Verfahrensgang
SG Stade (Entscheidung vom 28.11.2011; Aktenzeichen S 4 R 24/09) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 26.02.2020; Aktenzeichen L 1 R 505/15) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Februar 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt mit einer allgemeinen Leistungsklage die Auszahlung einer nachträglich bewilligten Rente, die die Beklagte zur Erfüllung einer Erstattungsforderung an das beigeladene Jobcenter ausgezahlt hat. Mit Bescheid vom 29.7.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.9.2007. Die Nachzahlung für den Zeitraum September 2007 bis August 2008 (5287,48 Euro) werde - so der Text des Bescheides - "vorläufig nicht ausgezahlt", um zunächst Ansprüche anderer Stellen zu klären. Nachdem der Beigeladene einen Erstattungsanspruch für die während des Nachzahlungszeitraums der Klägerin gezahlten Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 6267,70 Euro angemeldet hatte, teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 17.9.2008 mit, dass die einbehaltene Nachzahlung in voller Höhe an den Beigeladenen ausgezahlt worden sei, sodass keine Restzahlung zu ihren Gunsten verbleibe. Das SG hat die Klage auf Zahlung der Differenz zwischen der Rentennachzahlung und dem Erstattungsanspruch des Beigeladenen abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 28.11.2011), weil die Klägerin die Regelung im Rentenbescheid nicht angefochten habe, dass die Nachzahlung im Hinblick auf mögliche Erstattungsforderungen vorläufig nicht ausgezahlt werde. Das Berufungsverfahren ist zunächst wegen Überprüfungsverfahren der Klägerin hinsichtlich der vorläufigen Nichtauszahlung (Bescheid vom 29.7.2008) und der endgültigen Einbehaltung (Schreiben vom 17.9.2008) zum Ruhen gebracht worden. Nachdem das LSG einen Anspruch der Klägerin auf Aufhebung der Entscheidungen über den vorläufigen Einbehalt der Rentennachzahlung und deren vollständige Auszahlung an den Beigeladenen im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X verneint hat (L 2 R 457/15), hat das LSG die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 26.2.2020 zurückgewiesen. Die von der Klägerin erhobene Leistungsklage sei unzulässig. Die Abrechnung der Nachzahlung sei durch Bescheid geregelt worden. Dass der entsprechende Bescheid rechtmäßig sei, stehe rechtskräftig fest.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG formgerecht begründet worden ist. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin stellt die Rechtsfrage:
"Darf der vorrangige Leistungsträger nach der Anmeldung von Erstattungsansprüchen eines nachrangigen Leistungsträgers die Rechtsfolgen der Leistung des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers (§ 107 SGB X) durch Verwaltungsakt regeln und welche Anforderungen sind ggf an eine solche Regelung zu stellen."
Die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage hat die Klägerin nicht ausreichend begründet. Sie legt nicht den Anforderungen des § 160 Abs 2 Satz 3 SGG entsprechend dar, warum sich aus dieser Rechtsprechung die Rechtsfrage der Klägerin nicht beantworten lässt.
Bereits im Beschluss vom 21.2.2018 - B 13 R 4/16 B - zu den von der Klägerin durchgeführten Zugunstenverfahren hat das BSG darauf hingewiesen, dass sich die Frage nach der Verwaltungsaktqualität eines Schreibens wie desjenigen vom 17.9.2008 aus der Rechtsprechung des BSG (zitiert wird das Urteil des BSG vom 25.1.2011 - B 5 R 14/10 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 15; offenbar gemeint das Urteil vom 3.4.2003 - B 13 RJ 39/02 R - BSGE 91, 68 = SozR 4-1300 § 31 Nr 1) beantworten lasse. Der 13. Senat des BSG hat in diesem Beschluss ferner darauf hingewiesen, dass sich aus der Rechtsprechung des BSG eine differenzierende Betrachtung ergebe, die insbesondere auf die Form einer Mitteilung abstelle (Hinweis auf BSG Urteil vom 3.4.2003 - B 13 RJ 39/02 R - BSGE 91, 68 = SozR 4-1300 § 31 Nr 1 RdNr 21; vgl auch Beschluss vom 7.12.2017 - B 5 R 176/17 B - juris RdNr 20 mwN).
