Zurückweisung der Berufung ausgeführt: Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für das vor der ablehnenden Entscheidung der Beklagten beschaffte Weihrauchpräparat scheitere nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB V schon daran, dass es dem Versicherten zumutbar gewesen sei, zunächst einen Antrag bei der Beklagten zu stellen. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten ab 15.10.2015 erfolgte Selbstbeschaffung nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alter 2 SGB V scheitere daran, dass der Versicherte keinen Anspruch auf Versorgung mit dem Weihrauchpräparat gehabt habe. Als Anspruchsgrundlage komme nur § 2 Abs 1a SGB V in Betracht. Dessen Voraussetzungen lägen nicht vor. Zu unterscheiden sei dabei die Behandlung der Grunderkrankung und die Behandlung des vom Glioblastom ausgehenden Hirnödems, dass bei zunehmendem Druck eine zusätzliche Schädigung des Gehirns bewirke. Hinsichtlich der Grunderkrankung habe eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht mehr zur Verfügung gestanden. Es fehle aber an einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fern liegenden Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Weihrauchpräparate mit dem Wirkstoff Boswellia serrata würden weder in den Leitlinie Gliome der Deutschen Gesellschaft für Neurologie genannt (Stand 1.2.2021) noch führten die onkopedia/guidelines der Fachgesellschaft zur Diagnostik und Therapie hämatologischer und onkologischer Erkrankungen Studien auf, die auf eine Tumorregression hindeuteten. Hinsichtlich der Behandlung des Hirnödems erscheine die abstrakte und konkrete Nutzen-Risiko-Abwägung positiv. Dies könne der Senat jedoch ohne Sachverständigengutachten nicht abschließend entscheiden. Hierauf komme es aber nicht an, weil zur Behandlung des Hirnödems noch eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmöglichkeit mit Kortikoiden zur Verfügung gestanden habe. Dies ergebe sich aus dem Bericht der Ambulanz für Endokrinologie, Diabetologie, Osteologie und neuroendokrine Tumoren der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums S (UKHS; 25.1.2013). Dem Versicherten sei es nach dieser ärztlichen Einschätzung trotz der unerwünschten Nebenwirkungen zumutbar gewesen, Dexamethason einzunehmen (Urteil vom 14.12.2021).
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, dazu 1.), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG, dazu 2.) und des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, dazu 3.). Der Senat kann deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Die Klägerin formuliert folgende Fragen:
"1. Ist es einem Sozialversicherungsträger gestattet, nach einem zeitlich begrenzt zugesagten, erfolgreich verlaufenen Behandlungsversuch mit einer Behandlungsmethode im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V, eine weiterführende Kostenzusage ohne medizinisch begründbaren Aspekten zu verwehren und auf eine für den Versicherungsnehmer nachweislich unverträgliche schulmedizinische Behandlungsmethode zu verweisen?
2. Ist es einem Sozialversicherungsträger gestattet, nach einem zeitlich begrenzt zugesagten Behandlungsversuch mit einer Behandlungsmethode im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V, im Falle eines weiterführenden Kostenantrags des Versicherungsnehmers eine umfassende Prüfung im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V durchzuführen, obwohl keine medizinisch begründbaren Beweggründe für eine Umstellung des Behandlungskonzeptes sprechen?
3. Handelt ein Sozialversicherungsträger rechtsmissbräuchlich, wenn er einem an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung erkrankten Versicherungsnehmer die Erstattung einer schulmedizinisch nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode für einen zeitlich begrenzten Zeitraum zusagt und eine darüber hinausgehende Zusage im Falle der weiterführenden Erstattungsbeantragung ablehnt, obwohl eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
4. Ist es einem Sozialversicherungsträger gestattet, einem an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung erkrankten Versicherungsnehmer die weiterführende Kostenerstattung einer schulmedizinisch nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode nach einer bewilligten und erfolgreichen Testphase zu verwehren, ohne ihm die medizinischen Beweggründe sowie die aus seiner Sicht alternativ zur Verfügung stehenden schulmedizinischen Behandlungsmethoden zu benennen."
Nimmt man die Fragen wörtlich, fehlt es jedenfalls bei den ersten drei Fragen bereits an einer hinreichend konkreten entscheidungserheblichen Rechtsfrage. Die Konkretisierung erfordert regelmäßig, dass die Rechtsfrage mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann; das schließt nicht aus, dass eine Frage gestellt wird, die je nach den formulierten Voraussetzungen mehrere Antworten zulässt. Unzulässig ist jedoch eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalles abhängt und damit auf die Antwort "kann sein" hinausläuft (vgl BSG vom 27.5.2020 - B 1 KR 8/19 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 40 RdNr 5 mwN). Ohne Berücksichtigung des Kontextes ist dies hier der Fall. Der Klägerin geht es, wie auch die Beschwerdebegründung zeigt, um die rechtliche Neubewertung des dem Rechtstreit zugrunde liegenden konkreten Sachverhalts. Mit den ersten drei Fragen will sie mit unterschiedlichen Formulierungen letztlich wissen, ob die Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis der Beklagten über den erneut gestellten Antrag auf Kostenübernahme aufgrund der 2013 erfolgten Abhilfeentscheidung in einem ersten Verfahren zu ihren Gunsten unter verschiedenen Aspekten eingeschränkt ist. Diese Fragen sind auf den konkreten Sachverhalt zugeschnitten. Dies schließt zwar nicht von vornherein die Möglichkeit einer grundsätzlichen Bedeutung aus. Die Beschwerdebegründung hätte hierzu aber Rechtsprobleme aufzeigen müssen, die über den konkret entschiedenen Fall hinausweisen. Dies ist nicht der Fall.
Mit der ersten, zweiten und dritten Rechtsfrage greift die Klägerin, die nicht zwischen den drei Fragen differenziert, zudem lediglich inzident die Entscheidung des LSG als sachlich unrichtig an und stellt ihre Würdigung des Sachverhalts an die Stelle des Gerichts. Dass ein Beteiligter das angegriffene Urteil für inhaltlich falsch hält, kann indes nicht zur Revisionszulassung führen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BSG vom 21.4.2020 - B 13 R 44/19 B - juris RdNr 8; BVerfG vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN). Das LSG bezeichnet die Möglichkeit einer positiven Beeinflussung der Grunderkrankung als spekulativ und geht hinsichtlich der Ödembehandlung gerade anders als die Klägerin von einer fortbestehenden, dem Versicherten zumutbar gewesenen Standardbehandlung mit Dexamethason aus. Die Klägerin stellt dagegen darauf ab, dass keine medizinisch begründbaren Beweggründe für einen Abbruch der Behandlung mit dem Weihrauchpräparat bestanden hätten. Ungeachtet dessen, dass mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts nicht angegriffen werden kann (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), ist eine Frage, die darauf abzielt, ob das LSG anhand der einschlägigen Normen den Sachverhalt richtig bewertet (subsumiert) hat, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
Mit der vierten Frage will die Klägerin schließlich wissen, welche formellen Begründungsanforderungen an eine ablehnende Entscheidung der KK zu stellen sind. Hierzu fehlt jegliches Vorbringen zu Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit.
2. Soweit die Klägerin mit ihren Ausführungen, das LSG habe einen Maßstab angelegt, welcher weder mit dem Wortlaut des § 2 Abs 1a SGB V noch mit der Rspr des BVerfG und des BSG zu vereinbaren sei, eine Divergenz gerügt hat, wird sie den Darlegungsanforderungen nicht gerecht.
Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht. Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat. Der Beschwerdeführer hat dies schlüssig darzulegen. Wenn das LSG einen abweichenden entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz nicht ausdrücklich formuliert, sondern nur implizit zugrunde gelegt hat, genügt es, dass der Beschwerdeführer darlegt, dass das LSG von einer Entscheidung ua des BSG abgewichen ist, indem es einen der höchstrichterlichen Rspr widersprechenden abstrakten Rechtssatz nur sinngemäß und in scheinbar fallbezogene Ausführungen gekleidet entwickelt hat. In einem solchen Fall muss der Beschwerdeführer jedoch darlegen, dass sich aus den Ausführungen des Berufungsurteils unzweifelhaft der sinngemäß zugrunde gelegte abstrakte Rechtssatz schlüssig ableiten lässt, den das LSG als solchen auch tatsächlich vertreten wollte (vgl BSG vom 20.3.2019 - B 1 KR 7/18 B - SozR 4-1500 § 65a Nr 5 RdNr 14 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht.