Die Klägerin benennt eine Reihe von Entscheidungen, in denen vom Vorliegen eines Verwaltungsaktes ausgegangen wurde (ua BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 13 R 11/11 R - SozR 4-1300 § 106 Nr 1 und Urteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 2/13 R - BSGE 116, 267 = SozR 4-4200 § 34a Nr 1 sowie Urteil vom 13.12.2001 - B 13 RJ 67/99 R - BSGE 89, 111 = SozR 3-1300 § 1 Nr 1) sowie andere, in denen dies nicht der Fall war (ua BSG Urteil vom 26.4.2005 - B 5 RJ 36/04 R - juris sowie BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 203/10 R - SozR 4-1300 § 107 Nr 5). Dabei gelangt sie zu dem Schluss, dass die Verwaltungsaktqualität, soweit sie angenommen worden sei, nicht näher begründet worden sei und soweit sie nicht angenommen worden sei, mit der hier zu beurteilenden Konstellation nicht zu vergleichende Sachverhalte zugrunde gelegen hätten. Die Klägerin stellt Vergleiche mit einer Verrechnung an und wirft dann die Frage nach den Anforderungen an einen feststellenden Verwaltungsakt auf. Eine systematische Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung (insbesondere Urteil vom 3.4.2003 - B 13 RJ 39/02 R - BSGE 91, 68 = SozR 4-1300 § 31 Nr 1 RdNr 21 mwN; zur Nichtauszahlung von Sozialversicherungsleistungen vgl auch BSG Urteil vom 24.10.2013 - B 13 R 31/12 R - juris RdNr 16; allgemein zur Befugnis, sich der Handlungsform des Verwaltungsaktes zu bedienen, vgl Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 5 ff mit zahlreichen Nachweisen, ua etwa BSG Urteil vom 15.12.1999 - B 9 V 26/98 R - SozR 3-3100 § 62 Nr 4 RdNr 13) im Hinblick auf die gestellte Rechtsfrage wird nicht hinreichend deutlich. Es geht der Klägerin vielmehr erkennbar um die konkrete Bewertung des Schreibens vom 17.9.2008. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass sie unter Heranziehung auch verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung meint, das BSG könne einen Verwaltungsakt selbst auslegen und "die Einordnung einer schriftlichen Erklärung als Verwaltungsakt nachprüfen". Der 13. Senat des BSG hat hierzu im Beschluss vom 21.2.2018 bereits darauf hingewiesen, dass die - vermeintliche - Unrichtigkeit einer Entscheidung nicht zur Zulassung der Revision führen kann.
Darüber hinaus legt die Klägerin die Klärungsfähigkeit der von ihr gestellten Rechtsfrage nicht hinreichend dar. Soweit sie hierzu erneut zum Vorliegen eines Verwaltungsaktes sowie zu den materiellen Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs des Beigeladenen vorträgt, ist dies nicht geeignet, die Entscheidungserheblichkeit der von ihr aufgeworfenen Frage zu belegen, ob ein Leistungsträger befugt sei, die Rechtsfolgen einer Leistung des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers im Hinblick auf die Erfüllungswirkung nach § 107 SGB X durch Verwaltungsakt zu regeln. Für die vom LSG angenommene Unzulässigkeit der von der Klägerin ausdrücklich erhobenen allgemeinen Leistungsklage kommt es in der vorliegenden Konstellation nicht darauf an, ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig erlassen werden durfte, sondern vielmehr darauf, ob ein Verwaltungsakt, der dem geltend gemachten Zahlungsanspruch entgegensteht, tatsächlich ergangen ist und deshalb mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage hätte angegriffen werden müssen. Das erkennt letztlich auch die Klägerin, wenn sie ausführt, es stelle sich "die Frage, ob für die Auslegung der Erklärung vom 17.09.2008 bereits so bedeutende Umstände vorliegen, die bereits das Ergebnis zulassen, dass es sich um einen Verwaltungsakt handelt, so dass es nicht mehr darauf ankommt, ob diese Handlungsform mit der aufgeworfenen Rechtsfrage auch zulässig ist" (Beschwerdebegründung S 26 Abs 2). Ihre Verneinung des Vorliegens entsprechend bedeutsamer Umstände führt allerdings nicht dazu, dass hier die Frage nach dem "Dürfen" des Erlasses eines Verwaltungsaktes entscheidungserheblich wäre.
Zur Klärungsfähigkeit trägt die Klägerin weiter vor, das Begehren auf Auszahlung sei nicht Gegenstand des Verfahrens L 2 R 457/15 gewesen. Daher sei weder rechtskräftig festgestellt, dass es sich bei dem Schreiben vom 17.9.2008 um einen Verwaltungsakt handle noch dass eine Auszahlungspflicht nicht bestehe. Gleichzeitig gibt die Klägerin an, sie habe im dortigen Verfahren beantragt, "die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 17. September 2008 der Klägerin die Auszahlung eines Rentennachzahlungsbetrages in Höhe von 1912,70 Euro zuzusprechen", mithin einen Antrag gestellt, der auch die Auszahlung des hier streitigen Betrages betraf. Dementsprechend hat die Klägerin auch im Verfahren B 13 R 4/16 B bereits für klärungsbedürftig gehalten, ob das Abrechnungsschreiben eine Einzelfallregelung mit unmittelbarer Außenwirkung enthielt (vgl Beschluss vom 21.2.2018, juris RdNr 27 ff). Angesichts dessen hätte die Klägerin substantiiert unter Einbeziehung der verfahrensrechtlichen Besonderheiten darlegen müssen, weshalb die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage im Verfahren der Leistungsklage noch entscheidungserheblich sein kann.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14048109 |