Die Klägerin zitiert wörtlich Passagen aus dem Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 (1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) zu den Nachweismöglichkeiten einer nicht ganz entfernt liegenden Erfolgsaussicht. Soweit hierin die Wiedergabe eines Rechtssatzes des BVerfG liegt, stellt die Klägerin dem jedenfalls keinen Rechtsatz des LSG gegenüber. Sie führt lediglich aus, das LSG habe entgegen der höchstrichterlichen Rspr fälschlich Anhaltspunkte für die Erfolgsaussicht nicht ausreichen lassen, da es von dem Erfordernis eines über alle Zweifel erhabenen Nachweises einer Wirksamkeit der Therapie als Maßstab iS des § 2 Abs 1a Satz 1 SGB V ausgegangen sei. Das LSG verlange entgegen der benannten Rspr einen unumstößlichen Beweis für eine zweifelsfreie Wirksamkeit des Weihrauchpräparates gegen die Tumorerkrankung. Weder legt die Klägerin substantiiert dar, dass das LSG einen solchen Rechtssatz ausdrücklich aufgestellt habe noch dass sich dieser Rechtssatz aus der Subsumtion des LSG ableiten lasse. Insbesondere geht die Klägerin nicht darauf ein, dass das LSG zum Prüfungsmaßstab ausgeführt hat, hinsichtlich der Grunderkrankung fehle es an einer nicht ganz entfernt liegenden Erfolgsaussicht, und hierbei gestützt auf Einschätzungen in Leitlinien im Detail das Für und Wider abgewogen hat. Hinsichtlich der Behandlung des Hirnödems zeigt die Klägerin zudem nicht auf, warum die Entscheidung des LSG auf einer eventuellen Divergenz beruhen könnte, obwohl es die Verfügbarkeit einer Standardbehandlung bejaht hat.
3. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr, vgl zB BSG vom 27.5.2020 - B 1 KR 8/19 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 40 RdNr 9 mwN). Auf das Vorbringen fehlerhafter Beweiswürdigung kann die Klägerin sich nicht stützen. Auf einen konkreten Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt ist, beruft sich die Klägerin nicht.
Die Klägerin legt auch nicht die Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG bzw Art 103 Abs 1 GG) in Gestalt einer Überraschungsentscheidung dar. Soweit die Klägerin geltend macht, das LSG hätte darauf hinweisen müssen, dass nach seiner Beurteilung für die Beherrschung des Ödems eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung gestanden habe, bezeichnet sie einen Gehörsverstoß nicht hinreichend.
Eine den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt nur vor, wenn das Urteil auf Gesichtspunkte gestützt wird, die bisher nicht erörtert worden sind, und dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Insbesondere muss das Gericht die Beteiligten nicht auf alle nur möglichen Gesichtspunkte hinweisen und vorab seine Rechtsauffassung zur Rechtssache bzw zu den Erfolgsaussichten zu erkennen geben. Eine solche Verpflichtung des Gerichts wird insbesondere weder durch den allgemeinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus § 62 SGG bzw Art 103 Abs 1 GG noch durch die Regelungen zu richterlichen Hinweispflichten (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet. Eine Hinweispflicht kann jedoch dann bestehen, wenn sich das Gericht hinsichtlich der Beweiswürdigung zuvor abweichend geäußert hat (vgl zum Ganzen BSG vom 7.2.2013 - B 1 KR 68/12 B - juris RdNr 8; BSG vom 4.1.2022 - B 1 KR 20/21 B - juris RdNr 13).
Die Klägerin trägt dazu vor, dass sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt hätte, wenn sie den Hinweis seitens des Gerichts erhalten hätte, es könne die Nutzen-Risiko-Bewertung hinsichtlich der Ödembehandlung nicht ohne sachverständige Hilfe vornehmen. Es ist danach nicht nachvollziehbar dargelegt, warum es für die Klägerin überraschend gewesen sein soll, dass sich das LSG zur Ablehnung einer anderen Tatbestandsvoraussetzung des § 2 Abs 1a SGB V, der konkret-individuellen Verfügbarkeit einer Standardtherapie, auf eine in den Prozessakten befindliche ärztliche Stellungnahme des UKHS gestützt hat. Zugleich ist damit nicht dargelegt, dass die Entscheidung des LSG auf dem fehlenden Hinweis beruhen kann.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG iVm § 183 Satz 1 SGG.
Schlegel |
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Geiger |
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Estelmann |
Fundstellen
Dokument-Index HI15912659 |